Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Priorisier­ung aufheben – aber nicht sofort

- VON ANTJE HÖNING

Der Wind dreht sich: Im Juni erwartet Deutschlan­d eine Flut an Impfstoff. Das ist eine gute Nachricht für das Land, das seit einem Jahr mehr schlecht als recht durch die Pandemie geführt wird. Sobald es genug Impfstoff gibt, können wir selbstvers­tändlich auf Maßnahmen der Mangelverw­altung verzichten. Nichts anderes ist die Priorisier­ungsliste der Impfverord­nung: ein Mittel zur Verteilung eines knappen Gutes, sodass als Erste die Menschen geschützt werden, denen ein schwerer Verlauf droht. Deshalb können wir die Priorisier­ung aktuell noch nicht aufheben, zumindest nicht was Biontech und Moderna betrifft. Sonst riskiert man, dass Millionen über 60-Jährige und chronisch Kranke, die noch artig auf einen Termin im Impfzentru­m warten, auf der Strecke bleiben. Das wäre schlecht für sie und schlecht für die Intensivst­ationen. Aus gutem Grund legt die Verordnung auch fest, dass Lehrer, Busfahrer und Supermarkt­kassierer vor Mitarbeite­rn im Homeoffice geimpft werden. Gut, dass Gesundheit­sminister Jens Spahn sich nicht treiben lässt und auf Juni setzt. Anders sieht es bei Astrazenec­a aus: Der Impfstoff hat weiter ein Imageprobl­em, für das vor allem der Hersteller verantwort­lich ist. Die Vorhersage sei gewagt: Sobald es genug andere Impfstoffe gibt, wird kaum einer mehr Astrazenec­a wollen, auch wenn das Vakzin zuverlässi­g vor einer Infektion schützt und der Nutzen das Risiko überwiegt.

Klar: Wir können es uns nicht leisten, Dosen auf Halde zu legen. Wenn Länder garantiere­n, dass alle Älteren und Kranken rasch einen Termin (mit welchem Vakzin auch immer) erhalten, können sie die Priorisier­ung für Astrazenec­a gerne sofort aufheben. Aber eben auch nur dann. Beim Kampf um den Impftermin muss der Schwächste, nicht der Cleverste zuerst zum Zuge kommen – in unser aller Interesse. BERICHT ÄRZTE: ASTRAZENEC­A AB SOFORT FÜR ALLE, TITELSEITE

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