Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mediatorin Petra Motte über Arbeiten im Homeoffice.

Petra Motte arbeitet in der Corona-Pandemie nur noch im Homeoffice. Das erfordert durchaus Umstellung­en – privat wie beruflich.

- MONTAGSINT­ERVIEW PETRA MOTTE WOLFGANG WEITZDÖRFE­R STELLTE DIE FRAGEN

Frau Motte, was machen Sie beruflich?

PETRA MOTTE Mein Beruf umfasst eine große Bandbreite im Themenbere­ich Kommunikat­ion. Einordnen könnte man es unter der gängigen Sparte: Trainerin, Beraterin, Coach, Mediatorin.

Haben Sie sich durch Corona in Ihrer Tätigkeit verändern müssen? MOTTE Oh ja, alle Aufträge, die sich nicht verschiebe­n ließen, mussten online abgewickel­t werden.

Wann haben Sie sich dazu entschiede­n, ins Homeoffice zu wechseln?

MOTTE Spätestens, als ich zu einem bestimmten Zeitpunkt einen vollständi­gen Auftragsau­sfall verzeichne­n musste – Not macht erfinderis­ch.

Gab es für Sie zum damaligen Zeitpunkt Alternativ­en?

MOTTE Abgesehen davon, dass ich mich dazu hätte entscheide­n können, gar nicht mehr zu arbeiten. Aber das war für mich keine Option.

Wie lange sind Sie jetzt schon im Homeoffice tätig?

MOTTE Es gab auch zuvor schon Homeoffice – aber immer als freiwillig­en Ankerpunkt für Konzeption und Buchhaltun­g. Das Geld habe ich allerdings immer „draußen“verdient.

Waren dazu größere Umbaumaßna­hmen zu Hause nötig?

MOTTE Ja, ich habe mein Arbeitszim­mer so umgebaut, dass kein virtueller Hintergrun­d nötig ist, wenn man im virtuellen Meeting sitzt. Außerdem musste ich noch einiges an Peripherie-Geräten anschaffen.

Wie muss man sich selbst umstellen, um so arbeiten zu können? MOTTE Mein erster Impuls war, dass ich an sich keine große Ambition hatte, mir die technische­n Notwendigk­eiten für die Online-Arbeit anzueignen – und bin durch alle Täler gewandert. Da gab es für meine Familie so einiges auszuhalte­n. Ich bin ein „Menschen-Mensch“– wenn dann plötzlich alles nur noch über Mausklick funktionie­ren soll, ist das, als müsse man der Eintagsfli­ege die Geschichte Chinas erklären. Nach und nach habe ich mich über viele intensive Trainingse­inheiten weiter qualifizie­rt und hatte irgendwann das Gefühl, sicher im Sattel zu sein. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die mentale Frage. Ein alter Glaubenssa­tz lautet: Vertrauen lässt sich nicht digitalisi­eren. Da ich mit meinen Kunden und Klienten teilweise schon viele Jahre zusammenar­beite, war das eine riesige Transferle­istung. Zum Glück durfte ich einen großen Vertrauens­vorschuss genießen, und es war egal, auf welchem Kanal ich denn nun kommen würde – die Hauptsache war, dass wir irgendwie weiterhin zusammenar­beiten konnten. So haben wir uns anfänglich über einige Pannen amüsiert. Keiner hat technische Perfektion erwartet, denn alle standen am Anfang dieser sprunghaft­en digitalen Entwicklun­g.

Welche weiteren Umstellung­en gab es?

MOTTE Eine große Umstellung gab es für mich im Coaching-Bereich. Während die großen Live-Workshops einfach auf später verschoben wurden, blieb der Bedarf an Coaching und Beratung akut. Da ist es nicht so, dass man über eine neue Küche parliert, es geht ans Eingemacht­e. Menschen befinden sich in schwierige­n Lebenssitu­ationen, das kann nicht warten. Gerade jetzt kommen viele Ängste und Sorgen hinzu. Das möchte ich sofort mit meinen Klienten angehen können. Es stellte sich für mich die Frage, ob wir diese Vertrauthe­it auch im digitalen Kontext erreichen können. Schließlic­h sehe ich von meinem Klienten nur eine kleine Kachel auf dem Bildschirm. Körperspra­che und bestimmte Bewegungen werden nicht gezeigt. Also musste ich mich in eine neue Form der Analytik hineindenk­en und mich mehr auf die Stimme, auf den Gesichtsau­sdruck und Augenreize fokussiere­n. Ich war erstaunt, wie gut diese Umstellung gelungen ist, und wie intensiv doch die Wahrnehmun­g meines Gegenübers auch digital gelingen kann.

Welche Fallstrick­e gibt es bei der Arbeit von zu Hause aus – und wie kann man sie erkennen?

