Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Kreis stoppt Impfung für Frauen unter 55
Luca-App-Debakel, Erkrankungen bei Frauen durch Impfstoff, Virus-Mutationen, Inzidenzwert über 100: Was jetzt auf uns zukommt.
Luca-App-Debakel, Virus-Mutationen, Erkrankungen bei Frauen, Inzidenzwert steigt über 100: Was jetzt auf die Bürger zukommt.
WERMELSKIRCHEN Um 14 Uhr wurden am Dienstag alle Frauen unter 55 Jahren, die bereits zum Impftermin angemeldet waren und mit Astrazeneca geimpft werden sollten, ohne Corona-Impfung vom Impfzentrum in Bergisch Gladbach nach Hause geschickt. Grund: ein vorsorglicher Impf-Stopp mit dem Vakzin von Astrazeneca. „Diese Vorsichtsmaßnahme wurde unter Beteiligung der leitenden Impfärzte und der Abwägung der Risiken, nicht zu impfen, getroffen“; sagt Kreissprecherin Birgit Bär. Kürzlich war im Kreis Euskirchen eine 47-Jährige Frau verstorben, die wenige Tage zuvor geimpft worden war. Die Frau starb an einer Sinusvenenthrombose. Jetzt wird geprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen der Astrazeneca-Impfung und dem Auftreten der Hirnvenenthrombosen gibt. Eine 28-Jährige werde aktuell mit einer „schwerwiegenden Erkrankung in einer Spezialklinik betreut“, heißt es aus dem Kreis Euskirchen. Zusätzlich haben sich die Leiter von fünf der sechs Universitäts-Kliniken in NRW dafür ausgesprochen, jüngere Frauen nicht mehr mit dem Astrazeneca-Vakzin zu impfen, weil sie das Risiko von weiteren Todesfällen für zu hoch halten.
Der Rheinisch-Bergische Kreis reagierte prompt: Impf-Stopp mit Astrazeneca für Frauen unter 55 Jahren. „Es wird voraussichtlich eine Überprüfung der bekannten Nebenwirkungen durch das Paul-Ehrlich-Institut geben. Der Kreis wartet diese Erkenntnisse sowie eine daraus resultierende Empfehlung ab, um das weitere Impfgeschehen zu planen“, so die Info des Kreises. Impfarzt Dr. Hans-Christian Meyer überlegt derweil, ob es Sinn macht, den Impfstoff zu tauschen, wie es die Finnen und Isländer bereits tun: „Dort wird Astrazeneca nur noch bei Menschen über 65 Jahren eingesetzt“, sagt er auf Nachfrage. Jüngere Frauen, die noch hormonell aktiv sind, würden einen anderen Impfstoff erhalten. Im Impfzentrum des Kreises wurden am Montag insgesamt 926 Impfungen durchgeführt, meldet der Kreis, davon 275 mit dem Impfstoff von Astrazeneca. Weitere Impfungen fanden über mobile Teams statt und sind ab kommender Woche auch in den Hausarztpraxen in Wermelskirchen möglich. „Der Impfstoff wird am Dienstag geliefert und ab Mittwoch, 7. April, impfen alle Hausärzte in der Stadt, die sich darum beworben haben, in ihren Praxen“, informiert Dr. Hans-Christian Meyer.
Der vorsorgliche Stopp von Astrazeneca für Frauen unter 55 Jahren in einer Phase, wo die Corona-Infektionen wieder steigen, ist vorsorglich notwendig, aber unglücklich. Insgesamt sind gestern im Kreis 42 weitere bestätigte Corona-Fälle bekannt geworden, davon einer in Wermelskirchen, wo insgesamt 123 Personen infiziert und 169 Personen derzeit in Quarantäne sind. Kreisweit sind 1112 Personen in Quarantäne und es gibt 685 Infizierte. 24 Personen, die an Covid-19 erkrankt sind, befinden sich aktuell in Krankenhäusern im Kreisgebiet in stationärer Behandlung, davon sechs in intensivmedizinischer Betreuung und davon zwei an Beatmungsplätzen. Die 7-Tage-Inzidenz liegt laut Landeszentrum für Gesundheit NRW (LZG) nun bei 100,3. Landesvorgabe ist, dass die Corona-Notbremse zieht, sobald der Inzidenzwert an drei aufeinander folgenden Werktagen über der kritischen Marke von 100 liegt. Der Krisenstab des Kreises werde jetzt aber nicht in blinden Aktionismus verfallen, sondern die Zahlen weiter genau im Auge behalten, sagt Kreissprecherin Birgit Bär auf Nachfrage dieser Redaktion. Für Gewebetreibende würde sich im Laufe dieser Woche erstmal nichts ändern, kündigt sie an: „Wenn der Inzidenzwert in den nächsten Tagen über 100 bleibt, melden wir am Dienstag nach Ostern ans MAGS und dann werden wir entscheiden, wie wir weiter fortfahren“, sagt sie. „Bis einschließlich Dienstag bleibt also alles, wie es jetzt ist.“Bis dahin werde im Krisenstab beraten, ob es eine Allgemeinverfügung für den Kreis geben wird.
Ebenfalls in der Diskussion im Kreis ist die Einführung einer Kontaktpersonen-Nachverfolgung durch eine App (wir berichteten). In Solingen wird die Luca-App bereits genutzt, jetzt kündigt auch der benachbarte Oberbergische Kreis an, die Luca-App an die Software „Sormas“des Gesundheitsamtes anzubinden, die seit vergangener Woche läuft, so Landrat Jochen Hagt. Auch im Rheinisch-Bergischen Kreis soll „Sormas“eingeführt werden: „Die Verträge sind unterschrieben, die Schulungen laufen, aber eine neue Software einzuführen klappt eben nicht einfach auf Knopfdruck“, sagt Kreissprecherin Birgit Bär. Im Kreis arbeite man seit Beginn der Pandemie mit einem anderen Software-System, „das wir parallel erstmal behalten müssen im Hinblick auf die höheren Fallzahlen und dem Anstieg von Mutationen. Da werden wir kein Kamikaze fahren“, sagt Bär.
Aktuell kümmere sich im Kreis
„Bleibt der Inzidenzwert über 100, melden wir nach Ostern ans MAGS. Bis dahin bleibt alles, wie bisher“
Birgit Bär Kreissprecherin
eine Arbeitsgruppe um die Technikfragen und auch darum, wie eine mögliche App, die die Kontaktverfolgung vereinfachen soll, eingebunden werden kann: „Uns wäre es lieber, wenn eine einheitliche Lösung vom Land kommt.“Darauf hatte sich auch der Kreistag vor zwei Wochen geeinigt, dass es Sinn mache, sich auf eine zentral lizensierte App zu einigen. Darauf wollte man im Oberbergischen Kreis wohl nicht mehr warten: „Wir möchten die Kontaktpersonen-Nachverfolgung beschleunigen und deshalb die Luca-App zeitnah an das Gesundheitsamt anbinden“, gibt Landrat Jochen Hagt bekannt. Damit folgt er dem Beispiel von Solingen, die bereits mit der Luca-App arbeiten. Auch das benachbarte Remscheid hat bereits Interesse an der Luca-App bekundet.