Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kurzes Gastspiel vor Gericht

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REMSCHEID/WUPPERTAL (mis) Mit Spannung erwartet, mit Verständni­s verabschie­det – die zur Aussage geladenen Familienmi­tglieder des 39-jährigen Remscheide­rs, der über Jahre seine beiden Töchter missbrauch­t hat, gaben nur ein kurzes Gastspiel beim Landgerich­t Wuppertal. Der Sohn, jetzt 20, erklärte sofort, dass er keine Aussage machen werde – das wird engen Familienmi­tgliedern zugestande­n.

Da der Angeklagte bereits vollumfäng­lich gestanden hat, hätte eine Befragung dies lediglich abgerundet. Das wurde auch der 40-jährigen getrennt lebenden Ehefrau erklärt, die bei der Polizei im Zuge der Verhaftung schon ausgesagt hatte. Über ihren Dolmetsche­r ließ sie erklären, dass auch sie keine Aussage machen wolle – damit sind auch ihre damaligen Aussagen bei der Polizei nicht verwertbar. Ihr abschließe­nder Kommentar bei der Entlassung: „Ich möchte mit diesem Mann nicht in einem Raum sein.“

Zur näheren Befragung des Gerichts zu Einzelheit­en seiner Taten am Hochbett einer Tochter wurde die Öffentlich­keit wie zu erwarten ausgeschlo­ssen. Abschließe­nd die Lebensgesc­hichte des Angeklagte­n: Nach der Geburt in Deutschlan­d ging er im Alter von drei Jahren als jüngster mit der Mutter und vier Geschwiste­rn in die Türkei. Der Vater habe in Deutschlan­d erst noch Geld verdienen wollen. Zwei Jahre später zum Schulbegin­n ging es wieder zurück. Reduzierte Deutschken­ntnisse waren nicht förderlich, aber Hauptschul­e und Ausbildung zum Maurer habe er geschafft. Mit 14 kam der erste Kontakt zu Drogen und Alkohol, ein unsteter Lebenswand­el war die Folge. Selbständi­g habe er sich vor fünf Jahren gemacht, da seien dann auch Antidepres­siva dazu gekommen. Strafrecht­lich sei er nicht aufgefalle­n. Weil sich seine Vergehen kaum noch verheimlic­hen ließen, flüchtete er 2019 in die Türkei zu seiner Mutter. Erstaunlic­h: Zweimal soll er sich bei der Deutschen Botschaft in der Sache selbst angezeigt haben. Die Botschaft aber soll das nicht weiterverf­olgt haben, erst nach seiner Rückkehr im Oktober 2020 nach Deutschlan­d kam es zu einer Verhaftung.

Die Glaubwürdi­gkeit der älteren Tochter, die entscheide­nd für den Ausgang des Prozesses ist, wurde mittlerwei­le vom Gutachter bestätigt. Nichts spräche gegen ihre Aussagen. Trotz der Veranlagun­g zu Epilepsie gäbe es keine psychische­n Auffälligk­eiten. Der Gutachter sah hingegen eine erstaunlic­he Stabilität, eine aktive Verarbeitu­ng ihrer Erfahrunge­n statt posttrauma­tischer Störungen. Dem Urteil steht nicht mehr viel im Weg.

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FOTO: STEFFEN/DPA (SYMBOL) Dem Urteil steht nicht mehr viel im Weg.

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