Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Nackte Versuchung
Die sogenannten Naked Cakes sind Torten mit Show-Effekt. Bei ihnen fehlt der Fondant, aber sie bestechen durch eine unbegrenzte Anzahl an Zutaten oder Aromen.
Die entblößten Kuchen im Vintage-Stil müssen frisch genossen werden, da sie schnell trocken werden
Auch wenn Omas mächtige Sahne-Nuss-Torte und Tante Hildes fettiger Buttercreme-Kuchen immer noch gut schmecken, Backblogs und Backbücher sind derzeit voll von Naked- oder Drip-Cakes. Aus Amerika stammt dieser Trend zu Kuchen, die leichter und ohne Zuckerguss, Crème- oder Marzipanhülle auskommen. Tortenböden und Füllungen werden nur sanft seitlich verblendet, stattdessen Früchte und Füllungen großzügig zur Schau gestellt.
Auch immer mehr Hobby-Konditoren wagen sich an die hohe Patisserie-Kunst. Wie also wird aus einer kleinen Torte ein großer Hingucker mit perfekter Konsistenz? Für eine klassische Torte werden üblicherweise mehrere Tortenböden horizontal übereinandergeschichtet und mit Creme gefüllt. Anschließend wird sie noch mit einer Glasur überzogen. Die Böden bestehen oft aus Biskuit- oder Rührteig und können geschmacksverstärkend in Flüssigkeit – etwa Alkohol, Saft oder Kaffee – getränkt werden.
Fondant ist eine pastöse süße Zuckermasse zum Überzug von Torten, die sich auch als Dekoration modellieren lässt. Eine dickflüssige Creme aus Schokolade und Sahne heißt Ganache. Sie eignet sich als Überzug und als Füllung. Auch mit amerikanischer Buttercreme aus Butter und Puderzucker lässt sich eine Torte bestreichen, füllen oder verzieren. Deutsche Buttercreme enthält neben Fett noch eine milchhaltige Masse (beispielsweise Pudding). Weil diese flüssiger ist, eignet sie sich als Füllung, aber nicht als Fondant-Basis.
Das Besondere bei Naked Cakes ist: Sie kommen meist ganz ohne schweren Fondant, Ganache oder Marzipanschicht aus und zeigen im wahren Sinne, was in ihnen steckt. Statt künstlich verpackt, ist jede Kuchenschicht von außen zu erkennen, sodass sich hervorragend mit Farbe und Struktur spielen lässt. Naked Cakes müssen nicht perfekt sein wie eine mit Marzipan überzogene Torte. Sie bestechen durch eine unbegrenzte Anzahl an Zutaten oder Aromen. Erdbeeren, Heidelbeeren oder Brombeeren sind Früchte, die hervorragend zum lockeren Biskuitteig passen. Vanilleextrakt oder Nussaroma können den Teig verfeinern, aber auch Kakaopulver. Füllungen wie Butter, Cheesecakeoder Mascarpone-Creme schmiegen sich an die Tortenböden. Dazu lassen sie sich dann wunderbar mit Blumen, Früchten, Schokolade oder Zuckerdekor verzieren. Wichtig ist nur, dass die entblößten Kuchen im Vintage-Stil frisch genossen werden, da sie ohne Ganache oder Fondant auch schneller trocken werden.
Bei Kuchen wird derzeit viel experimentiert, und wie so oft kommen auch diese drei süßen Neuheiten aus den USA: Typisch für einen Cake mit Namen Fault Line („Störungslinie“) ist eine glatte Oberfläche, die in der Mitte unterbrochen wird durch einen Streifen, der etwas tiefer liegt als der Rest. Hier blitzt entweder das Innenleben der Torte heraus oder es wird eine extra kreative Dekoration, meist aus Streuseln, angebracht. Bei Ombre Cakes („Schattenkuchen“) wird gern mit Farbe gespielt – entweder bei den Kuchenböden im Inneren oder beim Frosting außen. Dabei werden die Böden in einer Farbnuance unterschiedlich intensiv eingefärbt oder das Frosting von oben nach unten oder umgekehrt ineinander übergehend in verschiedenen Farbschattierungen aufgetragen. Eine andere Variante sind Layer Cakes, also Schichtkuchen. Hierbei werden die einzelnen Kuchenböden unterschiedlich eingefärbt und übereinander geschichtet. Dazwischen wird eine Frischkäse- oder Fruchtcreme aufgetragen.
Das A und O bei den neuen Kuchen sind richtig geschnittene Biskuitböden. Das Messer sollte größer als der Tortenboden sein. Den Boden am Rand zuerst mit dem Messer ringsherum etwa einen Zentimeter tief einschneiden. Den Boden dann mit der anderen Hand langsam drehen und dabei mit kurzen Sägebewegungen bis zur Mitte durchschneiden. Das Messer dabei immer waagerecht halten.