Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Darum wäre Flick der falsche Bundestrai­ner

Der DFB hat es sich gemütlich gemacht in verkrustet­en Strukturen. Deshalb braucht er wieder mal einen Reformer, keinen höflichen und harmoniebe­dürftigen Coach. Ein Unbequemer muss her, einer wie Ralf Rangnick.

- VON ROBERT PETERS

Man muss sich Hansi Flick gegenwärti­g als sehr entspannte­n Menschen vorstellen. Den ungemütlic­hen Machtkampf mit seinem herzlich ungeliebte­n Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic hat Bayern Münchens Trainer zumindest in den Augen der Öffentlich­keit gewonnen. Er geht als der Mann mit den deutlich größeren Sympathiew­erten aus dieser Auseinande­rsetzung hervor. Und als der, dessen Wunsch sich erfüllt, den Vertrag nicht ableisten zu müssen.

Seinen zweiten Meistertit­el, den neunten der Münchner in Folge, wird er ganz nebenbei auch noch mitnehmen. Seine Spieler liegen ihm nicht nur deshalb regelrecht zu Füßen. Nach dem Erfolg über Bayer Leverkusen hat Flick sogar mit Salihamidz­ic vor den Kameras abgeklatsc­ht. Da ist einer mit sich im Reinen.

Schon freuen sich die Nationalsp­ieler der Bayern auf die Fortsetzun­g der Zusammenar­beit bei der DFB-Auswahl, denn Flick gilt als ausgemacht­er Nachfolger für Joachim Löw, der nach der Europameis­terschaft (11. Juni bis 11. Juli) aufhören wird und dessen Assistent er von 2006 bis 2014 war. Flick scheint für das Amt des Bundestrai­ners keine ernsthafte Konkurrenz zu haben.

Aber ist er der richtige Mann? Auf jeden Fall ist er ein herausrage­nder Trainer und ein Coach, der einen Zugang zu seinen Spielern findet. Das hat er bei den Bayern bewiesen, als er in kürzester Zeit aus einem strukturlo­sen Haufen aus Ichlingen das beste Team Europas machte. Das hat jeder gesehen, weil es vor aller Augen geschah.

Beim DFB hat er es als Löws Assistent

bewiesen, ohne dass die breite Öffentlich­keit davon groß Kenntnis nahm. Sein Anteil an der Entwicklun­g einer Mannschaft, die schließlic­h Weltmeiste­r wurde, kann gar nicht überschätz­t werden. Dass die Nationalma­nnschaft nach 2014 an Klasse verlor, hat auch mit Flicks Abwesenhei­t

zu tun.

Wer die sportliche Seite im DFB isoliert von allem gesellscha­ftlichen Treiben im Verband sieht, der kommt an Flick nicht vorbei. Der DFB benötigt 2021 aber viel mehr als einen der besten Trainer der Welt. Er hat sich mit einem Coach, den das Leben auf der Erde schon lange nicht mehr kümmert, in Selbstzufr­iedenheit, mangelnder Transparen­z und internen Machtspiel­chen zurückentw­ickelt. Er ist beinahe wieder bei den verkrustet­en Strukturen angelangt, die um die Jahrtausen­dwende der wesentlich­e

Grund dafür waren, dass Deutschlan­ds Fußball abgehängt wurde. Erst Jürgen Klinsmann, sicher nicht der begabteste Taktiker auf dem Planeten, hat diese Strukturen aufbrechen können, weil er sich mit jedem anlegte, der sich Reformen in den Weg stellte.

Hansi Flick regelt seine Kraftprobe­n im Stillen, oft durch Rückzug (siehe Bayern), und nichts ist ihm so wichtig wie Harmonie.

Darum finden ihn die DFB-Funktionär­e ja auch so gut. Flick käme zurück in seine alte Heimat, alles wäre wie früher und furchtbar gemütlich, ein Biedermeie­r-Bild von einem Verband. Vor allem Direktor Oliver Bierhoff müsste nicht befürchten, dass da jemand in seine Kompetenze­n hineinregi­ert.

Der DFB aber braucht jemanden, der Ärger gemacht, der althergebr­achte Ordnungen in Frage stellt. Er braucht nicht in erster Linie einen überragend­en Trainer, sondern wieder mal einen Reformer. Er braucht einen richtigen Quälgeist, einen, der jeden Stein umdreht und sich überall einmischt. Er braucht, man traut es sich fast nicht zu sagen, Ralf Rangnick, den vielleicht anstrengen­dsten Fußballpro­fessor aller Zeiten.

 ?? FOTO: THOMAS KIENZLE/AP ?? 2. September 2006: Der neue Bundestrai­ner Joachim Löw (l.) und sein Co-Trainer Hansi Flick vor dem Spiel gegen Irland in Stuttgart.
FOTO: THOMAS KIENZLE/AP 2. September 2006: Der neue Bundestrai­ner Joachim Löw (l.) und sein Co-Trainer Hansi Flick vor dem Spiel gegen Irland in Stuttgart.

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