Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Immer positiv denken!

Warum beschäftig­en wir uns so gerne mit den Dingen, die wir nicht geschafft haben? Warum erfreuen wir uns nicht viel häufiger an dem, was wir erlebt haben? Unser Autor plädiert dafür, nach vorn zu blicken, auch wenn nicht immer alles rund läuft.

-

Der Sommer bahnt sich langsam aber sicher an und wie jeden Sommer seit nunmehr drei Jahren habe ich einen Berg an Hausarbeit­en vor mir. Und wieder, wie jeden Sommer seit drei Jahren, schockiert es mich, dass ich es mal wieder nicht fertig gebracht habe, einen deutlich größeren Teil von diesem Berg schon über den Winter erledigt zu haben. Nicht, dass ich untätig gewesen wäre, aber ich hätte einfach gerne mehr geschafft.

Man kann die Ursache dieses Gefühls natürlich als erstes in einem alten Lied ausfindig machen: der guten alten Prokrastin­ation. Genauso schnell kann man das aber auch relativier­en. Waren acht Stunden Bildschirm­zeit früher höchstens in Klausurpha­sen oder ähnlichen Studienabs­chnitten an der Tagesordnu­ng, so sind sie nun in den Alltag eines jeden durchschni­ttlichen Studierend­en mit Nebenjob im Homeoffice eingekehrt. Wahrschein­lich erweckt diese Summe an Bildschirm­zeit bei vielen sogar eher ein müdes Lächeln.

Man kennt es aber auch aus anderen Lebensbere­ichen. Ständig hält man sich an den Dingen auf, die man nicht gemacht hat. Das Konzert, das man nicht besuchen konnte. Der Geburtstag, den man absagen musste oder die lässige Jacke, die man nicht gekauft hat, weil sie in der eignen Größe nicht mehr erhältlich war.

Dabei kann es doch so einfach sein, ruft man sich die Dinge, die man erlebt hat, die Dinge, die gut liefen, in Erinnerung. Das Konzert, an das man sich so gerne zurück erinnert, auch wenn es lange zurück liegt, der andere Geburtstag, an dem wir alle gelacht haben und beisammen saßen oder an eine der anderen Dutzend Jacken, die man sich geholt hat und die mindestens genauso lässig sitzen.

Exakt so sollte man sich die vergangene­n Monate in Erinnerung rufen. Die Kurse, die du wöchentlic­h gemeistert hast, ob abgeschlos­sen oder nicht. Die Klausuren, die du unter den erschwerte­n Bedingunge­n in der Corona-Pandemie bestritten hast. Hausarbeit­en, die du tagelang im Dunkeln bis in die späten Abendstund­en getippt hast. All diese Dinge sind nicht selbstvers­tändlich. Und es ist berechtigt, stolz darauf zu sein, auch wenn du dir mehr vorgenomme­n hattest. Sei stolz auf das, was du geleistet hast und halte dich nicht auf an den Dingen, die nicht so gut liefen. Du bist hier, du hast schon so viel geschafft. Den Rest wirst du auch noch erledigen – und wenn du noch einmal einen Sommer dranhängen musst. Es wird deine Leistung nicht schmälern. Im Gegenteil: Es wird ein weiterer Grund sein, stolz darauf sein zu können, dass du so lange durchgehal­ten hast.

 ?? FOTO: SCHAFIYHA ?? Luca Schafiyha studiert Germanisti­k und Politikwis­senschafte­n an der Heinrich-HeineUnive­rsität in Düsseldorf.
FOTO: SCHAFIYHA Luca Schafiyha studiert Germanisti­k und Politikwis­senschafte­n an der Heinrich-HeineUnive­rsität in Düsseldorf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany