Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Wird auch Rade bald „gendergerecht“?
Das Sana Krankenhaus geht seit Jahren beim Thema geschlechtergerechte Sprache voran. Wie sieht es in Politik und Kirche aus?
RADEVORMWALD Gäbe es eine Liste von Themen in Deutschland, bei denen Meinungen hart aufeinandertreffen, das sprachliche Gendern stünde ganz oben auf der Liste. Während manche darin eine längst notwendige Anpassung der Sprache zur Gleichberechtigung von Mann und Frau sehen, treibt vor allem beim männlichen Teil der Bevölkerung das Thema den Blutdruck hoch. Die Tendenz zur gendergerechten Sprache ist mittlerweile
„Ich sehe in manchen Konstruktionen eine grausame Verunglimpfung der Sprache“Bernd-Eric Hoffmann Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der UWG
auch in Radevormwald unverkennbar. Vorreiter ist hier das örtliche Krankenhaus. „Das Sana Krankenhaus Radevormwald hat als erstes Krankenhaus in Deutschland vor einigen Jahren damit begonnen, unter Begleitung der Duden-Redaktion eine gendergerechte Sprache einzuführen“, schreibt dazu Sana-Sprecher Stefan Mülders.
Zu diesem Thema hat er sogar mit der Leiterin der Duden-Redaktion, Dr. Kathrin Kunkel-Razum, jüngst für die Mitarbeiterzeitung ein Interview geführt. „Die gendergerechte Sprache betrifft unter anderem den Schriftverkehr der Klinik, also alles, was nach draußen geht“, erklärt Mülders.
Die protestantischen Kirchen in Deutschland sind bereits zu Beginn des Millenniums bei diesem Thema vorangegangen, mit der „Bibel in gerechter Sprache“, die 2006 erschien. Seinerzeit sorgte die Übersetzung für Kontroversen, vor allem männliche Theologen zweifelten an dem Sinn des Vorhabens. Dennoch wird diese Bibel auch im Gemeindeleben in Radevormwald benutzt, wie Manuela Melzer, Pfarrerin der lutherischen Kirchengemeinde, erklärt. „Wir verwenden sie zwar nicht oft, aber sie spielt beispielsweise eine Rolle, wenn wir in Gruppen unterschiedliche Bibelübersetzungen vergleichen oder auch im Konfirmationsunterricht.“Die Pfarrerin hält das Anliegen der Übersetzung für richtig. „Sprache schafft Realität“, sagt sie. Das könne man nicht mit der Bemerkung abtun, es gebe doch Wichtigeres. „Diese Übersetzung kann den Blick für die Texte öffnen“, meint Melzer. „Andererseits finde ich den Text manchmal etwas sperrig. Und wenn von ,Hirtinnen und Hirten’ die Regel ist, muss man wissen, dass zu biblischen Zeiten der Hirtenberuf nicht von Frauen ausgeübt wurde.“Aus solchen Gründen verwende die Gemeinde in der Regel eine der älteren Übersetzungen.
Auch Stadtverwaltungen sind inzwischen dazu übergegangen, auf eine geschlechtergerechte Sprache zu achten. Zum Beispiel Radevormwalds Nachbarstadt Wuppertal: „Geschlechtergerechte Formulierungen sind keine bürokratischen Stilübungen, sondern sind ein effizientes Mittel, um einen konkreten Beitrag zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu leisten“, heißt es auf der Webseite . Doch wie sieht das die Politik in Radevormwald? Wären die Fraktionen dafür, wenn der Schriftverkehr, auch Ratsunterlagen und Informationen für die Politiker künftig in korrekter Gendersprache verfasst würde?
Wie so oft bei diesem Thema, sind die Meinungen sehr unterschiedlich. „Also, ich werde nicht gendern“, erklärt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der UWG, Bernd-Eric Hoffmann. Er sehe in Konstruktionen wie dem Gender-Sternchen „eine grausame Verunglimpfung der Sprache.“Zudem
„Mich hat es schon früher geärgert, dass junge Frauen sich als ,Fräulein’ bezeichnen lassen mussten“Elisabeth Pech-Büttner Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen
gebe es mitten in der Corona-Pandemie wichtigere Dinge, mit der sich die Politik beschäftigen müsse.
Ganz anders Elisabeth Pech-Büttner, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Grüne: „Mich hat es schon früher geärgert, dass junge Frauen sich als ,Fräulein’ bezeichnen lassen mussten, während niemand von ,Männlein’ sprach.“
Die deutsche Sprache, gerade die Sprache der Behörden, sei noch immer männerdominiert, daher hält Pech-Büttner die Einführung einer geschlechtergerechten Sprache für den richtigen Weg.