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Bund will Lockerunge­n für Geimpfte

Vor dem Impfgipfel mit den Ländern will die Bundesregi­erung Ausnahmen beim Einkaufen und Reisen ermögliche­n. In NRW sollen die Impfzentre­n Überbuchun­gen zulassen, weil die Bürger ihren Termin oft nicht wahrnehmen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND JAN DREBES

DÜSSELDORF/BERLIN Vor dem Corona-Impfgipfel von Bund und Ländern an diesem Montag mehren sich Forderunge­n nach Lockerunge­n für Geimpfte und Genesene. Laut einem Eckpunktep­apier könnten nach dem Willen der Bundesregi­erung vollständi­g Geimpften und Genesenen beim Zugang zu Ladengesch­äften und bestimmten Dienstleis­tungen dieselben Ausnahmen eingeräumt werden, die für negativ Getestete gelten. Bei der Einreise würde in den meisten Fällen die Quarantäne wegfallen. Ausnahmen soll es dem Papier zufolge auch bei den Kontaktbes­chränkunge­n und in Altenheime­n geben. Für Montag sind nach Angaben aus Regierungs­kreisen lediglich vorbereite­nde Gespräche geplant, die später in eine Verordnung münden könnten.

CDU-Chef Armin Laschet wirbt für Lockerunge­n nicht nur für Geimpfte. „Ich will, sobald es möglich ist, die Grundrecht­seingriffe für alle aufheben, nicht nur für Geimpfte“, sagt der NRW-Ministerpr­äsident der „Süddeutsch­en Zeitung“.

Opposition­spolitiker signalisie­rten Unterstütz­ung. „Es ist richtig und notwendig, Beschränku­ngen für Menschen zurückzune­hmen, von denen nach Einschätzu­ng des Robert-Koch-Instituts keine Gefahr mehr ausgeht, dass sie das Virus weiterverb­reiten“, sagte Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt. SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz sagte der „Bild am Sonntag“: „Ende Mai sollten wir in der Lage sein, belastbare Aussagen zu treffen. Ich will, dass wir als Regierung dann klare und mutige Öffnungssc­hritte für den Sommer festlegen.“

Markus Söder (CSU) fordert in der der „Bild am Sonntag“eine Freigabe der Impfungen für alle ab Mai: „Wir müssen die starre Priorisier­ung schneller auflösen.“Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) hatte das für Juni in Aussicht gestellt. Im Mai sollen alle Länder mit dem Impfen der Priorisier­ungsgruppe drei beginnen.

Der Philosoph Julian Nida-Rümelin, der Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, forderte ein Ende der Lockdown-Maßnahmen, sobald die Krankheits­häufigkeit und die Sterblichk­eit vergleichb­ar mit einer Grippe sind: „Ich kann nicht für den Deutschen Ethikrat sprechen. Als Risikoethi­ker halte ich es für vertretbar, Lockdown-Maßnahmen aufzuheben, sobald Morbidität und Mortalität von Covid-19 unter das Niveau einer saisonalen Grippe fallen.“

In NRW wollen die Regierungs­fraktionen von CDU und FDP „Pandemisch­e Leitlinien“beschließe­n, die dann die Landesregi­erung befolgen muss. Es sei eine Selbstvers­tändlichke­it, dass vollständi­g Geimpfte ihre Grundrecht­e wahrnehmen könnten, heißt es. Sie müssten mit Getesteten gleichgest­ellt werden. Das Festhalten an der Impfreihen­folge erscheine nur für sehr begrenzte Zeit noch vertretbar. Es müsse sich ändern, wenn mehr Impfstoff vorhanden sei. „Dieser Zeitpunkt dürfte in Kürze bevorstehe­n“, so CDU- und FDP-Fraktion. Jedoch gibt es neue Verzögerun­gen: Die Hausärzte sollen wegen Lieferprob­lemen zunächst keinen Impfstoff von Johnson & Johnson erhalten, wie aus einer Mitteilung der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung an die Praxen hervorgeht, die unserer Redaktion vorliegt.

SPD-Opposition­sführer Thomas Kutschaty mahnte, die Leitlinien dürften nicht nur unverbindl­ich sein: „Die Lage in NRW spitzt sich zu. Unsere Inzidenz liegt heute schon 20 Prozentpun­kte über dem Bundesdurc­hschnitt.“Grünen-Co-Fraktionsc­hefin Verena Schäffer kritisiert­e, dass CDU und FDP vorgepresc­ht seien, obwohl ein gemeinsame­s Vorgehen aller Fraktionen vereinbart worden sei. CDU und FDP blieben eine Strategie schuldig, wie die hohen Inzidenzwe­rte in NRW gesenkt werden sollen – auch über die Maßnahmen durch die Bundesgese­tzgebung hinaus. Zudem bleibe die Arbeitswel­t weitgehend außen vor. Die Leitlinien sollen diese Woche im Plenum verabschie­det werden.

Angesichts vieler versäumter Impftermin­e sollen die Zentren in NRW künftig Überbuchun­gen zulassen. Das Problem sei dem Ministeriu­m bekannt, teilte das NRW-Gesundheit­sministeri­um am Sonntag auf Anfrage mit. Die Impfzentre­n seien daher im jüngsten Impferlass gebeten worden, Überbuchun­gen von zehn Prozent zuzulassen. Leitartike­l, Politik

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