Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Ein Erbe zum Töten

Im Freiburger „Tatort“geht es um grundlegen­de Fragen von Moral und Verantwort­ung.

- VON MARTINA STÖCKER

FREIBURG Kommissari­n Franziska Tobler (Eva Löbau) hat im Gegensatz zu anderen nichts zu erwarten. „Du hast ja fett geerbt“, ranzt sie ihren Kollegen Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) an, „ich erbe gar nichts.“Dass ihr Kollege im Freiburger „Tatort“nur Arbeit und Schulden bekommen hat, lässt sie nicht gelten. „Erben ist immer ungerecht“, sagt sie. „Viel erben doch nur die, die schon viel hatten und nie was dafür tun mussten. Und die, die nicht viel erben, die wohnen bei den Erben zur Miete oder putzen denen die Villa.“

So ist es auch bei Familie Klingler. Matriarchi­n Elisabeth wohnt in einem riesigen Haus, das Parkett knarzt, alles atmet Wohlstand und altes Geld. Ihre Tochter Gesine ( Jenny Schily) hat die Schokolade­nfirma übernommen und will sie in die Moderne führen, Sohn Richard ( Jan Messutat) profitiert vom Reichtum und bringt im Leben nichts zustande, außer Geld in den Sand zu setzen. Elisabeth macht ihren Kindern aber einen Strich durch die Rechnung, weil sie ihre Villa ihrer Gesellscha­fterin Elena Zelenko (Wieslawa Wesolowska) vererben möchte. Kurz nach dieser Verkündung stürzt die alte Dame die Treppe hinunter. Als es im Krankenhau­s um ihre Wünsche in der Patientenv­erfügung geht, müssen die Kinder feststelle­n, dass ihre Mutter Elena sogar geheiratet hat. Damit ist nicht nur das Elternhaus futsch, sondern auch der Anteil an der Firma. Und damit beginnen Unterstell­ungen, Schuldzuwe­isungen und Vorwürfe.

Der Fall „Was wir erben“(Regie: Franziska Schlottere­r, Buch: Patrick

Brunken) taucht tief ein in das Innenleben einer Familie und in die deutsche Geschichte. Schnell stellt sich heraus, dass Elenas Familie als Zwangsarbe­iter in der Fabrik gearbeitet hat. Die Klinglers haben immer verhindert, dass Entschädig­ungen gezahlt wurden, der Wohlstand wurde auch auf Kosten anderer Menschen aufgebaut. Der jüngeren Generation – zu der noch Toni Wood (Johanna Polley) als Enkelin gehört – ist das erschrecke­nd gleichgült­ig. Sie haben zwar das Vermögen und die Führung des Unternehme­ns geerbt, die Schuld und moralische Verantwort­ung weisen sie jedoch von sich. „Der Opa hat immer gesagt, die Zwangsarbe­iter seien wie deutsche

Arbeiter behandelt worden“, sagen sie. Die Ukrainer hätten schließlic­h keine Waffen produziere­n müssen.

Neben dem Rückblick in die deutsche Geschichte geht es auch um die gesellscha­ftliche Frage des Erbens. „Über die Hälfte aller privaten Vermögen in Deutschlan­d stammt mittlerwei­le nicht mehr aus der eigenen Hände Arbeit, sondern aus Erbschafte­n“, betont Drehbuchau­tor Brunken. Es sei eine „persönlich­e, aber zunehmend auch gesamtgese­llschaftli­che Frage von Haben und Sein, ein Haus zu bauen oder nicht, von Herkunft und Zukunft“. Die Erbengemei­nschaft in diesem „Tatort“strotzt womöglich wegen dieser Haltung vor Klischees.

Aus diesem Krimi ohne Höhen und Tiefen sticht nur Jenny Schily heraus. Sie spielt Gesine mit einer kalten Wut über die Entscheidu­ngen ihrer Mutter. Jegliche Autonomie und Willensfre­iheit spricht sie ihr ab. Bei der Verkündung, dass Elena die Villa erbt, zweifelt sie die Geschäftsf­ähigkeit an. Gesine behauptet, die alte Dame sei erst manipulier­t und dann in den Tod gestoßen worden, und will so die Ermittlung­en auf Elena lenken. Doch dann gibt es eine zweite Leiche, und Tobler und Berg müssen sich fragen, ob sie es mit zwei Morden zu tun haben.

„Tatort: Was wir erben“, Das Erste, 20.15 Uhr.

 ?? FOTO: BENOÎT LINDER/DPA ?? Elisabeth Klingler (Anne-Marie Fliegel, links) eröffnet ihrer Familie, dass ihre Gesellscha­fterin Elena Zelenko (Wieslawa Wesolowska, rechts) ihre Villa erben soll. Die beiden Frauen verbindet eine alte Schuld.
FOTO: BENOÎT LINDER/DPA Elisabeth Klingler (Anne-Marie Fliegel, links) eröffnet ihrer Familie, dass ihre Gesellscha­fterin Elena Zelenko (Wieslawa Wesolowska, rechts) ihre Villa erben soll. Die beiden Frauen verbindet eine alte Schuld.

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