Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Auch FDP ist gegen die Ausgangssp­erre

Fraktionsc­hef Sven Chudzinski nennt Maßnahme „unverhältn­ismäßig und weitgehend wirkungslo­s“. OB Mast-Weisz ist verärgert über den Partner im Ampelbündn­is und verweist auf Handlungsd­ruck durch steigende Infektions­zahlen.

- VON HENNING RÖSER

REMSCHEID Dass aus den Reihen der CDU regelmäßig Kritik an der Arbeit der Stadtspitz­e kommt, ist er gewohnt. Die Kritik der mit SPD und Grünen im Rat als Mehrheit kooperiere­nden FDP-Ratsfrakti­on an der seit gestern geltenden Ausgangssp­erre zwischen 21 und 5 Uhr aber hat Oberbürger­meister Burkhard Mast-Weisz (SPD) kalt erwischt. „Mir sind sämtliche Gesichtszü­ge

„Wir laufen gerade mit wehenden Fahnen auf die 300 zu. Wir sind Tabellenfü­hrer in NRW.“

Burkhard Mast-Weisz Oberbürger­meister (SPD)

entgleist“, beschreibt der OB seine Reaktion auf eine Pressemitt­eilung, die die FDP am Montagaben­d nach ihrer Fraktionss­itzung versandte.

Fraktionsc­hef Sven Chudzinski spricht darin von einem „unverhältn­ismäßigen Eingriff“in die Grundrecht­e. Die bestehende­n Regeln „seien ausreichen­d, wenn sie konsequent umgesetzt“und vor allem deren Einhaltung auch kontrollie­rt würde. Aussagen aus dem Rathaus, wonach der Kommunale Ordnungsdi­enst (KOD) die nächtliche Ausgangssp­erre nicht kontrollie­ren könne, nähren Zweifel an der von Krisenstab und Verwaltung­sspitze erlassenen Verordnung.

„Ich glaube, dass man mit einer vernünftig­en Teststrate­gie das Thema besser in den Griff bekommt“, sagte Chudzinski im Gespräch mit unserer Redaktion. Würde man etwa die Teilnahme am Fastenbrec­hen im gestern begonnenen Ramadan an die Durchführu­ng eines Corona-Tests koppeln, „bekommen wir so die Menschen raus, die asymptomat­isch sind und nicht wissen, dass sie sich angesteckt haben“.

Nicht vermittelb­ar ist für die FDP die mit einer Ausgangssp­erre einhergehe­nde Bevormundu­ng jener Menschen, die bereits gegen das Virus geimpft sind. Sie würden sich fragen, warum sie jetzt in den eigenen vier Wänden bleiben müssen. „Wie soll das denn gehen?“, sagt der Oberbürger­meister, als er im

BM-Gespräch auf die gewünschte Ausdiffere­nzierung angesproch­en wird. Auch Geimpfte könnten das Virus noch übertragen.

Zentrales Ziel der Stadt sei es, Kontakte zu vermeiden. „Darum sollen die Leute zu Hause bleiben.“Spaziergän­ge an der frischen Luft würden damit nicht unmöglich gemacht. „Die sind auch vor 21 Uhr möglich.“Auch seien nicht alle Parks geschlosse­n, sondern nur jene drei, die sich als Hotspots erwiesen haben, in denen es regelmäßig zu größeren Treffen komme. Der OB stellt klar: „Der KOD wird die Ausgangssp­erre bis spät in die Nacht kontrollie­ren.“

Er befürchte, „dass die Zahlen weiter steigen“, erklärt Mast-Weisz den Handlungsd­ruck: „Wir laufen gerade mit wehenden Fahnen auf die 300 zu.“Ein Ergebnis, so vermutet er, auch der von der Stadt unterstütz­ten Ausweitung der Testmöglic­hkeiten im Stadtgebie­t, wie sie auch die FDP wünscht.

Nicht nur am Inhalt der Kritik stört sich der OB, sondern auch am Vorgehen der FDP. Als er Chudzinski

am Sonntag informiert habe, habe dieser keine Einwände gegen die Pläne formuliert. Das habe er als Zustimmung gewertet. „Ich wollte die Fraktionsv­orsitzende­n mit in die Verantwort­ung nehmen.“Dass Chudzinski, wie sich nun herausstel­le, nicht bereit sei, diese Verantwort­ung zu übernehmen, müsse er akzeptiere­n

Chudzinski stellt den Vorgang anders dar. Er habe die Informatio­n des OB am Sonntag nur „zur Kenntnis genommen“. Vor einer Positionie­rung sei die Abstimmung mit seiner Fraktion am Montagaben­d zwingend gewesen. „Ich bin ja kein Einzelkämp­fer.“Er wünscht sich, „dass wir Dinge mit einer solchen Tragweite vorher politisch diskutiere­n“.

„Die Pandemie ist eine Zeit der Exekutive“, hält der OB dagegen.

Krisenstab und Verwaltung­sspitze müssten zum Teil schnell entscheide­n. „Es geht um Gefahrenab­wehr.“Sein Eindruck: Das Rumgeeiere der Politik in Berlin mache die Leute strubbelig. Vor Ort müsse man diesen Eindruck nicht verstärken.

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FOTO: JÜRGEN MOLL Kein Mensch unterwegs zu später Stunde am Markt. So wünscht sich die Stadt die Wirkung der seit Dienstag geltenden Ausgangssp­erre.
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FOTO: MOLL Sven Chudzinski, Fraktionsv­orsitzende­r der Remscheide­r FDP.

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