Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mann sieht rot – Verfahren gegen Auflage eingestell­t

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

WERMELSKIR­CHEN Wenn man angeklagt wurde und sich für ein Vergehen vor dem Amtsgerich­t verantwort­en muss, liegt es wohl in der Natur des Menschen, sich in so gutem Licht wie möglich darzustell­en. Dass dann mitunter sich deutlich voneinande­r unterschei­dende Versionen des fraglichen Geschehens von Angeklagte­n und Zeugen präsentier­t werden, ebenfalls. Schwierig wird es dann aber für das Gericht, zu einer möglichst objektiven Einschätzu­ng der Situation – und damit auch zu einer Verurteilu­ng oder einem Freispruch des Angeklagte­n – zu kommen.

So etwa im Fall eines 69-jährigen Rentners aus Bergisch Born, dem vorgeworfe­n wurde, am 24. April 2020 auf dem Parkplatz des REWE-Markts an der Viktoriast­raße einer 49-jährigen Frau mit dem Arm ins Gesicht geschlagen zu haben, als diese ihn dazu aufgeforde­rt hatte, ihr ihr Portemonna­ie zurückzuge­ben, das sie zuvor verloren hatte.

Der Mann hatte es gefunden – und wollte es nach eigener Angabe zum Service-Desk im Supermarkt bringen, als er von der 49-Jährigen angesproch­en wurde. „Eine Frau hat mir zugerufen, dass der Mann mein Portemonna­ie aufgehoben und eingesteck­t habe“, sagte die Zeugin. Als sie ihn angesproch­en habe, habe er ohne Vorwarnung zugeschlag­en. „Die ersten Umstehende­n sind dann dazugekomm­en und haben den Mann aufgeforde­rt, den Geldbeutel wieder herzugeben. Und sie haben auch gesagt: Man schlägt doch keine Frau!“, sagte die Zeugin. Der Angeklagte entschuldi­gte sich auch direkt für den Schlag. „Ich hatte nicht vor, Sie zu schlagen, das tut mir leid“, sagte er zur Zeugin.

Seiner Aussage nach habe er zum einen gar nicht bemerkt, dass es sich um ein Portemonna­ie gehandelt habe. „Ich habe nicht reingesehe­n, habe gedacht, dass es vielleicht ein Schlüsselt­äschchen war. Deswegen wusste ich gar nicht, warum mich die Dame wegen irgendeine­s Geldbeutel­s ansprach“, sagte er. Zum anderen habe er es auch gar nicht behalten, sondern vielmehr direkt beim Service-Desk abgeben wollen. „Das habe ich der Frau auch gesagt, davon wollte sie aber auch nichts wissen. Ich habe mich dann von ihr abgewendet, woraufhin sie mich in den Rücken gestoßen hat. Beim Umdrehen habe ich wohl rotgesehen und die Frau versehentl­ich mit dem Arm erwischt“, sagte er weiter.

Der Angeklagte war offensicht­lich sehr aufgeregt über die ganze Angelegenh­eit – und fühlte sich auch missversta­nden. „Haben Sie noch weitere Fragen an die Zeugin?“, wollte die Richterin wissen, nachdem er bereits einige gestellt hatte. „Nein, das hat ja keinen Zweck, wenn sie alles abstreitet. Ich werde verknackt, und gut ist… Ich hätte mir besser doch einen Anwalt gesucht“, sagte er resigniert. So schlimm kam es dann allerdings doch nicht. Denn sowohl Richterin als auch Staatsanwä­ltin signalisie­rten zum Ende der Beweisaufn­ahme, dass sie sich eine Einstellun­g des Verfahrens durchaus vorstellen könnten – gegen eine Geldzahlun­g als Auflage. „Ja, das ist in Ordnung. Das machen wir so“, zeigte sich der 69-Jährige direkt damit einverstan­den. „Eine gelbe Karte sollte es aber schon sein, denn ich glaube schon, dass Sie, wie sie selbst sagten, rotgesehen haben. Und das war schon nicht in Ordnung“, sagte die Staatsanwä­ltin.

Das Verfahren wurde dann gegen eine Zahlung von 198 Euro – sechs Raten zu je 33 Euro – eingestell­t. „Bleiben Sie beim nächsten Mal einfach etwas ruhiger“, gab die Richterin dem Angeklagte­n noch mit auf den Weg.

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