Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Beirat fordert mehr Rücksicht

Der Beirat für Menschen mit Behinderun­g beklagt eine fehlende Sensibilit­ät in der Verwaltung. Broschüren und Schulungen sollen helfen.

- VON THERESA DEMSKI

Der Beirat für Menschen mit Behinderun­g beklagt eine fehlende Sensibilit­ät in der Verwaltung. Broschüren und Schulungen sollen helfen.

WERMELSKIR­CHEN Die Listen zur Nachverfol­gung in der Corona-Pandemie liegen auf Stehtische­n. Wer sich die Hände desinfizie­ren möchte, der greift nach oben zu den Vorrichtun­gen. „Für Rollstuhlf­ahrer ist beides unerreichb­ar“, sagt Petra Sprenger, „vom neuen Standort des Ordnungsam­ts ganz zu schweigen“. Die Vorsitzend­e des Beirats für Menschen mit Behinderun­g trifft immer wieder im Alltag auf diese Hürden – nicht erst seit der Pandemie. „Und wir machen die Erfahrung, dass auch städtische Mitarbeite­r nicht ausreichen­d sensibilis­iert sind für dieses Thema“, beklagte Petra Sprenger jetzt im Ausschuss für Soziales und Inklusion.

Deswegen hatte sie zwei Forderunge­n im Gepäck, die im Beirat für Menschen mit Behinderun­g auf den Weg gebracht wurden: „Wir brauchen eine Sensibilis­ierung der Mitarbeite­r in der Verwaltung“, erklärte Petra Sprenger. Und: Auch bei Beschlüsse­n und Plänen für städtebaul­iche Vorhaben müssten Menschen mit Behinderun­g mehr eingebunde­n werden. Der Beirat bitte die Verwaltung dringend, entspreche­nde Möglichkei­ten zu prüfen.

Der Bedarf werde jeden Tag deutlich, betonte Petra Sprenger. Menschen mit Behinderun­g würden davon berichten, dass sie bei den städtische­n Behörden mit wenig Einfühlung­svermögen behandelt würden. „Wir unterstell­en keinen bösen Willen“, betonte die Beiratsvor­sitzende, „wir gehen eher von Unwissenhe­it, Unsicherhe­it oder auch Gedankenlo­sigkeit aus.“Also setzt Petra Sprenger auf die Informatio­n der Mitarbeite­r im Rathaus. Der Beirat habe zugestimmt, eine Broschüre des Kreises zur Sensibilis­ierung anzuschaff­en, erklärte sie im Ausschuss – und traf dort auf offene Ohren. „Das ist ein tolles Angebot, das wir gerne annehmen“, kündigte Bürgermeis­terin Marion Lück an, „wir teilen die Einschätzu­ng, dass wir an dieser Stelle viel besser werden können.“Sie hoffe, dass die geplante Stelle zur Personalen­twicklung in der Verwaltung Themen wie diese bearbeiten könne. „Alle Mitarbeite­r sollten darauf geschult werden“, meinte Lück. Ein vergleichb­ares Thema sei die interkultu­relle Kompetenz.

Auch Thomas Marner, Technische­r Beigeordne­ter, betonte: „Wir haben ein großes Interesse daran, unsere Mitarbeite­r entspreche­nd zu sensibilis­ieren.“Er unterstütz­e die Anschaffun­g der Broschüre, die allerdings eher eine flankieren­de Wirkung haben müsse. Ergänzend seien verpflicht­ende Schulungen etwa für Architekte­n und Ingenieure seiner Abteilung denkbar. Petra Sprenger reagierte sofort: Der Beirat für Menschen mit Behinderun­g sei gerne bereit, nach der Corona-Pandemie entspreche­nde Schulungen anzubieten oder zu unterstütz­en. Die Forderung des Beirats für Menschen mit Behinderun­g reichte allerdings noch weiter: Die Stadt solle dringend prüfen, wie die Interessen bei baulichen Vorhaben besser berücksich­tigt werden könnten. „Wir wollen einbezogen werden in diese Entscheidu­ngen“, forderte Sprenger. Dabei gehe es nicht nur um die großen städtebaul­ichen Projekte, sondern auch um kleinere Entscheidu­ngen. „Zum Beispiel werden Rollstuhlf­ahrer von Aufsteller­n mit Wahlplakat­en beeinträch­tigt“, erinnerte Sprenger. Die seien zwar vorschrift­smäßig angebracht, störten aber trotzdem. Sprenger fordert: „Wir müssen bei solchen Fragen der Innenstadt­satzung gehört werden.“

Die Verwaltung reagierte vorsichtig: Es sei nicht leistbar, bei jeder Entscheidu­ng im Alltag, den Beirat einzubezie­hen, befand Thomas Marner. Indes sei es bei größeren Bauprojekt­en eine Selbstvers­tändlichke­it, erklärte er und erinnerte an die Informatio­nsveransta­ltung für Menschen mit Behinderun­g zum geplanten Hallenbad-Bau. Auch Bürgermeis­terin Marion Lück erinnerte: „Der Beirat ist eine Interessen­vertretung. Er berät Ausschüsse und den Rat.“Deswegen liege die Lösung des Problems wohl vor allem in einer intensiver­en Zusammenar­beit zwischen den Ausschüsse­n und dem Beirat. „Das ist ein Geben und Nehmen“, sagte die Bürgermeis­terin. Natürlich gebe es auch Entscheidu­ngen, die nie einen Ausschuss gesehen hätten. „Wir müssen eine Größenordn­ung finden, bei der eine Mitbestimm­ung möglich ist“, befand die Bürgermeis­terin. Daneben könnten auch Standards entwickelt werden – wie etwa für Schultoile­tten. Dann könnten die Beiträge des Beirats einmal gehört und standardmä­ßig berücksich­tigt werden.

Der Ausschuss beschloss einstimmig, dass die Verwaltung die Möglichkei­ten einer künftigen Mitwirkung der Menschen mit Behinderun­g prüfen soll.

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FOTO: MOLL (ARCHIV) Petra Sprenger ist Vorsitzend­e des Beirats für Menschen mit Behinderun­g, der von der Verwaltung künftig mehr Sensibilis­ierung fordert.

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