Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die Stunde der Windkraftkonzerne
Nach dem virtuellen Klimagipfel finden die Aktien von Nordex und Co. Zuspruch.
DÜSSELDORF Nachhaltiges Wirtschaften ist in. Alle reden von Elektromotoren als dem Antrieb der Zukunft, ökologische Geldanlagen erleben vor allem bei jungen Sparern einen Boom, manche liebäugeln fünf Monate vor der Bundestagswahl mit der ersten Grünen als Kanzlerin der Bundesrepublik. Wer mit Anlageberatern bei Banken und Sparkassen redet, bekommt häufig den Ratschlag, Nachhaltigkeit gehöre auf jeden Fall ins Depot. Und dann schiebt der amerikanische Präsident Joe Biden mit dem virtuellen Klimagipfel auch noch umweltpolitisch die Branche derer an, die sich beispielsweise dem Geschäftsmodell der erneuerbaren Energien verschrieben haben.
Die ambitionierten Ziele der Amerikaner beim Klimaschutz und der Druck, den sie auf die anderen Industriestaaten dieser Welt machen, haben das Augenmerk der Investoren wieder auf die Green-TechBranche gerichtet. Die hatte erst im Februar ohne erkennbaren Grund deutliche Kursrückgänge hinnehmen müssen, von einem branchenweiten Abverkauf war die Rede. Aber gegenwärtig ist die Branche wieder im Aufwind.
Der Winkdkraftanlagenbauer Nordex ist dafür ein gutes Beispiel. Dessen Aktie war am Donnerstag mit einem Plus von mehr als acht Prozent der große Gewinner im M-Dax. Und auch wenn der Kurs am Freitag wegen Gewinnmitnahmen wieder fiel, sagen Experten den Hamburgern weiteres Wachstum voraus.
Allein Bidens riesiges Infrastrukturprogramm in den Vereinigten Staaten (1,7 Billionen Euro Investitionen, allein 100 Milliarden für die Stromnetze) lässt manchen deutschen Vertreter hoffen – Nordex genauso wie den Dax-Neuling Siemens Energy, den grünen Stromproduzenten Encavis oder den Biokraftstoffproduzenten
Verbio. Nordex ist seit ziemlich genau 20 Jahren an der Börse notiert, war zu Beginn mal am Neuen Markt und hat nach der Emission auch schon schwere Zeiten erlebt, in denen die Nachfrage nach Windkraftanlagen deutlich zurückging und das Produkt-Portfolio der Norddeutschen schlichtweg zu groß war.
Ökostrom-Konzerne könnten zudem von zwei politischen Entscheidungen in dieser Woche profitieren: Erstens hat die nordrhein-westfälische Landesregierung auf die Kritik an dem geplanten 1000-Meter-Abstand für Windräder reagiert und Ausnahmeregelungen durch die Kommunen zugelassen. Städte und Gemeinden sollen die Möglichkeit erhalten, Windräder auch näher als 1000 Meter an Wohngebäude heranrücken zu lassen. Und die EU-Staaten und das Europaparlament haben sich auf ein verbindliches Gesetz für Klimaneutralität bis 2050 verständigt. Bis 2030 wurde als Zwischenziel eine CO2-Minderung um netto mindestens 55 Prozent vereinbart. Bislang hatte sich die EU nur zu einer Reduzierung um 40 Prozent bis 2030 verpflichtet, verglichen mit dem Stand von 1990. Auch diese Erhöhung könnte der Ökostrom-Branche Schub geben.