Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Für mich ein ganz besonderer Moment“
2006 hinterlässt der US-Amerikaner Ryan Sickles bei den Alligators einen bis heute bleibenden Eindruck.
SOLINGEN Als Norman Eberhardt am 23. September 2006 den letzten Ball der Saison fängt, brechen bei den Solingen Alligators alle Dämme. Zum ersten Mal sind die Klingenstädter Deutscher Meister. Über Jahre hat der Baseball-Bundesligist auf dieses Ziel hingearbeitet, ein Jahr zuvor ist er noch hauchdünn gescheitert. Doch an dem Nachmittag in Regensburg ist es soweit. „Das war natürlich auch für mich ein ganz besonderer Moment“, erinnert sich Ryan Sickles, der in dem Jahr einer der größten Leistungsträger der Mannschaft war. „Was mich aber bis heute noch bewegt, ist die Erleichterung und Genugtuung, die Norman Eberhardt, Dominik Wulf oder André Hughes ins Gesicht geschrieben stand. Was dieser Moment, dieser Titel für die so lange bei den Alligators etablierten Spieler bedeutete, werde ich nie vergessen.“
„Wenn wir es nicht geschafft hätten, wäre ich wiedergekommen“
Ryan Sickles Ex-Baseballer
Ryan Sickles bezeichnet dieses eine Jahr in Deutschland, in dem sportlich für ihn und das Team nahezu alles funktionierte, als „eine der großartigsten Lebenserfahrungen“, die er je gemacht hat. Dabei wäre es dazu fast gar nicht gekommen. 2005 absolvierte Sickles seine letzte Saison für die Gardner-Webb Universität im Bundesstaat North Carolina. Er spielte dort zwar in der höchsten Division, die amerikanische Profiliga (Major League Baseball) bemühte sich aber nicht um den Sportler, so dass er als Spieler vor dem Nichts stand. „Ich dachte, das war es für mich. Ich war 22 Jahre alt, und alles, was ich kannte, waren Schule und Sport“, blickt der heute 38-Jährige zurück.
Während Sickles begann, sich auf seine Karriere als Trainer zu konzentrieren, kam plötzlich der Anruf von Derek Hassell. Der neue Alligators-Coach brauchte in Solingen noch einen guten Short Stop, eine der wichtigsten Feldpositionen im Baseball. „Da ich Derek als meinen Co-Trainer am College kannte, war ich sofort interessiert – schließlich wollte ich am liebsten weiterspielen“, sagt Sickles.
Die Entscheidung, nach Deutschland zu gehen, hat der US-Amerikaner, der aus Schererville, einem Vorort
von Chicago, stammt, nie bereut. „Ich habe mit meinen Mitspielern Nils Hartkopf und Moritz Buttgereit zusammengewohnt. Ganz schnell hat sich das alles wie Familie angefühlt“, sagt der Sportler, der die Saison mit starken Leistungen begann, sich nach und nach aber noch weiter steigerte. „Gleich im ersten Spiel in Neunkirchen habe ich mit einem Homerun angefangen“, weiß er. „Ich bin eigentlich nicht der Spieler, der sich dadurch auszeichnet, aber da hatte ich dann sogar die Hoffnung, noch ein paar Homeruns nachlegen zu können. Das ist leider gescheitert.“Trotzdem schlug der US-Amerikaner überragend, brachte es nach der regulären Saison auf einen Durchschnitt von 37,9 Prozent.
„Vor allem aber war er defensiv unantastbar“, sagt Norman Eberhardt, der damals in seiner letzten Saison als Spieler zum ersten Mal
Meister wurde. „Ryan war ein Vorbild auf und neben dem Feld. Er war nicht der Lautsprecher, aber er hat sich immer wieder jemanden beiseite genommen und wertvolle Tipps gegeben.“
Für die Motivationsreden war Trainer Hassell zuständig. Der beherrschte diese Kunst wie kein Zweiter – darin sind sich auch knapp 15 Jahre nach dem Titel die Alligators-Baseballer weitgehend einig.
Und so drehte auch Sickles in den Play-offs nochmals auf. Fast in jedem Spiel kam er gleich zu Beginn auf Base und punktete kurz darauf. „Gefühlt war das wirklich immer so. Wir konnten stets mit einer Führung spielen, was natürlich geholfen hat“, sagt Sickles, der in den Play-offs einen Schlagdurchschnitt von 41,7 Prozent hatte und beim 5:1 im ersten Finale gegen Regensburg vier Treffer sowie seinen zweiten Homerun der Saison feierte. „Das war das beste Spiel meiner Karriere“, findet er noch heute.
Sickles’ Baseball-Abenteuer in Solingen ging nach dem 4:0-Sieg im dritten Endspiel an jenem 23. September 2006 wieder zu Ende. „Wenn wir es nicht geschafft hätten, wäre ich wiedergekommen“, meint der Baseballer. „Aber mit dem Titel fühlte es sich vollständig an. Die Mission war erfüllt.“