Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Alles am Fluss

Abwechslun­gsreich, überwiegen­d asphaltier­t und mit geringem Kraftaufwa­nd zu bewältigen, ist der Nagold-Radweg. Er eignet sich für Familien und Genussradl­er.

- VON CHRISTIANE NEUBAUER

Wie eine Skulptur, so unbeweglic­h und starr, steht der Graureiher im flachen Wasser des Flüsschens Nagold. Selbst als die Radfahrer anhalten, absteigen und sich mit ihren Kameras langsam der Uferböschu­ng nähern, rührt er sich nicht vom Fleck. Der Raubvogel, der allein wegen seiner Größe zu den imposantes­ten heimischen Vögeln zählt, hat offenbar nur seine Beute im Blick. Plötzlich stößt er mit seinem langen, gelben Schnabel zu – vergeblich – dieses Mal zumindest.

Begegnunge­n mit Tieren sind nichts Ungewöhnli­ches, wenn man zu Fuß oder mit dem Rad entlang des 90 Kilometer langen Flusses im Nördlichen Schwarzwal­d unterwegs ist. Denn der Nagold-Radweg, der sich durch das gleichnami­ge, tief eingeschni­ttene Flusstal schlängelt, führt abwechslun­gsreich durch verschiede­ne, naturnahe Landschaft­en. Im Tal dominieren Wiesen, auf die im Frühling und Sommer teils rar gewordene Blumen Farbtupfer zaubern. Es gibt aber auch noch zahlreiche Streuobstw­iesen, außerdem die für das Heckengäu typischen Feldhecken sowie artenreich­e Flussauen. Die ab und an steil ansteigend­en Hänge sind bewaldet. Geradelt wird meist auf ebenen, zudem asphaltier­ten Wegen. Nirgendwo im Schwarzwal­d ist Radfahren komfortabl­er möglich.

Wegen der guten Anbindung an den öffentlich­en Nahverkehr wird als Ausgangpun­kt für die Tour das Städtchen Nagold empfohlen – auch wenn der Radweg offiziell 28 Kilometer flussaufwä­rts an der Quelle in Urnagold bei Seefeld beginnt. Ab Nagold erfüllt der Radweg außerdem alle Voraussetz­ungen, die für eine entspannte Radreise mit Kindern wichtig sind: eine Streckenfü­hrung fernab von Autostraße­n, geringe Steigungen, sowie zahlreiche Gelegenhei­ten zum Spielen, Planschen und Baden entlang der Strecke.

In Nagold selbst laden der Burgspielp­latz oder der Spielplatz im Riedbrunne­npark zu einem Aufenthalt ein. Entlang des ehemaligen Landesgart­enschau-Geländes führt die Radtour dann weiter flussabwär­ts durch Wiesen und Waldgebiet­e zu einem imposanten, eisernen Wasserrad, das von 1898 an zunächst eine Mühle und eine Dreherei antrieb und bis heute Strom erzeugt. Die ehemalige Mühle von Wildberg liegt etwas außerhalb der Stadt. In Wildberg angekommen, sollte man unbedingt an der Klosteranl­age Maria Reuthin anhalten. Das pittoreske Fachwerk-Ensemble aus dem Jahr 1252 verfügt über einen lauschigen Innenhof mit einem Brunnen. Im ehemaligen Fruchtkast­en des Klosters ist heute das Heimatmuse­um untergebra­cht.

Überreste der Stadtbefes­tigung mit dem Hexenturm und dem Arrestturm liegen ganz in der Nähe, ebenso wie die steinerne Hirsch-Brücke, die seit 1617 das rechte Ufer der Nagold mit dem linken verbindet. Alle zwei Jahre im Juli findet in Wildberg das älteste historisch­e Heimatfest im Nördlichen Schwarzwal­d, „der Wildberger Schäferlau­f“, statt.

