Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Jemös und Strüßche direkt vom Feld
Lukas Worth und Marius Frey setzen auf einem Feld in Bremen mit der „Humuswerkstatt“neue Ideen um.
DABRINGHAUSEN Es ist Mittagessenszeit. Sonja Bärwinkel hat gekocht, der frische Salat aus dem Gewächshaus ist direkt auf dem Teller gelandet. Sie hat Salbeitee aufgesetzt. Mit Blättern vom Feld versteht sich. Nun sitzt sie mit Lukas Worth und Gero Carus in der Sonne am Rande der Beete. Über ihn kreist ein rufender Vogel, der Wind fegt über das Bergische Land und die drei lassen es sich schmecken.
Schließlich haben sie sich die Pause redlich verdient. Den ganzen Morgen haben sie bei den Pflanzen verbracht, auf dem Feld gearbeitet und in den Gewächshäusern nach dem Rechten gesehen. Die Saison in der Humuswerkstatt hat begonnen. „Im ersten Jahren haben wir den Betrieb aufgebaut, in diesem Jahr können wir richtig loslegen“, sagt Lukas Worth.
Gemeinsam mit Marius Frey hat er sich bei Dabringhausen einen Traum erfüllt: Die beiden arbeiten mit dem Prinzip der Permakultur. Maschinen kommen auf ihrem Feld nicht zum Einsatz, sie verzichten auf das Umgraben. „Die Leute haben uns für verrückt gehalten, hier Gemüse anzubauen“, sagt Lukas Worth, „und wir haben auch echt Schwierigkeiten mit dem Boden gehabt.“
Aber der Plan geht auf: Der verdichtete Boden habe sich schon in der ersten Saison gelockert. Das Gemüse wuchs und wuchs – und die Dabringhausener wurden auf die beiden Gemüsebauern und ihre Philosophie aufmerksam. Beim Hofverkauf herrschte 2020 häufig Hochbetrieb, für die Gemüsekisten gibt es inzwischen eine lange Warteliste.
„Und es ist etwas Verrücktes und sehr Schönes passiert: Aus unserer ökologischen Idee ist ein Gemeinschaftsprojekt geworden“, erzählt Worth. Helfer wie Sonja Bärwinkel und Gero Carus kommen zur Unterstützung zum Feld. Viele Dabringhausener hätten ihre Unterstützung angeboten – im Tausch für etwas Gemüse und ein gemeinsames Frühstück am Rande der Beete. Und auch mit Landwirten in der Nachbarschaft hat die Humuswerkstatt erfolgreich Kontakt aufgenommen. „Es hat sich eine richtige Gemeinschaft hier etabliert“, sagt der 30-Jährige und hofft, dass die Corona-Pandemie bald vorbeizieht und die gemeinsame Arbeit auch im größeren Stil wieder möglich wird.
Schließlich haben Worth und Frey Pläne – und dabei setzen die beiden jungen Kölner auf die Menschen in der Region. „Als erstes haben wir die Zahl unserer Gemüsekisten erhöht“, erzählt Worth. Statt 40 Gemüsekisten, liefern die beiden nun regelmäßig 60 Kisten aus. „Wir sind ein bisschen stolz, dass unser Feld schon im ersten Jahr fast 200 Menschen regelmäßig ganz gut versorgt hat“, sagt Worth. Mitte April packt die Humuswerkstatt die ersten Kisten. Denn das Gemüse ist so weit: Kräuter, Sprossen-Brokkoli, Spinat und Knoblauch, Möhren aus dem Gewächshaus, Spitzkohl, Kohlrabi und dicke Bohnen gehören zu der großen Vielfalt. „Und wir haben auch erfolgreich Stielmus angebaut“, erzählt Worth, pflückt eines der gezackten Blätter, beißt hinein und freut sich über den Geschmack.
Als er durch das Gewächshaus schlendert, kommt er zu einem alten Wagen und deutet auf Sprösslinge in kleinen Bechern: „Wir kaufen keine Jungpflanzen mehr, sondern ziehen sie selber“, erklärt er.
Was lapidar klingt, ist für die Humuswerkstatt eine große Sache. Sie säen biologisches, samenfestes Saatgut, verzichten auf Torf, nutzen fein ausgewählte Erde und eigenen Kompost. Für den eigenen Anbau habe sie damit bereits begonnen – und so die Möglichkeit zur Entwicklung robuster, starker und seltener Sorten genutzt. Demnächst wollen sie die eigenen Jungpflanzen auch an interessierte Kunden verkaufen. Unterstützung bekommen sie dabei vom europäischen Leader-Fördertopf. 15.000 Euro aus dem Programm wurden der Humuswerkstatt zugesprochen. „Nur so können wir hier überhaupt die Voraussetzungen schaffen, um Jungpflanzen für den Verkauf auf den Weg zu bringen“, sagt Worth. Die Nachfrage der Kunden sei groß – vor allem nach heimischen Sorten. „Wir wollen zum Beispiel auf resistente Tomaten und bergischen Butterkohl setzen“, sagt Worth. Und der Verkaufsstand soll umgestaltet und verschönert werden.
Außerdem sind Beerensträucher entstanden, an denen Kinder künftig lospflücken dürfen. Der Streuobstwiesenverband hat den beiden einen Teil ihrer Ernte angeboten. Und das Feld soll in den nächsten Jahren weiter wachsen – dank der guten Nachbarschaft. „Wir wollen auch eigene Schnittblumen anbieten“, sagt Wort. Und dann lacht er fröhlich: „Jemös und Strüßche von unserem eigenen Feld“, ergänzt er gut gelaunt, „hier passieren wirklich verrückte Sachen.“
Dazu dürfte bald auch die Ankunft neuer tierischer Helfer gehören: Vier Laufenten sollen künftig in Bremen leben, grasen und so den Rasenmäher ersetzten und Schnecken suchen – ganz im Sinne der Philosophie.