Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Keeperin Sena Gün startet durch
Die 22-jährige Handball-Torhüterin schaffte es von der Kreis- bis in die Zweite Bundesliga und spielt beim HSV Solingen-Gräfrath.
SOLINGEN/REMSCHEID 37 Minuten und 16 Sekunden sind gespielt, als die Spielerin mit der Nummer 12 erstmalig an diesem Abend das Feld der Klingenhalle betritt – und einen Siebenmeter pariert. Denn Senanur Ariöz ist Torhüterin beim Zweitligisten HSV Solingen-Gräfrath, hinter Natascha Krückemeier und Lisa Fahnenbruck die dritte Keeperin des in dieser Saison so stark auftrumpfenden Tabellenfünften. Keine zwei Minuten später heißt es erneut Strafwurf für die am Ende mit 23:33 unterlegenen Gäste des VfL Waiblingen. Und: Ariöz hält abermals, bleibt danach bis zum Schlusspfiff zwischen den Pfosten. „Ich hätte noch zwei, drei Bälle halten sollen, aber das hat sich insgesamt schon gut angefühlt“, resümiert sie ihren bislang längsten Einsatz in der Zweiten Bundesliga.
Nicht nur aufgrund ihrer Paraden stand die Keeperin unlängst im Blickpunkt, denn einen Tag zuvor hatte sie geheiratet – aus Sena, so ihr Rufname, Ariöz wurde Sena Gün. Sie sagt über sich selbst, eine „extrem selbstkritische und bescheidene Person“zu sein. Was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass sie sich für die gehaltenen Siebenmeter bei ihrer Kollegin Natascha Krückemeier bedankt: „Sie hat mir wichtige Tipps gegeben.“
Sena Gün kann stolz darauf sein, was sie in ihrer Laufbahn als Handballerin bereits erreicht hat. Die 22-Jährige, die in Wermelskirchen geboren wurde, hat sich innerhalb kürzester Zeit von einer Kreis- zu einer Zweitliga-Torhüterin entwickelt und sich dabei auch nicht von Rückschlägen aufhalten lassen.
Am 20. September war es erstmalig soweit. Fürs Heimspiel gegen die SG Kirchhof fiel mit Krückemeier eine der beiden Stammtorhüterinnen des HSV Gräfrath aus. So bildete Gün mit Lisa Fahnenbruck das Gespann zwischen den Pfosten und bekam beim überzeugenden 35:23 in der Schlussphase die Chance, ihr Debüt zu feiern und ihr Können auf diesem Niveau zu beweisen. „Ich war ultranervös“, erinnert sich die Remscheiderin, „obwohl ich ja gar nichts zu verlieren hatte.“So avancierte sie dann auch zu einer weiteren Gewinnerin auf Gräfrather Seite, machte ein klasse Spiel. „Ich war sogar ziemlich gut“, erzählt Gün stolz.
Ende November dann Zweitliga-Einsatz Nummer zwei. Gegen den HC Rödertal standen Trainerin Kerstin Reckenthäler zwar Krückemeier und Fahnenbruck zur Verfügung, bei einem Siebenmeter in den letzten Minuten durfte aber erneut Gün ihr Glück versuchen. „Ich war dran“, ärgert sie sich, dass sie den Einschlag nicht verhindern konnte.
Einige Monate später ist der Ärger verflogen. „Sie hat auf sich aufmerksam gemacht“, gibt es Lob von weit oben – von ihrer Cheftrainerin Kerstin Reckenthäler. Diese hebt bei ihrer Torhüterin die Selbstkritik, Kritikfähigkeit, sehr gute Trainingseinstellung und den Willen zur harten Arbeit hervor. Sonst im Kasten der Oberliga-Zweiten stehend, habe sie gegen Waiblingen eine starke Zweitliga-Leistung geboten. Reckenthäler: „Sena durfte zufrieden sein, und jeder hat sich für sie gefreut.“
„Momentan bin ich zufrieden, so kann es gerne bleiben“, sagt Sena Gün. Dabei ist ihr anzumerken, dass sie auch schon andere Zeiten beim HSV erlebt hat. Als die Torhüterin 2017 von der HSG Radevormwald/Herbeck nach Solingen gewechselt war, erfüllte sie sich einen kleinen Traum. Mit der HSG hatte sie zwar sportlich den Sprung in die Viertklassigkeit geschafft, dann löste sich die Mannschaft aber auf. Gün übersprang also eine weitere Klasse und durfte als Backup-Keeperin erste Drittliga-Erfahrung sammeln. „Das war ziemlich cool“, sagt sie. „Ich habe es mit Verstand genossen.“Doch es kam zu Differenzen, Gün fand sich ausschließlich in der Zweiten wieder. Also dort, wo sie zuvor nur zur Hälfte eingeplant war. „Das war nicht einfach“, erzählt sie.
Doch die Remscheiderin gab weiter Vollgas. Sie wollte sich damit nicht abfinden. „Ich glaube schon, dass ich noch viel mehr Potenzial habe. Die Zweite Liga traue ich mir irgendwann zu“, sagte Sena Gün, deren sportliche Zukunft noch nicht geklärt ist – wohl fühlt sie sich beim HSV allemal.