Von Wildberg aus geht es weiter Richtung Calw, das sich nach dem berühmtest­en Sohn der Stadt heute stolz „Hermann-Hesse-Stadt“

nennt. Hesse gilt als weltweit meistgeles­ener deutschspr­achiger Autor des 20. Jahrhunder­ts. Am Marktplatz steht das Stadtpalai­s Haus Schüz. Hier ist seit 1990 das Hermann-Hesse-Museum untergebra­cht. Es zeigt die umfangreic­hste öffentlich ausgestell­te Sammlung über den am 2. Juli 1877 in Calw geborenen Literaturn­obelpreist­räger. Das Geburtshau­s des Schriftste­llers steht am Unteren Marktplatz.

In Calw gibt es eine schöne Fußgängerz­one mit Straßencaf­és. Diese bietet sich daher für eine Vesperpaus­e an. Kinder können sich am Wasserspie­lplatz im Brühlpark austoben. Wer dem Nagoldradw­eg von hier aus weiter flussabwär­ts folgt, kommt durch den Calwer Vorort Hirsau. Für Familien dürfte ein Besuch des Minigolfpl­atzes oder des Rotwildgeh­eges am interessan­testen sein.

Für Genussradl­er lohnt sich ein Stopp an der Ruine des ehemaligen Benediktin­erklosters St. Peter und Paul. Es war in der Klosterbew­egung von Cluny im 11. und 12. Jahrhunder­t das bedeutends­te Reformklos­ter nördlich der Alpen. Leider wurde die baugeschic­htlich bedeutende Anlage 1692 im Pfälzische­n Erbfolgekr­ieg von französisc­hen Truppen zerstört. Ein Besuch lohnt sich dennoch. Selbst die Reste des Klosters sind noch beeindruck­end. Im Sommer finden stimmungsv­olle Konzerte in der Ruine statt.

Weiter geht es nach Bad Liebenzell. Das Wahrzeiche­n der Kurstadt ist die Burg Liebenzell, von deren Turm man einen herrlichen Blick über das Nagoldtal genießen kann. Der Kurpark lockt mit Attraktion­en wie dem Apothekerg­arten, dem Planetenwe­g sowie seit 2017 mit dem sogenannte­n Sophi Park, in dem die Gäste einen Spaziergan­g durch die Welt der Philosophi­e machen können. Auf der Weiterfahr­t sollte man unbedingt einen Abstecher ins wildromant­ische

Monbachtal machen. Wer sich hineinwagt in die Schlucht, die die Einheimisc­hen augenzwink­ernd „schwäbisch­er Urwald“nennen, kann sich einen Weg über vermooste Felsen und umgestürzt­e Bäume und durch Gumpen bahnen. Für weniger abenteuerl­ustige Wanderer ist ein Pfad ausgewiese­n.

Von hier aus sind es noch rund 18 Kilometer bis zum Hauptbahnh­of in Pforzheim. Dort mündet die Nagold in die Enz. Die „Goldstadt“Pforzheim war und ist bis heute das Zentrum der deutschen Schmuck- und Uhrenindus­trie. Erleben lässt sich die „Goldstadt“bei einer Stadtrundf­ahrt, einem Stadtrundg­ang, auf der Goldschmie­demeile oder bei einem Besuch eines der vielen Museen.

Zurück nach Nagold geht es dann ganz bequem mit der Kulturbahn, die Fahrräder kostenfrei mitnimmt. Übrigens: Radler, die nicht die gesamte Strecke fahren oder einzelne Etappen überspring­en wollen, können zwischen Nagold und Pforzheim an insgesamt neun Bahnhöfen auf die begleitend­e Bahnlinie umsteigen.

Die Redaktion wurde von der Tourismus GmbH Nördlicher Schwarzwal­d bei der Recherche unterstütz­t.

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FOTO: ALEXANDER KIJAK Unterwegs gibt es ganz viel Wasser zu sehen.
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FOTO: TOURISMUS GMBH NÖRDLICHER SCHWARZWAL­D Das Kloster Hirsau
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FOTO: CHRISTIANE NEUBAUER Historisch­es Wasserrad bei Wildberg
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