Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Gründer haben es wegen Corona nicht gerade leicht.
Die Gründerberater Melanie Hackländer-Koll und Peter Jacobsen sprechen über die Gründung in Zeiten der Pandemie.
Frau Hackländer-Koll, Herr Jacobsen, Sie beraten Gründer und Gründerinnen im Rheinisch-Bergischen Kreis. Gibt es denn hier eine aktive Gründerszene?
PETER JACOBSEN Natürlich können Sie unseren Kreis nicht mit Metropolen wie Berlin oder Köln vergleichen, falls Sie die dortigen hippen Szenen ansprechen. Aber ja, auch hier gibt es in der Tat eine spannende Gründungslandschaft. Die Gründungen entstehen dabei quer durch alle Branchen und es gibt die verschiedensten Geschäftsideen. Das wiederum macht unseren Job so spannend. Wir beraten digitale Vorhaben genauso wie den Gastronomen oder die Tierarztpraxis.
Können Sie einen Überblick über die Entwicklung in den vergangenen Jahren geben?
MELANIE HACKLÄNDER-KOLL Die Entwicklung ist stark von der Konjunktur abhängig, und entsprechend schwanken die Zahlen immer mal wieder in die eine oder andere Richtung. Dementsprechend variieren natürlich auch unsere Beratungszahlen. Wir können aber klar erkennen, dass die Ideen, die uns vorgestellt werden, komplexer und anspruchsvoller sind als noch vor ein paar Jahren. Hinzu kommt, dass die Menschen, die ein Unternehmen gründen wollen, oft sehr gut vorinformiert sind. Das Thema Existenzgründung hat in den vergangenen Jahren eine andere Wahrnehmung und Anerkennung erfahren, und die Interessierten wissen, dass eine Vorab-Beratung sehr hilfreich und wichtig sein kann.
Wie sieht eine Beratung für Gründer aus?
JACOBSEN Wenn die Person noch ganz am Anfang steht, empfehlen wir die Teilnahme an unserem Gründerforum, das monatlich vom Startercenter Rhein-Berg/Leverkusen, zu dem wir gehören, angeboten wird. Dort gibt es einen ersten Überblick über die Notwendigkeiten im Rahmen einer Gründung. Dazu gehören beispielsweise das Erstellen eines Businessplans, die Unternehmensplanung, die zu wählende Rechtsform, mögliche Förderungen und andere mehr. Wenn die Idee dann konkreter wird, gehen wir in die Einzel-Beratung und durchleuchten in einem persönlichen Gespräch gemeinsam alle Aspekte des jeweiligen Gründungsvorhabens. Ab einem gewissen Punkt muss der Gründer aber dann schon auf eigenen Beinen stehen und sich weitere Beratung, zum Beispiel beim Steuerberater oder beim Marketing-Spezialisten, selbst holen. Wir begleiten die Gründer vor allem in der Startphase.
Welche Faktoren entscheiden darüber, ob eine Gründungsidee funktioniert oder nicht? HACKLÄNDER-KOLL Im Wesentlichen ist es eine gute Vorbereitung auf das Vorhaben, die über Wohl und Wehe einer Gründung entscheidet. Allerdings sind eine entsprechende Qualifikation des Gründers und der Bedarf für das geplante Produkt oder die Dienstleistung am Markt ebenfalls entscheidende Voraussetzungen. Es sollte möglichst genügend Kapital vorhanden sein, und auch der familiäre Zusammenhalt ist ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Man muss sich darüber klar sein: Ohne die Rückenstärkung durch
den Lebenspartner sowie die Familie ist eine Gründung kaum zu schaffen.
Müssen Sie Gründern auch schon mal sagen, dass ihre Idee nicht wirklich gut ist?
JACOBSEN Ja, auch das kommt vor, und auch das verstehen wir unter kompetenter und ehrlicher Beratung.
Es ergibt schließlich keinen Sinn, jemand in eine Gründung ohne Aussicht auf Erfolg zu treiben, die ihn oder sie dann vor unter Umständen sehr große Probleme stellen wird.