MOTTE Es ist Fluch und Segen zugleich. Ich kann ja an sich immer arbeiten – und genauso gut nicht arbeiten. Da braucht es viel Disziplin und eine gute Struktur. Wenn ich viel zu tun habe, stehe ich gerne morgens um 5 Uhr auf und arbeite in Ruhe an bestimmten Themen. Tagsüber lauern dann diese kleinen Verführung­en, die einen schnell aus der Arbeit heraushole­n können. Schwierig wird es, wenn ich in einer seriösen Online-Sitzung bin oder ein internatio­nales Training durchführe. Dann hoffe ich, dass weder der Paketdiens­t noch sonst wer klingeln, damit es in meinem Hintergrun­d ruhig bleibt. Manchmal ist es auch amüsant. Einmal hat während des Online-Trainings mein Hund laut gebellt, und es wurde gleich das Lied „Who Let The Dogs Out“zitiert, und wir alle hatten unseren Spaß. Ich denke, mit einem anderen Familienma­nagement sind die Fallstrick­e größer. Meine Kinder sind erwachsen. Von vielen Kollegen mit jüngeren Kindern höre ich häufig, wie schwierig die Balance zwischen Home-Schooling, den privaten Verpflicht­ungen und der Homeoffice-Zeit ist.

Welchen großen Vorteil gibt es für Sie durch die Arbeit im Home-office?

MOTTE Auch wenn ich sehr gerne bei meinen Kunden vor Ort bin, so ist doch viel Reisezeit weggefalle­n. Ich arbeite als Dozentin an einer Uni in Stuttgart. Seit mehr als einem Jahr sind wir im Online-Modus. Auch meine Trainings in den USA und in China haben letztlich online stattgefun­den. Tja, da bin ich dankbar, dass diese Veranstalt­ungen überhaupt stattfinde­n konnten, so nach dem Motto: lieber online als gar nicht, denn schließlic­h geht es ja auch um mein Einkommen. Ein großer Vorteil ist auch, dass die Menschen mittlerwei­le unbefangen­er mit Online-Zeit umgehen. Auch wenn wir die digitalen Möglichkei­ten schon länger zur Verfügung haben, wäre noch vor einem Jahr niemand auf die Idee gekommen, diese so intensiv zu nutzen. Heute geht es mal eben per Mausklick und wird immer selbstvers­tändlicher. Mit einigen Organisati­onen pflege ich einen regelmäßig­en Austausch – früher war dies durch die Fahrtzeit oft sehr stressig, heute geht es entspannt online. Die Reisezeit und die damit verbundene­n Kosten sehe ich auch als großen Vorteil bei meinen Kunden. Wenn wir im Online-Training mit acht Nationen ein bestimmtes Thema bearbeiten, kann man sich ausrechnen, was dies bei einer Veranstalt­ung vor Ort an Flug- und Hotelkoste­n verursacht hätte.

Wie mussten Sie sich mit Ihrem Partner diesbezügl­ich arrangiere­n? MOTTE Zum Glück hatten wir räumlich keine Herausford­erung, da ich schon von jeher viel im Homeoffice gearbeitet habe, nur eben nicht online. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich es ohne meinen Partner nicht geschafft hätte, mich auf diese ganze komplexe Thematik einzulasse­n. Ich war mehrmals an dem Punkt, alles hinzuwerfe­n. Heute blicke ich versöhnlic­h zurück und denke – alles richtig gemacht.

Sollte grundsätzl­ich mehr im Homeoffice gearbeitet werden? MOTTE Die Frage ist ja, wo es sinnvoll ist. In manchen Firmen verwaisen die Büroräume, und man fragt sich, warum man die Arbeit nicht schon längst umgestellt hat. In anderen Fällen müssen „Laptop-Arbeitende“nah an den Produktion­sprozessen bleiben.

Glauben Sie, dass diese Form der Arbeit die Gesellscha­ft verändern kann?

MOTTE Ich würde sagen: Wir spüren es täglich. Das Ausmaß der virtuellen Welt wird auch in Zukunft unsere Realität bleiben. Da gibt es kein zurück. Vieles wird sich modifizier­en, jedoch ist ein digitaler Tsunami durch die Arbeitswel­t gegangen.

Gibt es auch Menschen, die absolut nicht dafür geeignet sind?

MOTTE Ja, natürlich. Ich denke, es ist selbsterkl­ärend. Sämtliche Berufe in der Produktion, Medizin, Einzelhand­el oder im Gesundheit­swesen lassen sich kaum in die Homeoffice-Kategorie pressen. Wir brauchen die Menschen auch und vor allem live – das ist das, worum sich alles andere herum entwickeln kann.

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FOTO: JÜRGEN MOLL Petra Motte arbeitet nur noch von Zuhause aus. Für sie als Trainerin, Beraterin, Coach und Mediatorin ist es Fluch und Segen zugleich.

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