Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Brandenburg Project“: Bach trifft Moderne
Klassik Der konservative Musikfreund wird in der Regel vom Wunsch nach Bestätigung, nicht von Neugier umgetrieben. Er geht in ein Konzert, wenn mindestens zwei Werke geboten werden, die er kennt. Er muss sich ja an etwas festhalten können.
Doch wie wäre es, wenn er sich mal eine Expedition gönnt und trotzdem Klänge an seiner Seite sind, die er zu seiner Freude und als Anker nutzen kann? Solche Überlegungen werden mit der spannenden Box „The Brandenburg Project“mit drei CDs des Swedish Chamber Orchestra wach. Die Musiker um ihren Chefdirigenten Thomas Dausgaard, deren stilistisch perfektes und trotzdem elastisches Musizieren beispielhaft ist, haben sich die sechs Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach ausgesucht und sechs prominente Tonsetzer unserer Zeit geboten, zu jeweils einem Bach ihren Kommentar zu komponieren. Wichtig war, dass die individuellen Besetzungen der Bach-Konzerte nicht elementar verändert wurden. Das Ergebnis liegt nun vor und ist eine Wucht: Olga Neuwirth, Brett Dean, Uri Caine, Mark-Anthony Turnage, Steven Mackey und Anders Hillborg haben famose, intelligente, ausdrucksvolle, spielfreudige Bach-Reflexionen vorgelegt,
The Kinfolk Garden: Mit Natur leben. die mit dem Geist des jeweiligen Bezugswerkes großartig korrespondieren. „Maya“von Turnage beispielsweise ist ein hochgradig expressives Stück, mit dem Solo-Cello gleichsam als Konzertmeister, als leidenschaftlicher König Salomo. Eine andere Form der Verbindung bietet Mackeys „Triceros“, der die Bach’sche Solo-Trompete zu seinem neuen Helden stilisiert, der über den überlang ausgehaltenen Schlussakkord bei Bach sogleich die Führung in Mackeys Werk übernimmt. Großartige Solisten haben die Schweden für die Soli gewonnen, etwa die Geiger Antje Weithaas und Pekka Kuusisto, die Bratschistin Tabea Zimmermann oder den Trompeter Håkan Hardenberger. Sie alle fügen sich ein in ein Projekt des schwedischen Labels Bis, das einem die Fenster öffnet. Dass nebenbei vorzüglich musiziert wird und die Schweden einen historisch grundierten und doch hellwachen Bach spielen, versteht sich fast von selbst. Wolfram Goertz