Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Wie ein Verein gegen die Vereinsamung von Senioren hilft.
Einsame Menschen werden in der Pandemie noch einsamer. Der Verein aktiv55plus hält mit Hilfsangeboten dagegen.
RADEVORMWALD Obwohl Mehrgenerationen-Haushalte immer beliebter werden, gibt es auch in Radevormwald viele Senioren, die alleine leben. Alleinsein bedeutet nicht automatisch Einsamkeit, aber aus alleine leben, kann in einer Pandemie schnell Einsamkeit entstehen. Die Senioren, die sich vor dem Beginn der Corona-Krise über den Netzwerkkalender
„Die Pandemie hat nicht nur die Einsamkeit verstärkt, sondern auch viele neue Hürden für alte Menschen produziert“
Kyra Springer aktiv55plus
des Trägervereins aktiv55plus soziale Kontakte gesucht haben, verbringen jetzt die meiste Zeit ihres Tages ohne Gesellschaft.
Kyra Springer (FOTO: HERTGEN), die hauptamtliche Koordinatorin des Trägervereins, hat im vergangenen Jahr erlebt, wie die Einsamkeit gewachsen ist. „Die meisten Angebote, die es in Radevormwald für alte Menschen gab, fallen aus und können aufgrund der Pandemie nicht realisiert werden. Das können Hilfsangebote, Freizeitangebote oder ehrenamtliche Aktivitäten sein“, sagt sie. Um Einsamkeit zu überwinden nehmen Senioren nicht nur gerne gesellige Veranstaltungen in Anspruch, sondern spenden selber Hilfe und Zeit. Die Ausübung eines Ehrenamtes ist nicht nur Hilfe für andere, sondern in vielen Fällen auch Selbsthilfe. Gebraucht zu werden und eine Aufgabe zu haben, ist wichtig, unter anderem für das Selbstbewusstsein. Weniger rüstige Senioren, die auf Hilfen angewiesen sind, brauchen soziale Angebote noch mehr. Die großen Aufgaben des Alltags, wie Körperpflege oder eine warme Mahlzeit, sind meistens über Pflegedienste organisiert. Kleine Aufgaben des Alltags bleiben in der Einsamkeit aber oft unbeobachtet. „Senioren, die alleine leben, brauchen oft bei Kleinigkeiten Hilfe, die in anderen Fällen von Familienmitgliedern erledigt werden können. Das kann die Beantragung eines neuen Personalausweis sein oder ein kaputtes Haushaltsgerät. Bei allen Fragen steht der Trägerverein bereit, um Hilfe zu leisten oder zu vermitteln“, sagt Kyra Springer.
Das Thema Einsamkeit ist leider oft mit einem Schamgefühl behaftet, das die Einsamkeit meistens verstärkt. Die Ehrenamtler von aktiv55plus gehen deswegen offen mit dem Thema um und aktiv auf alte Menschen zu. In der Corona-Pandemie ist das Angebot „Einfach mal reden“entstanden. Bürger sind eingeladen über ihre Gedanken, Sorgen und Fragen zu sprechen. Ein freundliches Telefonat hilft nicht nur gegen einsame Momente, sondern bringt auch oft Bedürfnisse hervor. „In Austausch mit anderen Menschen werden Dinge klarer und Probleme können besser zu zweit, als alleine gelöst werden“, sagt Kyra Springer. Die derzeitige Krise ist für alte Menschen oft schwer greifbar, weil sie ihre Auswirkungen nur aus den Medien verfolgen, aber nicht im Gespräch mit anderen analysieren und diskutieren können. „Mit anderen Menschen Karten zu spielen, ist nicht nur Freizeit, sondern auch eine wichtige Informationsquelle. Durch die Pandemie findet besonders
für Senioren weniger Kommunikation statt“, sagt Kyra Springer. Die fehlende Kommunikation entfremdet Menschen, die nicht über Handy und Internet im ständigen Kontakt zu ihren Freunden und Verwandten stehen, von ihrer Umwelt.
Eine alltagsnahe Hilfe ist der Einkaufsservice, der immer noch läuft sowie der Service „Dies und Das für Sie“. Mit diesem Service erhalten Senioren jeden zweiten Monat Post und werden nicht nur über Neuigkeiten aus dem Trägerverein und der Stadtverwaltung informiert, sondern auch aus der Stadtbibliothek und dem Heimatmuseum.
Als diskriminierend für alte Menschen empfindet indessen Kyra Springer die Test-Infrastruktur in Radevormwald. Schnelltests können nur online gebucht werden. „Das ist eine Schande. Deswegen kann man uns auch telefonisch um Hilfe bitten. Die Pandemie hat nicht nur die Einsamkeit verstärkt, sondern auch viele neue Hürden für alte Menschen produziert“, empört sich Kyra Springer“