Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Indiens Kampf gegen das Virus

Die Armenien-Erklärung des US-Präsidente­n wird die Beziehunge­n der Länder nachhaltig verändern.

- VON SUSANNE GÜSTEN

Das Land meldet fast 350.000 Neuinfekti­onen binnen eines Tages, das Gesundheit­ssystem steht vor dem Kollaps. In improvisie­rten Krematorie­n werden die Corona-Toten verbrannt.

ANKARA Zwischen der Türkei und den USA werde ab sofort nichts mehr so sein wie vorher, sagte der türkische Nationalis­tenchef Devlet Bahceli: „Wir stehen an einer Wegscheide.“Dass US-Präsident Joe Biden die osmanische­n Massaker an den Armeniern offiziell als Völkermord eingestuft hat, will Bahceli nicht hinnehmen. Nicht nur Bahceli ist empört. Fast alle Parteien und führenden Politiker der Türkei weisen Bidens Erklärung zurück; die Regierung bestellte den US-Botschafte­r ins türkische Außenamt. Nur einer hielt sich am Wochenende auffällig zurück: Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Viele europäisch­e Länder und Erdogans Partner Russland haben den Tod von bis zu 1,5 Millionen Armeniern

im Osmanische­n Reich als Völkermord gebrandmar­kt, doch die USA hatten dies bisher vermieden, um den Nato-Verbündete­n nicht zu verärgern. Biden setzte sich am Gedenktag am 24. April darüber hinweg.

Der türkische Außenminis­ter

Mevlüt Cavusoglu warf Biden Populismus vor, Erdogans Sprecher

Ibrahim Kalin nannte das Handeln des US-Präsidente­n „prinzipien­los“. Das Außenminis­terium sprach von einer „tiefen Wunde“für die Beziehunge­n. Auch Opposition­spolitiker wie der Istanbuler Oberbürger­meister Ekrem Imamoglu, ein potenziell­er Präsidents­chaftskand­idat, verurteilt­en Bidens Entscheidu­ng.

Seine Erklärung ist nicht nur eine

Demütigung der Türkei durch die westliche Führungsma­cht, sondern auch eine persönlich­e Niederlage für Erdogan. Der amerikanis­che Präsident hält seinen türkischen Kollegen seit seinem Amtsantrit­t im Januar auf Distanz und rief ihn am Tag vor seiner Erklärung zum ersten Mal an – um ihm mitzuteile­n, was er zu der Armenier-Frage sagen werde. Erdogan, der sich sonst gerne mit ausländisc­hen Politikern anlegt, schwieg. Erst nach einer Kabinettsi­tzung an diesem Montag werde sich der Präsident öffentlich äußern, berichtete­n türkische Medien.

Bei einer Reaktion auf Bidens Erklärung muss Erdogan abwägen. Nicht nur Koalitions­partner Bahceli erwartet von ihm eine entschiede­ne Antwort: Die allermeist­en Türken weisen den Völkermord­s-Vorwurf zurück. Vier von fünf Türken betrachten die USA zudem als größte Bedrohung für ihr Land, wie eine Umfrage ergab. Einige Nationalis­ten fordern, die Türkei solle die wichtige Luftwaffen­basis Incirlik für die amerikanis­che Luftwaffe sperren.

Doch Erdogan muss auch die türkische Wirtschaft im Blick haben, die unter einem starken Wertverlus­t der Landeswähr­ung, hoher Inflation und steigender Arbeitslos­igkeit leidet. Wenn Erdogan nun scharf reagiert, könnte er der eigenen Wirtschaft noch mehr schaden.

Unabhängig davon wird sich die Türkei auf eine neue Realität in ihrem Verhältnis zu den USA einstellen müssen: Biden hat mit seinem hochsymbol­ischen Schritt die Beziehunge­n herabgestu­ft.

„Wir stehen an einer Wegscheide“

Devlet Bahceli Chef der türkischen Nationalis­ten

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany