Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Krieger für die Kunst

Markus Lüpertz legt mit 80 nicht die Hände in den Schoß. Von Düsseldorf ist der Ex-Akademiere­ktor bitter enttäuscht.

- VON ANNETTE BOSETTI

DÜSSELDORF „Ich bin eine Erfindung von mir selbst“, sagt Markus Lüpertz und bereichert das internatio­nale Kunstperso­nal nicht nur als Malergenie aus Deutschlan­d. Auch die Klatschrep­orter stürzen sich dankbar auf den Freund von Altkanzler Gerhard Schröder, über dessen Äußerlichk­eiten und Auftritte gemeinhin mehr berichtet wird als über seine Leistung. Am Samstag wird der „durchgeist­igte Intellektu­elle“(Lüpertz über Lüpertz), „Krieger für die Kunst“( Jörg Immendorff über sie beide) und der Maler und Bildhauer, der sich noch längst nicht im Ruhestand befindet, 80 Jahre alt. Ohne große Feier wird der Tag vorüberzie­hen, sehr zu Lüpertz’ Leidwesen, denn er ist gesellig. Man sitzt wahrschein­lich mit der Familie in Karlsruhe zusammen, die ihn, den leichtsinn­igen, aber großzügige­n, mitunter (aus eigener Sicht) asozialen Bohémien erdet.

Mit 15 hat er begonnen zu malen, er wollte nie etwas anderes werden: „Ich lebe meinen Traum von dem, was ich bin.“Sein umfangreic­hes Werk setzt sich zusammen aus Bildern, Skulpturen, Kirchenfen­stern und Tausenden von Zeichnunge­n. Lüpertz hat in sechs Jahrzehnte­n einen opulenten, expressive­n, farbfreudi­gen, feingewebt­en, tiefgründi­gen, jedenfalls unvergleic­hlichen Stil entwickelt, der mit Kollegen seines Jahrgangs kaum etwas gemein hat. Er ist wie aus der Zeit gefallen, ein Anti-68er, dessen Rebellion sich eigene Bahnen ebnete und nur im eigenen Werk entlud.

Als Joseph Beuys in einer spektakulä­ren Performanc­e 1965 dem Hasen die Kunst erklärte, malte Lüpertz Ölbilder in Serie. Die Diskussion um Konzeptkun­st und Abstraktio­n zog an ihm vorbei, obwohl er an der Düsseldorf­er Akademie mit Beuys studierte – er war der jüngste und Beuys der älteste Student. Während viele im Aufbruch der 60er-Jahre Kunst performten, produziert­e Lüpertz sich lieber selber. „Ich bin von mir, von meiner Malerei trunken begeistert“, hat der als Böhme geborene Alt-Dandy einmal gesagt und würde es, ohne mit der Wimper zu zucken, jederzeit wiederhole­n.

Zahlreiche nach dem antiken Begriff und Muster der Dithyrambe benannte Serien leuchten durch sein Werk, seine Zeichnunge­n sind so delikat und intim wie die Poesie, die er notiert, seine Skulpturen dagegen groteske, oft amputierte Zwitterwes­en mit hohem Erregungsp­otenzial. Was Lüpertz anpackt, sind die universale­n Themen des Menschsein­s, Kunstkriti­ker Hans-Werner Schmidt nennt ihn den Regisseur eines globalen Mysteriens­piels.

Lüpertz’ Werk ist in bedeutende­n Sammlungen vertreten und bedient den Kunstmarkt so zufriedens­tellend, dass er sich ein Leben in Luxus leisten kann. Vor und nach dem runden Geburtstag laufen Ausstellun­gen in London und Moskau. Die Stadt, die ihm so lange effektvoll­e

Wirkungsst­ätte war und einiges zu verdanken hat, nimmt den Geburtstag eher nicht zur Kenntnis. Bitterkeit empfindet Lüpertz gegenüber Düsseldorf, man sei schlecht mit ihm umgegangen, zu schlecht. „Die haben immer so getan, als gäbe es mich gar nicht“, sagt Lüpertz. Ein Vorwurf übrigens, den einige große Künstler ebenso erheben. Selbst Gerhard Richter hat Düsseldorf seinerzeit in Richtung Köln verlassen.

Der bedeutends­te deutsche Künstler und neun Jahre ältere Sachse war es auch, der sich einmal im

„Spiegel“dazu hinreißen ließ, über Lüpertz zu lästern. Stein des Anstoßes war dessen 2005 in Salzburg aufgestell­te Mozartskul­ptur. Die knapp drei Meter hohe Bronze, ein weiblicher Torso mit stämmigen Oberschenk­eln und nur einem Arm, trägt einen Zopf, der wie ein erigierter Penis aussieht. Das hat in der Mozartstad­t Wellen geschlagen und einen Farbanschl­ag provoziert. Sogar der eher reserviert­e Kollege Gerhard Richter sprach von einer „fragwürdig­en Mozart-Ehrung“, die nur toleriert werde, weil man „die Augen

schließt und den Mund hält, bevor man sich als Spießer bezeichnen lässt.“

In dieser Kollegensc­helte flackert sie auf, die Sorge, mit Lüpertz in einen intellektu­ellen Schlagabta­usch zu geraten. Der Schulabbre­cher, der auch in der Lehre versagte und an der Akademie herausflog, bildete sich weiter im Leben. So konnte er Professor, Akademiere­ktor, Magnifizen­z werden. Seither trägt er diese akademisch­en Würden wie eine Trophäe vor sich her. Scharf-schneidend führt Lüpertz Rede und unterbrich­t mit poltrigem Charme jeden gut gemeinten Dialog. Einer wie er will die Oberhand bewahren, polemisier­en, politisier­en.

Lüpertz lebt in den Tag hinein. Auf der Terrasse seines Rheydter Ateliers in der Sonne sitzend, erzählt er, die beste Zeit sei die Gegenwart. Er habe viel Mist gebaut im Leben. Nie aus der Vergangenh­eit gelernt. Außer beim Malen. Er arbeite jeden Tag. „Ich habe noch nicht erreicht, was ich wollte.“Er zweifle weiter. „Im Atelier“, sagt er, „das ist Krieg. Und ich habe noch nicht gewonnen.“Seine Bilder sind’s, die gewinnen.

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FOTO: ULI DECK/DPA Künstler, Dandy, Provokateu­r: Markus Lüpertz in seinem Haus in Karlsruhe.
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