Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Bücher sind wie Lebensmitt­el“

Der Verleger spricht über die Rolle des Buches in Krisenzeit­en und die Folgen der Corona-Pandemie.

- VON STEPHAN EPPINGER

Wie erleben Sie gerade die Situation im zweiten Lockdown?

HEJO EMONS: Dieser hat denkbar ungünstig mitten im Weihnachts­geschäft begonnen. Die Buchhandlu­ngen mussten zweieinhal­b Monate schließen, das hat auch unseren Umsatz erschütter­t, der sich in diesem Zeitraum halbiert hat. Beim ersten Lockdown war das so nicht der Fall, da gab es ein größeres Bedürfnis nach Büchern. Aber jetzt war auch eine gewisse Ermüdung festzustel­len, bei den Menschen, beim Buchhandel und auch bei uns Verlagen. Als Buchhändle­r musste man sich deutlich mehr anstrengen, um Bücher an den Kunden zu bringen. Jetzt nach der Wiedereröf­fnung ist auch bei uns das Geschäft endlich wieder angesprung­en.

Welche Rolle hat das Buch in Krisenzeit­en?

EMONS: Man hat mehr Zeit und weniger Ablenkung, da man nicht mehr ausgehen kann. Der Rückzug zum Buch hat schon immer in Krisenzeit­en stattgefun­den, ob das jetzt eine Pandemie oder früher eine Wirtschaft­skrise war. Das Buch ist ein Mittel, um sich zu unterhalte­n und um sich abzulenken. Das gilt auch in Zeiten des Lockdowns, man kann nicht ständig Fernsehen gucken.

Welche Rolle spielen die regionalen Titel?

EMONS: Bei uns im Verlag haben regionale Titel schon immer eine große Rolle gespielt. Aktuell achten wir bei unserer „111 Orte“-Reihe darauf, möglichst Titel zu präsentier­en, die nahe am Leser sind. Da geht es nicht um Moskau oder die Malediven, sondern um Orte, die man bei Ausflügen direkt von der eigenen

Haustür erreichen kann. Wir geben dem Leser dann die passenden Infos dazu. Ähnlich funktionie­rt das bei den regionalen Krimis, die direkt mit dem Alltag der Menschen zu tun haben. Da liest man abends den Krimi und steht am nächsten Morgen beim Einkaufen an dem Ort, wo die Ermittler ihre Leiche gefunden haben.

Wie wichtig war es, Bücher zeitweise als Grundbedar­f einzustufe­n? EMONS: Ich finde das prima und absolut richtig. Bücher sind wie Lebensmitt­el, wir brauchen sie. Wenn ich kein Buch auf dem Nachttisch liegen habe, fühle ich mich unwohl. Gerade für junge Leute, die lange nicht in die Schule gehen konnten, sind Bücher die Möglichkei­t, neue Welten zu entdecken und so den eigenen Horizont zu erweitern.

Welche Rolle spielt für sie das Onlinegesc­häft?

EMONS: Gerade jetzt sind bei uns E-Books und Hörbücher sehr beliebt. Es ist der einfachste Weg zum Buch. Das Onlinegesc­häft hat uns geholfen, die verlorenen Umsätze wieder etwas wettzumach­en.

Wie sieht die Perspektiv­e für das laufende Jahr aus?

EMONS: Ich bin ein sehr optimistis­cher Mensch, der immer davon ausgeht, dass alles gut wird. Natürlich habe ich Angst vor demLockdow­n und vor der erneuten Schließung des Buchhandel­s. Das wäre nicht gut für uns. Wir haben einen Verlag mit 30 Mitarbeite­rn und 80 weiteren Jobs, die von unserem Umsatz abhängen. Bislang konnten wir Kurzarbeit im Verlag vermeiden.

Was sind die größten Herausford­erungen für Sie?

EMONS: Der Druck vonseiten des Buchhandel­s auf uns ist sehr groß.

Wenn sich Buchhandlu­ngen beim Einkauf zusammensc­hließen, wird es für uns schwierig, die Konditione­n durchzuset­zen, die wir als Verlag brauchen. Wichtig ist es auch, den richtigen Mix der Titel für unser Programm zu finden. Wir sind nicht nur in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz als Verlag aktiv, sondern auch in den USA, Großbritan­nien, Italien und Frankreich. Da sind die Probleme teilweise deutlich größer als bei uns.

Wie sieht es mit dem Festival Crime Cologne derzeit aus?

EMONS: Für dieses Jahr mussten wir das Festival leider absagen, der Crime Cologne Award wird aber trotzdem online vergeben. Jetzt arbeiten wir am Festival für das kommende Jahr. Dieses hat sich gut entwickelt, auch wenn es ein langer Weg war. Es kommt bei den Verlagen und Autoren sehr gut an. So können wir auf die Fortsetzun­g unseres Erfolges im kommenden Jahr hoffen.

Welche Rolle spielt die Kultur in Krisenzeit­en?

EMONS: Es wurde leider erst spät in der Politik darüber nachgedach­t, welche Bedeutung Unterhaltu­ng und Kultur für die Menschen haben. Es ist eine Schande, dass wichtige Hilfen noch immer nicht bei den Künstlern angekommen sind. Aber die Pandemie bietet auch die Chance, Dinge neu zu überdenken, was zu einer größeren Wertschätz­ung der Kultur führen könnte. Die Menschen werden vielleicht erkennen, dass sich nicht wie beim neoliberal­en Denken alles rechnet, sondern, dass man sich Kultur einfach leisten muss.

Was macht Ihnen derzeit Hoffnung und was Sorgen?

EMONS: Sorgen macht mir, dass die für uns überlebens­wichtigen Buchhandlu­ngen wieder schließen müssen. Hoffnung macht mir die Aussicht, dass im Herbst alle Menschen geimpft sind. Im Moment sieht es aber leider nicht danach aus.

Worauf freuen Sie sich im eigenen Verlagspro­gramm am meisten? EMONS: Auf den Krimi „Das Licht in dir ist Dunkelheit“von Marc Voltenauer. Der Krimi war ein Bestseller in Frankreich. Er spielt im schweizeri­schen Wallis, es gibt darin viel Natur und ein ungewöhnli­ches, schwules Ermittlerp­aar.

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FOTO: EMONS VERLAG Der Kölner Verleger Emons hofft, dass der Buchhandel weiter geöffnet bleibt.

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