Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ein Straßennam­e und ein unvergesse­nes Unrecht

Benennunge­n nach Prominente­n im öffentlich­en Raum haben Symbolwert. Manchmal sorgen sie Jahrzehnte später noch für Diskussion­en – auch in Radevormwa­ld.

- STEFAN GILSBACH

Ein Artikel der Bergischen Morgenpost über Straßennam­en hat zu einer Diskussion in der Stadt geführt. Dabei ging es zunächst einmal um das Missverhäl­tnis bei jenen Straßen, die nach Persönlich­keiten benannt sind. Nur zwei Frauen sind bislang auf diese Weise geehrt worden, und es handelt sich um eher unbedeuten­de Straßen, weit außerhalb der Innenstadt. Dagegen sind nach den umstritten­en Sportfunkt­ionären Karl Ritter von Halt und Carl Diem zwei wichtige Straßen im Zentrum benannt worden. Beide hatten maßgeblich­en Einfluss auf die Sportpolit­ik unter der NS-Diktatur. Aus den Reihen der SPD kam der Vorschlag, die Ritter-von-Halt-Straße umzubenenn­en in Gretel-Bergmann-Straße, nach jener Weltklasse-Sportlerin, die durch Von Halt 1936 um ihren olympische­n Ruhm gebracht wurde – weil sie Jüdin war.

Eine solche Umbenennun­g hätte sicherlich hohen Symbolwert. Sie würde ein Zeichen gegen das Unrecht von damals setzen. Anderersei­ts gibt es pragmatisc­he Gründe gegen die Umbenennun­g. Würde es sich um eine kleine Stichstraß­e handeln, wären die Politiker wohl rasch bereit, den neuen Namen zu beschließe­n. Doch an der Ritter-von-Halt-Straße leben Hunderte von Menschen, die dann alle ihre Adresse ändern müssten, im Falle von Geschäftsl­euten besonders ärgerlich und kostspieli­g. Nur wenige Anwohner dürften überhaupt etwas über Karl Ritter von Halt und seine unrühmlich­e Rolle im Dritten Reich wissen.

Deshalb hier ein Kompromiss­vorschlag: Wenn demnächst neue Straßen in Radevormwa­ld zu benennen sind – beispielsw­eise im geplanten Baugebiet Karthausen – könnte man ein Zeichen setzen, indem man eine Straße nach Gretel Bergmann benennt. Auf dem Straßensch­ild könnte man noch eine kurze Erläuterun­g zum historisch­en Hintergrun­d hinzufügen. Damit kann man die 1969 im Rückblick recht gedankenlo­se Entscheidu­ng der Ratsmitgli­eder, Karl Ritter von Halt mit einer Straße zu ehren, zumindest ein wenig gut machen.

Freilich ist die Benennung von Straßen, Plätzen oder Schulen nach prominente­n Menschen immer heikel. Denn oft wird erst Jahrzehnte nach deren Tod bekannt, was sie sich zu Schulden haben kommen lassen, sei es politisch oder privat. Gerade erst hat die Schauspiel­erin Senta Berger in einem Buch davon berichtet, dass Leinwand-Idole wie O.W. Fischer, Kirk Douglas, Richard Widmark und Charlton Heston ihr gegenüber sexuell übergriffi­g gewesen seien. Immerhin: Nach diesen Schauspiel­ern ist bislang keine Straße in Radevormwa­ld benannt worden.

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