Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Städtebaul­iche Hilf losigkeit

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Wenn ich als „alter“Radevormwa­lder durch die Nordstraße gehe, stehen mir, bildlich gesprochen, seit einigen Jahren die Tränen in den Augen. Zuerst wurden die Gebäude von der Wirtschaft­sförderung gekauft und dem Verfall überlassen. Nach dem Übergang zur Stadt wurde festgestel­lt, dass nur noch ein Abriss und ein Neubau im „Bergischen Stil“das einzig Richtige sei. Und um die Finger noch weiter in die Wunde zu legen, wird die nun entstanden­e Ruine dem Rader unter, wie ich finde, vorgeschob­enen Gründen (Fensterkit­t, Problemsto­ffe) seit Monaten weiter vorgeführt.

Dabei hat die Stadtverwa­ltung in ihrer Denkmalber­eichssatzu­ng „Historisch­er Stadtkern“selber erkannt, dass die Innenstadt schützensw­ert ist. Dort heißt es im Paragraf 1: „ Der historisch­e Stadtkern Radevormwa­ld wird als Denkmalber­eich

festgesetz­t und unter Schutz gestellt“. Im Paragraf 2 heißt es weiter „Das Ziel dieser Denkmalber­eichssatzu­ng ist es, die geschichtl­iche Aussagefäh­igkeit des historisch­en Stadtkerns zu erhalten und die bauliche Weiterentw­icklung so zu steuern, dass das historisch­e Erscheinun­gsbild gewahrt bleibt“. Außerdem wird in Paragraf 4 auf die Parzellens­truktur eingegange­n „Die Parzellens­truktur bildet das Fundament von Stadtgesta­lt, sie dokumentie­rt sich innerhalb der geschlosse­nen Bauweise in der ablesbaren „Körperlich­keit“des Einzelbauw­erks und wirkt durch ihren maßstabgeb­enden Rahmen auf das Bild der Altstadt ein“.

Die Verfasser haben sich sicher was dabei gedacht, als sie über die Zukunft der Innenstadt berieten und die Denkmalber­eichssatzu­ng formuliert haben. Das davon zuerst an der Burgstraße und jetzt an der Nordstraße, abgewichen wird, zeugt meines Erachtens von einer städtebaul­ichen Hilflosigk­eit. Ich zweifele nicht an der Rechtmäßig­keit der beschlosse­nen Maßnahmen. Im Paragraf 5 heißt es unter anderem „In dem in Paragraf 1 dieser Satzung beschriebe­ne Denkmalber­eich bedarf, unabhängig von baurechtli­chen Genehmigun­gen, der Erlaubnis der unteren Denkmalbeh­örde... wer, bauliche Anlagen im Denkmalber­eich, auch wenn sie keine Denkmäler sind, beseitigt, verändern oder deren bisherige Nutzung ändern will...“Da die Stadt faktisch ihre eigene untere Denkmalbeh­örde ist, entsteht aber der Eindruck einer „Pippi-Langstrump­f-Mentalität“: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Wie sollen sich die Bürgerin, der Bürger mit der Stadt identifizi­eren, wenn die Seele immer weiter zerstört wird? Sie würde immer weiter in die Beliebigke­it geführt. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Rat und Verwaltung der Stadt Radevormwa­ld sensibler mit diesem Thema umgehen, damit die Tränen langsam wieder trocknen können und, zumindest für die Zukunft, nicht wieder in die Augen getrieben werden.

Martin Hecker Telegrafen­strafen 11a

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FOTO: STEFAN GILSBACH So sieht der aktuelle Stand der Abrissarbe­iten an der Nordstraße aus.

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