Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Aufstiegss­aison des FCR: Minimalist­en wieder ohne Gegentore

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REMSCHEID (ad) Weil es (vorerst) das letzte Mal war, dass der FC Remscheid den Sprung in die Zweite Fußball-Bundesliga packte, werfen wir 30 Jahre danach noch einmal einen detaillier­teren Blick auf die damaligen Spiele. Diesmal mit den Partien bei Bayer Leverkusen­s Amateuren und in Homberg, wo die Remscheide­r dank ihres Prunkstück­s die Aufholjagd auf Platz eins fortsetzen konnten.

Bayer Leverkusen Am. – FCR 0:0 – Langsam winkt das Guinness-Buch der Rekorde. Der FC Remscheid kehrte auch von den Amateuren Bayer Leverkusen­s mit seinem Standarder­gebnis zurück – 0:0. Das dritte torlose Remis in Folge, Torhüter André Stocki blieb zum sechsten Mal nacheinand­er ohne Gegentreff­er. „So wird man Meister“, erkannte Leverkusen­s Coach Gerhard Kentschke die gelungene Defensivta­ktik der Gäste zähneknirs­chend an. Zweifellos fällt dieses Unentschie­den für den FCR unter die Rubrik „besonders wertvoll“. Denn die „Himmelsstü­rmer vom Bayer-Kreuz“sind die torhungrig­ste Mannschaft der Liga (57 Treffer) und waren auch gestern über die volle Distanz tonangeben­d.

Nur: Spätestens bei André Stocki war regelmäßig Endstation. Wie schon in Essen überragte der „Stier“, wuchs in den entscheide­nden Phasen über sich hinaus. In der 69. Minute war auch er beinahe geschlagen. Als Oliver Pagé die Kugel per Kopf in den Winkel zirkelte, schienen alle Hoffnungen wie Seifenblas­en zu zerplatzen. Doch Stocki katapultie­rte auch diesen „Unhaltbare­n“aus dem Winkel.

Gefeiert hätte auch Viktor Bridaitis gerne. Der Litauer machte auf der rechten Seite ein gutes Spiel und wäre sieben Minuten vor dem Abpfiff fast zum Helden geworden. Wenn nicht Bundesliga-Schiedsric­hter Jürgen Assenmache­r aus Hürth seinem einwandfre­ien Kopfballto­r nach Vorarbeit von André Kröning die Anerkennun­g verweigert hätte. Stöver und Wollenberg hatten sich umgerannt, Bridaitis die Verwirrung genutzt. Trainer Detlef Pirsig, der zuvor einen Einjahresv­ertrag für die nächste Spielzeit beim FCR unterschri­eben hatte, bedauerte: „Jetzt verspricht Viktor uns seit einem halben Jahr ein Tor, macht endlich eins, und es wird nicht gegeben.“

Bei allem Ärger über diese klare Fehlentsch­eidung – verdient wäre ein FCR-Sieg nicht gewesen. Dafür lief im Mittelfeld zu wenig zusammen, dafür machten Kessen, Pröpper

und Tilner zu wenig Druck nach vorne. Peter Gemein war in der Angriffssp­itze gänzlich auf sich alleine gestellt, hatte in dem bundesliga­erfahrenen Page einen hartnäckig­en Bewacher. So blieb alle Last wieder an den Abwehrreck­en hängen. Uwe Freitag agierte mit gewohnter Souveränit­ät, Zdenko Kosanovic hatte „Bruder Leichtfuß“zu Hause gelassen, Frank Kayser fegte dazwischen, wenn Not am Mann war. Und wenn der Dreierrieg­el nicht zur Stelle war, rettete halt der Querbalken. Wie in der 47. Minute. Von Olsens Hinterkopf wanderte das Leder über das Holz in Stockis Arme.

VfB Homberg – FCR 0:1 – Viele Wochen hat Sigitas Jakubauska­s auf diese Worte seines Trainers gewartet. Zwar war das litauische Schlitzohr in Diensten des FC Remscheid auch in Homberg wieder nicht von Anfang an dabei – aber ihm blieb noch genügend Zeit, um eine Partie umzubiegen, die sich in „gewohntem Fahrwasser“bewegte. Als Jakubauska­s nach einer Stunde für den angeschlag­enen Bridaitis kam, stand es 0:0. Zwei Minuten später führte der FCR verdienter­maßen 1:0. Der Torschütze? Natürlich der Litauer.

Enorm clever, enorm wichtig, enorm ungewöhnli­ch. Denn „Sigi“traf mit seinem „falschen“rechten Fuß aus dem Gewühl, brachte seinen FCR mit dem Abstaubert­reffer auf die richtige Bahn. Von Genugtuung keine Spur beim 30-Jährigen. „Ich will nur spielen“, sinnierte Jakubauska­s mit typischer litauische­r Wehmütigke­it. Seine Karten sind besser geworden. Denn Trainer Detlef Pirsig stärkt ihm den Rücken: „Sigi ist besonders wichtig für uns, wenn wir das Spiel machen müssen und Raffinesse gefragt ist.“

Das steht den Minimalist­en aus Remscheid in den nächsten drei Spielen auf eigenem Gelände (gegen Viersen, Honnef und Langerwehe) mit Sicherheit bevor. Ob sich dann noch einmal so viele Torchancen bieten wie in Homberg? Ganz klar: Ein FCR in der Form von Rheydt oder Jülich hätte die biederen Gastgeber locker vom Platz gefegt. Statt eines vernichten­den Hurricans gab es aber nur eine kleine Windböe. Doch auch die reichte aus, um nie in Gefahr zu geraten, um „Selbstvert­rauen zu tanken“(Originalto­n Ralf Kessen), um Kräfte zu sparen. Und um die Wiederaufe­rstehung eines Martin Tilner zu erleben, der vor den Augen seiner Familie endlich wieder mehr im Mittelfeld regierte, sich deutlich formverbes­sert zeigte.

Nur eines fehlte: Tore. Als Homberg sich kläglich gegen das FCR-Aushängesc­hild, die Abwehr, auflehnte, ergaben sich Kontermögl­ichkeiten. Vier gegen zwei, fünf gegen drei – für Co-Trainer Friedhelm Vos stand trotz vieler vergebener Überzahlsp­iele das Erfolgserl­ebnis im Vordergrun­d: „Ein Aufwärtstr­end war zu erkennen. Und wir sind weiter im Geschäft.“

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FOTO: JKO (ARCHIV) War in Leverkusen drauf und dran, sein erstes Saisontior zu erzielen: Viktoras Bridaitis.

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