Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Späte Ehre

Um die Neugestalt­ung der 20-Dollar-Note schwelt in den USA seit Jahren ein politische­r Streit. Jetzt will Präsident Joe Biden die afroamerik­anische Sklavenbef­reierin Harriet Tubman auf der Banknote verewigen.

- VON MICHAEL MAREK UND ANJA STEINBUCH

Ernestine Wyatt ist die Erleichter­ung deutlich anzumerken. Ihre Augen strahlen. Die 66-Jährige ist sich sicher: „Wir sind auf der Zielgerade­n. Tante Harriet kommt auf den neuen Zwanziger, das ist jetzt eine beschlosse­ne Sache.“Jahrzehnte­lang ist die Ur-Ur-Ur-Großnichte von Harriet Tubman nicht müde geworden, auf die Bedeutung der schwarzen Bürgerrech­tlerin hinzuweise­n und für die Anerkennun­g ihrer berühmten Ahnin zu kämpfen: „Sie ist Teil der US-amerikanis­chen Geschichte, besonders für die afroamerik­anische Gemeinscha­ft. Sie hat es geschafft, Hinderniss­e zu überwinden.“

In den Vereinigte­n Staaten ist sie eine Legende, in Europa kennen die 1822 als Sklavin geborene Freiheitsk­ämpferin nur wenige: Tubman war Mitte des 19. Jahrhunder­ts Motor und Antreiberi­n der „Undergroun­d Railroad“– eines Netzwerks von Helfern, die geheime Verstecke organisier­ten und einander verschlüss­elte Nachrichte­n zukommen ließen. Die Organisati­on half entlaufene­n Sklavinnen und Sklaven, in sichere Bundesstaa­ten zu kommen.

Jetzt soll ihr Porträt auf der neuen 20-Dollar-Note verewigt werden. Die Altherrenr­iege bekommt Konkurrenz, so hat es Joe Biden kürzlich entschiede­n. Bisher sind auf US-Banknoten vor allem Gesichter weißer Präsidente­n oder Unterzeich­ner der Unabhängig­keitserklä­rung zu sehen. Die stehen zwar für den Aufbau und die Wirtschaft­skraft der USA, aber eben auch für die Sklaverei: George Washington, Thomas Jefferson, James Monroe, Andrew Jackson, Ulysses S. Grant. Zwölf von 18 US-Präsidente­n zwischen 1789 und 1877 waren Sklavenhal­ter.

„Niemand ist besser geeignet, auf der neuen 20-Dollar-Note abgebildet zu werden, als eine Sklavin, die sich selbst befreite“, davon ist Ernestine Wyatt überzeugt. „Harriet war eine echte US-amerikanis­che Patriotin, die nicht nur für sich kämpfte, sondern auch für andere und die unserem Land half, die Einheit zu bewahren.“

2016 war es die Obama-Administra­tion, die das markante Gesicht Tubmans auf die US-Banknote bringen wollte – anstelle des umstritten­en einstigen Sklavenhal­ters, Indianer-Hassers und siebten US-Präsidente­n Andrew Jackson, der seit 1928 auf der Vorderseit­e der 20-Dollar-Note zu sehen ist. „Zum ersten Mal seit mehr als 100 Jahren werden wir wieder eine Frau auf unseren Banknoten abbilden“, verkündete Obamas Finanzmini­ster Jack Lew damals. „Das war auch höchste Zeit, schließlic­h hat sich viel verändert. Das zeigen auch die vielen zustimmend­en Reaktionen.“

Der Gedanke elektrisie­rte die afroamerik­anische Gemeinscha­ft in den Vereinigte­n Staaten. Doch die Nachfolger­egierung machte die Pläne wieder rückgängig und ließ die millionenf­ach per Online-Voting bejahte Initiative wieder stoppen. Donald Trump wollte tilgen und vergessen machen, was ihm sein Vorgänger hinterließ. Als „pure political correctnes­s“– „reine politische Korrekthei­t“– denunziert­e er das Tubman-Projekt. Dabei habe Trump mit seinem Rückzieher auch rassistisc­he Einstellun­gen von Teilen seiner Wählerscha­ft bedient, kritisiere­n die Bürgerrech­tler und Demokraten.

Schon als Vizepräsid­ent unter Obama hatte Joe Biden den Tubman-Zwanziger unterstütz­t. „Es ist wichtig, dass unsere Banknoten die Geschichte und Diversität unseres

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