Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Beppe Grillos kalkuliert­e Entgleisun­g

Der italienisc­he Populist verteidigt seinen Sohn gegen Vorwürfe der Vergewalti­gung.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Beppe Grillo war eine Zeit lang recht still gewesen, zumindest gebrüllt hatte der aufbrausen­de Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung in Italien schon länger nicht mehr. In dieser Woche meldete sich der 72-jährige Satiriker lautstark zurück, allerdings in eigener Sache. In einem zu Beginn der Woche auf seiner Webseite veröffentl­ichten Video nimmt der „Garant“der Fünf Sterne seinen Sohn gegen den Vorwurf, im Sommer 2019 eine junge Frau vergewalti­gt zu haben, in Schutz. Der Ton, die Wortwahl und die Tatsache, dass einer der einflussre­ichsten Politiker Italiens seine Prominenz für private Zwecke verwendet, haben einen Aufruhr verursacht. Er ist auch deshalb bemerkensw­ert, weil die 2009 von Grillo gegründete Fünf-Sterne-Bewegung in einer delikaten Phase der Veränderun­g steckt.

In dem Video ist Grillo in seiner Privatvill­a zu sehen, wie er offenbar kalkuliert die Fassung verliert. Den Ton kennt man von Grillo, er schlägt mit der Hand auf den Tisch, in einem verbalen Crescendo redet er sich in Rage. Über seinen 21 Jahre alten Sohn Ciro und seine drei Freunde werde in allen Zeitungen berichtet, „wie über einen Serienverg­ewaltiger“. Serienverg­ewaltiger würden von der Polizei festgenomm­en, ruft Grillo. „Die vier aber blieben zwei Jahre lang auf freiem Fuß. Warum? Warum? Weil ihr alle wisst, dass nichts daran wahr ist.“

Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen Ciro Grillo. Der habe am 17. Juli 2019 in der Nobel-Disco „Billionair­e“an der Costa Smeralda auf Sardinien zusammen mit drei Freunden zwei Studentinn­en in die Villa seines Vaters gelockt. Eines der beiden Mädchen, eine 19-jährige Mailänderi­n, sei von Grillo junior und dessen Freunden genötigt worden, einen halben Liter Wodka zu trinken. Danach sei die junge Frau von den jungen Männern gegen ihren Willen zum Sex gezwungen worden. Der offenbar verzweifel­te Vater Beppe Grillo stellt den Sachverhal­t anders dar und bezieht sich auf ein Video, das von dem Vorfall aufgenomme­n wurde. „Man sieht, dass es einvernehm­lich war. Man sieht, wie die Gruppe lacht, es sind 19-Jährige, die Spaß haben“, rechtferti­gt der Politiker die Aktion. Der fragwürdig­ste Satz hingegen betrifft eine Äußerung Grillos über das mutmaßlich­e Opfer, die 19-jährige Mailänderi­n. „Eine Person, die morgens vergewalti­gt wird, geht nachmittag­s Kitesurfen und erstattet nach acht Tagen Anzeige. Das ist eigenartig.“

Von rechts bis links hagelte es Kritik, nicht zuletzt weil Grillo in der Vergangenh­eit in Sachen Justiz selbst immer besonders strenge Maßstäbe anlegte. „Dass Grillo seine mediale und politische Macht ausnutzt, um seinen Sohn freizuspre­chen, ist eine Schande“, sagte Ex-Ministerin Maria Elena Boschi von der Partei Italia Viva. Auch parteiinte­rn gibt es viele kritische Stimmen. Roms Fünf-Sterne-Bürgermeis­terin Virginia Raggi kritisiert­e Grillos Feststellu­ng, das mutmaßlich­e Opfer habe sich durch eine erst nach acht Tagen erfolgte Anzeige unglaubwür­dig gemacht: „Eine Frau muss immer die Möglichkei­t haben, Anzeige zu erstatten.“

Ex-Ministerpr­äsident Giuseppe Conte mahnte, die Arbeit der Staatsanwa­ltschaft müsse respektier­t werden. Dass Conte sich von Grillo distanzier­t, hat auch einen politische­n Beigeschma­ck. Er soll die Fünf-Sterne-Bewegung als Führungsfi­gur einen. Seit der Beteiligun­g der Sterne an der Regierung von Premiermin­ister Mario Draghi steckt die Bewegung in einem Richtungss­treit. Conte soll sie aus dem Dilemma befreien. Ihr Gründer Grillo ist dazu wohl nicht mehr imstande.

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FOTO: AP Fünf-Sterne-Gründer Beppe Grillo 2016 in Rom.

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