Was waren eher obskure Ideen, mit denen man an Sie herangetreten ist?
HACKLÄNDER-KOLL Die spannendsten Gründungen sind meiner Meinung nach diejenigen, die auf wirklich innovativen Ideen basieren. Das bedeutet, dass man sich hier gedanklich schon einmal von bekannten Strukturen lösen können muss. JACOBSEN Grundsätzlich bewerten wir nicht die Art der Gründung oder das Vorhaben. Wenn ein Gründer nachweisen kann, wie er mit seinem Vorhaben legal Gewinne erwirtschaften will, können auch vermeintlich obskure Ideen durchaus eine positive Einschätzung von uns bekommen.
Wie lange dauert es, bis eine Gründungsidee sich selbst trägt? JACOBSEN Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten, da das Thema von vielen Faktoren abhängt. Zum Beispiel ganz konkret vom Engagement des Gründers, seinem Marketing- und Vertriebskonzept sowie dessen Umsetzung, der Konkurrenzsituation und natürlich auch von der Branche, in der man gründen will.
Welche Fördermittel stehen für Gründer bereit? HACKLÄNDER-KOLL Allein für die Tatsache, dass aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung eine Existenz gegründet wird, gibt es in Deutschland keine Förderung. Allerdings gibt es durchaus einige spannende Förderprogramme, die die Gründung aus speziellen Situationen heraus begünstigen sollen. So etwa das „Beratungsprogramm Wirtschaft NRW (BPW )“in der Vorgründungsphase, der Gründungszuschuss sowie das Einstiegsgeld für Bezieher von Arbeitslosengeld und außerdem spezielle Gründungskredite der KfW- oder NRW-Banken. Das „GründerstipendiumNRW“kann unter bestimmten Voraussetzungen auch in Frage kommen. Auch dabei begleiten wir die Gründer und ihre Vorhaben.
Gibt es eine ideale Zeit für eine Unternehmensgründung?
JACOBSEN Jein. Ähnlich wie bei der Familienplanung gilt: Den idealen Zeitpunkt gibt es nicht. Es hängt stark von der grundsätzlichen Einstellung des Gründers ab. Allerdings gibt es äußere Faktoren, die in Betracht gezogen werden sollten. So ist in einer stark saisonabhängigen Branche der Gründungzeitpunkt geschickt zu wählen. Eine Gründung zu Pandemie-Zeiten ist zudem in der Regel schwerer, sofern das Vorhaben nicht etwa im Gesundheitsbereich oder einem nicht negativ betroffenen Wirtschaftszweig angesiedelt ist.
Welchen Einfluss auf das Gründergeschehen hat Corona? HACKLÄNDER-KOLL Die meisten Gründer haben es sehr schwer, in dieser Zeit Kunden zu akquirieren. Sie bekommen keine Termine, und nicht jeder potenzielle Kunde ist digital gut aufgestellt. Allerdings steigen die Gründungszahlen im Moment durchaus an, da durch die zunehmende Arbeitslosigkeit in der Pandemie das Gründungsinteresse insgesamt wieder ansteigt.
Ist abzusehen, dass viele Jungunternehmer die Pandemie wirtschaftlich nicht überleben werden? JACOBSEN Ja, leider. Allerdings wird es nicht nur die ganz jungen und neu gegründeten Unternehmen treffen. Viele Unternehmen, die sich bereits in der Startphase befinden, konnten in den vergangenen Monaten zum Beispiel noch keinen finanziellen Puffer für etwaige – und leider im Moment durchaus konkrete – Krisenzeiten aufbauen. Auf der anderen Seite sind vielerorts spannende Anpassungen von Geschäftsmodellen oder sogar neu entstandene Geschäftsideen aus der Pandemie hervorgegangen, insbesondere der Bereich der Digitalisierung ist noch einmal sprunghaft angewachsen.
WOLFGANG WEITZDÖRFER STELLTE DIE FRAGEN