Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

In der neuen Heimat selbststän­dig leben lernen.

In der Schloss-Stadt hat sich vor allem das Jugendund Sozialwerk Gotteshütt­e um junge unbegleite­te Flüchtling­e gekümmert. Seit 2015 wurden 155 Menschen intensiv begleitet.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

HÜCKESWAGE­N Es ist das Jahr 2015, als die Zahl der Flüchtling­e, die sich aus Bürgerkrie­gsländern und anderen Krisenregi­onen dieser Welt auf den Weg nach Europa machen, plötzlich explodiert. In diesem Zuge kommen auch viele teils sehr junge Menschen, eine große Zahl hat sich ohne Begleitung ihrer Eltern auf den Weg gemacht – oder hat diese auf der Flucht verloren.

Diese sogenannte­n unbegleite­ten minderjähr­igen Ausländer (UMAs) werden zunächst in Verantwort­ung des Staates genommen und dann

„„Seit 2015 haben wir insgesamt 155 UMAs betreut und begleitet – diese Zahl ist aber in den vergangene­n Monaten deutlich rückläufig“

Sascha Viehoff Gotteshütt­en-Geschäftsf­ührer

auf die Kommunen verteilt. In der Schloss-Stadt hat sich vor allem das Jugend- und Sozialwerk Gotteshütt­e dieser jungen Menschen angenommen.

„Seit 2015 haben wir insgesamt 155 UMAs betreut und begleitet – diese Zahl ist aber in den vergangene­n Monaten deutlich rückläufig“, sagt Gotteshütt­en-Geschäftsf­ührer Sascha Viehoff. Zuletzt seien zwei Jugendlich­e aus Sierra Leone und Aserbaidsc­han nach Hückeswage­n gekommen, berichtet David Hönen, Teamleiter des Fachbereic­hs Sozialpäda­gogisch Betreutes Wohnen in der Gotteshütt­e. Seit 2018 arbeite er in diesem Bereich und habe in dieser Zeit hauptsächl­ich junge Menschen aus Afrika betreut. „In den vergangene­n drei Jahren haben wir elf Jugendlich­e begleitet, von denen zehn erfolgreic­h verselbsts­tändigt wurden“, sagt Hönen. Genau das sei nämlich das Ziel seiner Arbeit: die jungen Menschen soweit zu begleiten, dass sie in ihrer neuen Heimat selbststän­dig und eigenständ­ig leben können. „Einige der zehn jungen Menschen sind seit 2015 hier“, sagt Hönen. Maximal könnten sie bis zum Alter von 21 Jahren unter

Betreuung der Gotteshütt­e leben. Es sei ein weiter Weg, der von der ersten Ankunft in Deutschlan­d bis zum Leben in der eigenen Wohnung und mit einem festen Arbeitspla­tz und einem eigenen Einkommen führe, sagt der Teamleiter. „Wenn die Jugendlich­en hier ankommen, haben sie neben ihrer Fluchtgesc­hichte, die unter Umständen schon sehr belastend gewesen ist, oft auch noch eine Vorgeschic­hte, die nicht selten mit Unterdrück­ung, Kinderarbe­it und Folter zu tun habe“, sagt Hönen. Im Zuge von Clearing-Gesprächen werde versucht, mehr darüber herauszufi­nden.

„Es sind teilweise wirklich schlimme Geschichte­n, die wir da im Zuge der Gespräche zur Traumavera­rbeitung zu hören bekommen“, sagt Hönen. Er habe keinen Jugendlich­en kennengele­rnt, der nicht entspreche­nde Erlebnisse mitgebrach­t habe. Als nächster Schritt würden die Jugendlich­en dann Integratio­nsund Deutschkur­se machen, um

„Es sind teils schlimme Geschichte­n, die wir da im Zuge der Gespräche zur Traumavera­rbeitung zu hören bekommen“

David Hönen Teamleiter Fachbereic­h

schließlic­h in die sogen anntenVers­elbst ständigung­s gruppen zuziehen–angemietet­e Wohnungen, in denen sie unter Betreuung der Gotteshütt­e-Mitarbeite­r lernen würden, wie Selbststän­digkeit funktionie­rt.

„In Zusammenar­beit mit dem Jugendamt setzen sich die Jugendlich­e erreichbar­e Ziele“, sagt Hönen. Zusätzlich finde eine möglichst umfassende soziale Integratio­n statt – etwa, indem sie in das Vereinsleb­en integriert würden. Daneben würden sie die Schule besuchen, was natürlich auch vom jeweiligen Bildungsni­veau abhänge. Leider gebe es in der Region mittlerwei­le kein breites Angebot an Integratio­nskursen mehr. Hönen habe derzeit sieben UMAs in der Betreuung, die Zahl stagniere seit etwa einem Jahr. „Allerdings ist natürlich nicht das Problem an sich gelöst – die Flüchtling­e hängen alle in Griechenla­nd oder der Türkei fest“, sagt er.

Er sei indes sehr vom Integratio­nswillen der jungen Menschen beeindruck­t. „Der ist wirklich sehr hoch. Die Jugendlich­en haben großen Willen, es hier zu schaffen. Und das zeigt sich auch daran, dass wir die größte Zahl auch in Ausbildung und Arbeit unterbring­en“, sagt Hönen.

Allerdings gebe es nach wie vor große bürokratis­che Hürden, die die Arbeit nicht unbedingt erleichter­ten. „Je nachdem, welchen Status sie haben, kann es sein, dass sie nicht in unserer Kommune bleiben dürfen, obwohl wir eine feste Wohnung für sie haben. Das erschwert die Arbeit natürlich schon“, sagt Hönen. Allerdings sei die Zusammenar­beit mit den Jugendämte­rn in der Region sehr gut. „Sie unterstütz­en uns nach Möglichkei­t – und das vor allem im Sinne der Jugendlich­en“, betont der Teamleiter.

 ?? FOTO: STEPHAN BÜLLESBACH (ARCHIV) ?? Mamadou Alimou-Barry aus Guinea kam 2015 als unbegleite­ter jugendlich­er Flüchtling nach Hückeswage­n. Im Zuge der Zusammenar­beit mit der Gotteshütt­e – hier 2017 mit Leiterin Melanie Radekopp und Sascha Viehoff, Geschäftsf­ührer der Gotteshütt­e, lernte er ein selbststän­diges Leben und arbeitet nun nach seiner erfolgreic­hen Ausbildung in der Baumschule Bosmann in Wermelskir­chen.
FOTO: STEPHAN BÜLLESBACH (ARCHIV) Mamadou Alimou-Barry aus Guinea kam 2015 als unbegleite­ter jugendlich­er Flüchtling nach Hückeswage­n. Im Zuge der Zusammenar­beit mit der Gotteshütt­e – hier 2017 mit Leiterin Melanie Radekopp und Sascha Viehoff, Geschäftsf­ührer der Gotteshütt­e, lernte er ein selbststän­diges Leben und arbeitet nun nach seiner erfolgreic­hen Ausbildung in der Baumschule Bosmann in Wermelskir­chen.

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