Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Mann sieht rot – Verfahren gegen Auflage eingestellt
WERMELSKIRCHEN Wenn man angeklagt wurde und sich für ein Vergehen vor dem Amtsgericht verantworten muss, liegt es wohl in der Natur des Menschen, sich in so gutem Licht wie möglich darzustellen. Dass dann mitunter sich deutlich voneinander unterscheidende Versionen des fraglichen Geschehens von Angeklagten und Zeugen präsentiert werden, ebenfalls. Schwierig wird es dann aber für das Gericht, zu einer möglichst objektiven Einschätzung der Situation – und damit auch zu einer Verurteilung oder einem Freispruch des Angeklagten – zu kommen.
So etwa im Fall eines 69-jährigen Rentners aus Bergisch Born, dem vorgeworfen wurde, am 24. April 2020 auf dem Parkplatz des REWE-Markts an der Viktoriastraße einer 49-jährigen Frau mit dem Arm ins Gesicht geschlagen zu haben, als diese ihn dazu aufgefordert hatte, ihr ihr Portemonnaie zurückzugeben, das sie zuvor verloren hatte.
Der Mann hatte es gefunden – und wollte es nach eigener Angabe zum Service-Desk im Supermarkt bringen, als er von der 49-Jährigen angesprochen wurde. „Eine Frau hat mir zugerufen, dass der Mann mein Portemonnaie aufgehoben und eingesteckt habe“, sagte die Zeugin. Als sie ihn angesprochen habe, habe er ohne Vorwarnung zugeschlagen. „Die ersten Umstehenden sind dann dazugekommen und haben den Mann aufgefordert, den Geldbeutel wieder herzugeben. Und sie haben auch gesagt: Man schlägt doch keine Frau!“, sagte die Zeugin. Der Angeklagte entschuldigte sich auch direkt für den Schlag. „Ich hatte nicht vor, Sie zu schlagen, das tut mir leid“, sagte er zur Zeugin.
Seiner Aussage nach habe er zum einen gar nicht bemerkt, dass es sich um ein Portemonnaie gehandelt habe. „Ich habe nicht reingesehen, habe gedacht, dass es vielleicht ein Schlüsseltäschchen war. Deswegen wusste ich gar nicht, warum mich die Dame wegen irgendeines Geldbeutels ansprach“, sagte er. Zum anderen habe er es auch gar nicht behalten, sondern vielmehr direkt beim Service-Desk abgeben wollen. „Das habe ich der Frau auch gesagt, davon wollte sie aber auch nichts wissen. Ich habe mich dann von ihr abgewendet, woraufhin sie mich in den Rücken gestoßen hat. Beim Umdrehen habe ich wohl rotgesehen und die Frau versehentlich mit dem Arm erwischt“, sagte er weiter.
Der Angeklagte war offensichtlich sehr aufgeregt über die ganze Angelegenheit – und fühlte sich auch missverstanden. „Haben Sie noch weitere Fragen an die Zeugin?“, wollte die Richterin wissen, nachdem er bereits einige gestellt hatte. „Nein, das hat ja keinen Zweck, wenn sie alles abstreitet. Ich werde verknackt, und gut ist… Ich hätte mir besser doch einen Anwalt gesucht“, sagte er resigniert. So schlimm kam es dann allerdings doch nicht. Denn sowohl Richterin als auch Staatsanwältin signalisierten zum Ende der Beweisaufnahme, dass sie sich eine Einstellung des Verfahrens durchaus vorstellen könnten – gegen eine Geldzahlung als Auflage. „Ja, das ist in Ordnung. Das machen wir so“, zeigte sich der 69-Jährige direkt damit einverstanden. „Eine gelbe Karte sollte es aber schon sein, denn ich glaube schon, dass Sie, wie sie selbst sagten, rotgesehen haben. Und das war schon nicht in Ordnung“, sagte die Staatsanwältin.
Das Verfahren wurde dann gegen eine Zahlung von 198 Euro – sechs Raten zu je 33 Euro – eingestellt. „Bleiben Sie beim nächsten Mal einfach etwas ruhiger“, gab die Richterin dem Angeklagten noch mit auf den Weg.