Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Merkel verteidigt Bundes-Notbremse
Gegen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes gibt es bereits Verfassungsklagen.
BERLIN Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die bundesweite Notbremse in der Corona-Pandemie gegen breiten Protest verteidigt. „Mir ist bewusst, dass sich die Beliebtheit der Notbremse in Grenzen hält“, sagte Merkel am Donnerstag. „Aber wir brauchen sie als Wellenbrecher für die dritte Welle.“
Der Bund setzt mit Unterstützung der Länder auf eine einheitliche Notbremse. Zuletzt hatten Intensivmediziner wiederholt vor einer Überlastung der Krankenhäuser gewarnt. Der Bundesrat hat die Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die zuvor im Bundestag eine Mehrheit bekommen hatte, nicht gestoppt, sie kann nun zügig in Kraft treten. Teil des Pakets sind unter anderem eine Ausgangssperre zwischen 22 und 5 Uhr, Kontaktbeschränkungen zu Hause, die ab 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner und Woche gelten, Schulschließungen sollen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 greifen.
Doch auch nach der Beratung im Bundesrat kam Kritik aus den Ländern. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte, ihr Land bleibe bei seinen „starken Schutzmaßnahmen“. Sie seien deutlich weitergehender als die auf Bundesebene.
„An den Punkten, an denen der Bund über unsere Regeln hinausgeht, werden wir das im Land umsetzen“, so Schwesig. Sie habe sich immer für bundeseinheitliche Regelungen ausgesprochen, die dann regional wirken. „Aber dieses Bundesgesetz hält nicht, was Bundeskanzlerin Merkel versprochen hat“, so Schwesig.
Sie kritisierte, dass sich schon nach drei Tagen über 100 und nach fünf Tagen unter dieser Grenze die Regeln ändern. „Das kann zu einem ständigen Hin und Her führen. Das verunsichert die Menschen“, sagte Schwesig und nahm weitere Maßnahmen in den Blick: „Es kann doch nicht sein, dass der Bund vorgibt, dass Besucher in Regionen über 100 einen Negativtest vorlegen müssen, wenn sie im Außenbereich eines Zoos mit der Familie spazieren gehen wollen“, sagte Schwesig.
Die ersten Verfassungsbeschwerden insbesondere gegen die Verhältnismäßigkeit der Ausgangsbeschränkungen liegen bereits vor. Neben anderen Gruppen hatte die FDP angekündigt, gegen die Regelungen rechtlich vorzugehen. Auch die deutschen Landkreise gingen am Donnerstag auf Distanz zur neuen Regelung. „Die Notbremse ist nicht das segensreiche Instrument, für das sie gehalten wird. Dadurch werden die Möglichkeiten der Länder eingeschränkt, flexibel und passgenau auf das Infektionsgeschehen vor Ort zu reagieren. Das wird die Akzeptanz in der Bevölkerung erneut auf die Probe stellen“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, unserer Redaktion. „Es kommt bei staatlichem Handeln immer auf die Umstände vor Ort an. Diese Erkenntnis hat der Bundesgesetzgeber nicht beherzigt, sondern eine starre Wenndann-Formel beschlossen“, sagte Sager. Dadurch werde die Lage „noch unübersichtlicher, da unterhalb von 100 nach wie vor Landesund Kreisregelungen greifen können und außerdem oberhalb von 100 die Möglichkeit von strikteren Maßnahmen besteht. Darin liegt eine gewisse tragische Ironie.“
„Wir brauchen die Notbremse als Wellenbrecher“
Angela Merkel (CDU) Bundeskanzlerin