Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Bewertungs­portal sorgt für Unmut

Auf einer neuen Internetse­ite können Eigentümer den Wert ihrer Immobilie schätzen lassen. Branchenve­rtreter kritisiere­n den Dienst aus mehreren Gründen.

- VON AXEL VOGEL UND CHRISTIAN HENSEN

Es klingt verlockend. Mit wenigen Klicks den Wert der eigenen Immobilie ermitteln – kostenlos, bequem von der Couch und ganz ohne Gutachter oder Makler. Scoperty.de nennt sich das Start-up-Unternehme­n aus München, das genau das möglich machen soll. Dabei vermittelt das Portal potenziell­e Käufer gleich mit. 35 Millionen Immobilien in ganz Deutschlan­d listet Scoperty nach eigenen Angaben auf – samt exaktem Standort und Luftbild. Auf Wunsch hilft das Portal auch beim Verkauf oder der Baufinanzi­erung.

In der Branche stößt der Dienst auf teils starke Kritik. Der Immobilien­verband Deutschlan­d IVD West schreibt dazu in einer Pressemitt­eilung: „Wir sehen das Portal als kritisch an, sowohl aus rechtliche­n als auch aus praktische­n Gründen“, so Burkhard Blandfort, Vorsitzend­er des IVD West. Auch der Datenschut­z sei ein Problem.

Wie viel ist meine Immobilie wert? Die Frage dürfte manchen Eigentümer beschäftig­en. Interessie­rte ermuntert Scoperty, die Adresse der Immobilie auf seiner Homepage einzugeben. Im Gegenzug bekommt der Nutzer unverbindl­ich einen „Schätzwert“mir einer Preisspann­e, die jedoch auch gerne mal 400.000 Euro groß sein kann. Dabei versteht sich das Münchner Unternehme­n als „digitaler Marktplatz“, der den Immobilien­markt „transparen­ter und agiler“machen möchte. Es werde ein „Vormarkt“geschaffen, der es ermögliche, „Gebote auf Immobilien abzugeben, die noch nicht offiziell auf dem Markt sind“. Denn ein Nutzer kann auch die Nachfrage bereits „testen“, indem er seine Immobilie auf den Status „offen für Gebote“stellt. IVD-Vorsitzend­er Blandford sieht dieses Geschäftsm­odell

kritisch. „Es erweckt den Eindruck, dass das ganze Land zum Verkauf steht oder jeder käuflich ist.“Holger Knille, Leiter des Bereichs Immobilien­finanzieru­ng bei der Stadtspark­asse Düsseldorf, betont: „Für mich ist das nichts weiter als ein Marketingg­ag

für den Ankauf von Objekten.“Die hohen Schätzwert­e sollen Eigentümer­n quasi den Verkauf schmackhaf­t machen. Knille rät, auf den Profi zurückzugr­eifen: „Der lokale Makler verfügt über detaillier­tes und präzises Standortwi­ssen, der Lage, Objekttyp und technische­n Zustand exakt beurteilen kann. Dazu gehört mehr als ein Luftbild.“

Thomas Schüttken, Geschäftsf­ührer von Böcker Wohnimmobi­lien aus Düsseldorf, die ebenfalls eine Wohnmarkta­nalyse anbieten, räumt ein: „Grundsätzl­ich sind die Zahlen nicht völlig aus der Luft gegriffen, da sie sich auf die profession­elle Datenbank von Sprengnett­er beziehen. Allerdings ist die Streuung der Kaufpreise sehr hoch und somit eine verlässlic­he Aussage über den Wert der Immobilie auch nicht belastbar.“Hier könne Big Data nur eine sehr grobe Richtung vorgeben, die im Zweifelsfa­ll „auf eine falsche Spur und somit zu falschen Entscheidu­ngen“führe.

Dr. Werner Fliescher, Vorstand bei Haus und Grund Düsseldorf, rät Verbrauche­rn zur Vorsicht: Die Bandbreite­n der Werte seien zu groß, relevante Faktoren zur Bewertung nicht berücksich­tigt. Wichtig zu wissen: „Eigentümer haben die Möglichkei­t, der Veröffentl­ichung ihrer Daten beim

Portal zu widersprec­hen. Ein Widerspruc­h führt aber dazu, dass das Unternehme­n Daten erhält, nämlich die, wer bei welcher Immobilie Eigentümer oder Mieter ist“, sagt Fliescher.

Und was sagt Scoperty-Geschäftsf­ührer Michael Kasch zu den Vorwürfen? „Die Kartendars­tellung auf Scoperty bedeutet nicht, dass das ganze Land käuflich ist, sondern sie erlaubt es jedermann, ein erstes Gefühl für den Markt zu bekommen.“Dazu gehöre, dass man den Datenschut­z ernst nehme. „Jeder Eigentümer kann seine Immobilie auf inaktiv stellen, und den Dienst dennoch nutzen.“Wer Widerspruc­h einlege und seine Immobilie löschen lasse, dessen Daten würden auch komplett gelöscht.

Unterm Strich hält Bernd Viebach, Projektlei­ter bei der Bonner Kraft Immobilien­gruppe, den Verbrauche­rnutzen des Portals für gering: „Wir haben vor einiger Zeit aktuell verkaufte Immobilien mit den bei Scoperty angegebene­n Preisspann­en verglichen. Die Ergebnisse waren ziemlich verheerend.“Viebach stieß auf Abweichung­en vom tatsächlic­hen Marktpreis von teils über 50 Prozent. „Solche Fehleinsch­ätzungen machen den Markt nicht transparen­ter, sondern verunsiche­rn potenziell­e Verkäufer und Käufer.“

 ?? FOTO: SCOPERTY ?? Zweifelhaf­ter Nutzen: Das Start-up Scoperty liefert für jede Adresse einen geschätzte­n Kaufpreis. Die Karte zeigt exemplaris­ch den Ortskern von Viersen-Süchteln.
FOTO: SCOPERTY Zweifelhaf­ter Nutzen: Das Start-up Scoperty liefert für jede Adresse einen geschätzte­n Kaufpreis. Die Karte zeigt exemplaris­ch den Ortskern von Viersen-Süchteln.

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