Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Fantasie wird durchs Vorlesen angeregt“
Zum Welttag des Buches sprechen die Stadtbibliothekleiterin und der Freundeskreis-Vorsitzende über Bücher und das Lesen.
Frau Stefer, warum braucht das Buch einen eigenen Tag?
REGINA STEFER Der Tag des Buches ist am 23. April 1995 von der UNESCO eingeführt worden. Es handelt sich dabei um einen weltweiten Feiertag des Lesens, der Bücher und der Rechte der Autoren. Inspiriert wurde man damals übrigens von einem katalanischen Brauch: Demzufolge wurden zum Namenstag des Volksheiligen St. Georg Rosen und Bücher verschenkt. In Deutschland wird der Tag seit 1996 begangen – jeweils mit der Aktion: „Ich schenke dir eine Geschichte!“Wir verschenken in diesem Jahr das Buch „Biber Undercover“des Autors Rüdiger Bertram an Schülerinnen und Schüler.
Wer liest mehr – die junge oder die alte Generation?
STEFER Bei uns in der Bibliothek ist überwiegend die ältere Generation vertreten – wobei „älter“sich allgemein auf Erwachsene bezieht. Dazu kommen aber auch viele Familien mit ihren kleinen Kindern, dazu auch Grundschulkinder. Die Jugendlichen sind dagegen eher selten hier anzutreffen.
Wie kann man die Jugendlichen allgemein zum Lesen bringen?
DR. AXEL BORNKESSEL Man merkt ja durchaus – auch an der Universität –, dass beim Lesen ein deutliches Defizit vorhanden ist.
Da wird wieder deutlich, wie bedeutsam das Vorlesen schon im Kindesalter ist. Lesen ist auch ein gesellschaftliches Ereignis – und gerade im Vorschulalter ist das Vorlesen und Vorgelesenbekommen besonders wichtig. STEFER Nicht unwichtig sind hierbei auch unsere Vorlesepaten, die bis Corona immer in den Kindergärten zum Vorlesen waren. Wenn man die Jugend zum Lesen bringen will, muss man also schon früh bei den kleinen Kindern damit anfangen. Fantasie wird durchs Vorlesen angeregt.
Welche Rolle spielt an dieser Stelle die Stadtbibliothek? STEFER Wir haben jetzt wieder sehr viele Erstlesebücher angeschafft, die gerade von den Erstund Zweitklässlern sehr gerne gelesen werden. Das Material ist also vorhanden – auch wenn man es sich nicht leisten kann, selbst Bücher zu kaufen. Wir bieten zudem – außerhalb von Corona – regelmäßige Führungen durch die Bibliothek an, so dass die Kinder unser Angebot spielerisch kennenlernen können. Das führt sich auch durch die Schulen später weiter. BORNKESSEL Es ist eben schon ein großer Unterschied zwischen einem virtuellen und einem tatsächlichen Buch, das man in die Hand nehmen kann. Das gilt unabhängig vom Alter.
Wie ist es der Bibliothek im vergangenen Corona-Jahr ergangen? STEFER Wir hatten im vorigen April für sechs Wochen geschlossen und waren mit unserem Konzept eine der ersten Bibliotheken im Kreis, die wieder öffnen durfte. Das wurde auch sehr gut angenommen. Direkt vor Weihnachten mussten wir erneut schließen, das dauerte dann drei Monate. Aber ab Januar haben wir bis heute einen Bestell-und-Abhol-Service
angeboten, der von den Kunden auch durchaus gut angenommen wurde. Die Wiedereröffnung ab Mitte März freute die Besucher natürlich. Im Moment ist die Bibliothek aber im Rahmen der aktuell gültigen Schutzverordnung wieder geschlossen.
Sind durch Corona die Verleihzahlen nach oben gegangen? STEFER Was die Zahl der Besucher in der Bibliothek selbst angeht, sind es nicht unbedingt mehr geworden. Das liegt aber auch am Aufwand, sich einen gültigen Test zu besorgen. Das verbinden die Leute dann meist mit anderen Gelegenheiten,
wo sie ihn brauchen – aber eben nicht, um einfach so mal in die Bibliothek zu kommen. Insgesamt sind unsere Zahlen aber durchaus in einem guten Bereich. Und auch die „Onleihe“wird von den Kunden sehr gut genutzt: Im ersten Quartal 2021 wurden 955 E-Books ausgeliehen, an normalen Ausleihen waren es 1416.
Apropos: Welche Rolle spielt das E-Book heute in der Stadtbibliothek?
STEFER Konkrete Zahlen habe ich nicht vorliegen, da die E-Books über den Zusammenschluss der „Bergische Onleihe“läuft. Aber gefühlt ist die Zahl der physischen Medien bei uns nach wie vor höher als die der E-Medien.
Lesen Sie lieber ein physisches Buch oder ein E-Book-Reader? BORNKESSEL Ich nutze derzeit für ein Buchprojekt sehr stark die Kölner Uni-Bibliothek. Gerade in diesem Bereich nutze ich viel lieber physische Bücher, da ich diagonal lese und auch mit schnellem Blättern konkrete Infos suchen muss. Das ist beim E-Book wesentlich unkomfortabler als bei einem normalen Buch. Ich habe natürlich auch schon E-Book-Erfahrungen, aber für mich sind sie nicht so praktikabel. STEFER Ich mache beides gerne. Ich habe gerne ein Buch in der Hand, aber E-Books sind eben auch unabhängig von Öffnungszeiten – der Bibliothek oder des Buchhandels – immer direkt verfügbar. Und ein E-Book-Reader ist einfach wesentlich kleiner und komfortabler.
Was ist die Aufgabe des Freundeskreises der Stadtbibliothek?
BORNKESSEL Gegründet wurden wir, um die Hückeswagener anzusprechen, sich für die Bibliothek zu engagieren. Eine Zeit lang war der Erhalt der Stadtbibliothek unser maßgebliches Ziel. Jetzt geht es vor allem darum, das neue Konzept eines Kommunikationszentrums weiter voranzutreiben. Das kostet Geld – und unsere Aufgabe ist es, dieses Geld in der Bürgerschaft und bei den Unternehmen zu generieren.
Gibt es schon Pläne für die Nach-Corona-Zeit?
BORNKESSEL Was ich gerne möchte, ist, unsere Sponsoren wieder einmal alle hier zusammenzubringen. Um ein Bier zu trinken, um eine Grillwurst zu esse und das, was Hückeswagen auszeichnet, das tolle bürgerschaftliche Engagement, zu pflegen. In dem Moment, wenn wir uns wieder treffen können, werden die Menschen auch wieder zu uns kommen. Es gibt zudem zahlreiche weitere Ideen, aber da möchte ich unserem verjüngten Vorstand nicht vorgreifen.