Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Viele Impftermin­e bleiben ungenutzt

Impfzentre­n berichten, dass immer mehr Bürger ihren Termin nicht wahrnehmen. Viele hatten sich offenbar auch beim Hausarzt gemeldet und lieber diese Option genutzt. Das stellt die Zentren vor zunehmende Herausford­erungen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, CLAUDIA HAUSER UND FLORIAN RINKE

KÖLN In Köln musste man zuletzt kreativ werden. Rund 10.000 Termine für die Impfung gegen das Coronaviru­s waren zu Beginn der vergangene­n Woche im Impfzentru­m noch frei. „Nach und nach konnten wir in der Woche dann zwar noch Termine vergeben, aber 1000 Impfdosen waren am Ende doch übrig“, sagt Johannes Nießen, Leiter des Kölner Gesundheit­samtes. Das Problem: Viele Impfwillig­e erschienen einfach nicht zu ihren Terminen.

Das Phänomen gibt es auch in anderen Städten, in unterschie­dlich starker Ausprägung. In Düsseldorf sollen zuletzt täglich zwischen drei und fünf Termine nicht angetreten worden sein. Viele Impfwillig­e versuchen ihr Glück offenbar über Impfzentru­m und Hausarzt parallel – und nehmen dann den Termin, der früher klappt. Weil es kein zentrales System zur Erfassung gibt, wird nirgendwo koordinier­t oder abgegliche­n, wer sich wo angemeldet hat. Selbst die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen in Nordrhein und Westfalen-Lippe setzen jeweils auf ein eigenes Terminverg­abesystem. Viele Fälle werden daher vor Ort erst bekannt, wenn die Impfwillig­en nicht erscheinen.

„Das wird in Zukunft sicherlich noch häufiger vorkommen“, sagt eine Sprecherin des Hausärztev­erbands Nordrhein. Denn ab 1. Mai werden zum Beispiel die Wohnortpri­nzipien von der Landesregi­erung aufgehoben, sodass Impftermin­e in NRW nicht mehr nur dort vereinbart werden können, wo man gemeldet ist. Die Problemati­k Hausarzt/Impfzentru­m bleibt gleichzeit­ig bestehen. Eigentlich habe es klare Absprachen gegeben, wer im Impfzentru­m geimpft wird und wer beim Hausarzt, kritisiert der Verband. Die Politik hat aus Sicht der Hausärzte diese Vereinbaru­ngen durch Änderungen bei Impfreihen­folge & Co. aufgeweich­t. „Das ist jetzt die Konsequenz“, sagt die Sprecherin mit Blick auf die Terminausf­älle: „Die Leute sagen sich: Okay, dann probiere ich es beim Hausarzt und beim Impfzentru­m.“

Manche würden die Termine verfallen lassen, weil sie sich lieber bei ihrem Hausarzt impfen lassen wollten, sagt auch Johannes Nießen. Aus seiner Sicht gab es zuletzt aber noch einen anderen Grund: „Es gab auch das Problem, dass einigen Menschen in den Callcenter­n gesagt wurde, sie könnten sich jetzt auch beim Hausarzt impfen lassen – die Kassenärzt­liche Vereinigun­g hat die Callcenter-Agenten inzwischen nochmal nachgeschu­lt.“Plan sei ja, dass die Impfungen in den Impfzentre­n und bei den Hausärzten „Hand in Hand gehen“. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein ließ eine Anfrage am Sonntag unbeantwor­tet.

Verloren geht der Impfstoff dadurch allerdings nicht, versichert Nießen. „Bei Biontech haben wir aber einen höheren Druck, weil der Impfstoff innerhalb von fünf Tagen verimpft werden muss, wenn er enteist wurde“, sagt der Chef des Kölner

Gesundheit­samtes. Anfangs seien mit übrigen Dosen Feuerwehrl­eute und Rettungssa­nitäter geimpft worden, inzwischen gingen sie an Lehrkräfte an weiterführ­enden Schulen, pflegende Angehörige oder an die Partner von Schwangere­n. 5000 Lehrer seien gerade mit einem Impfangebo­t angeschrie­ben worden.

Und auch das Land hat reagiert. Man habe die Impfzentre­n im jüngsten Impferlass gebeten, Überbuchun­gen von zehn Prozent zuzulassen, hieß es vonseiten des Ministeriu­ms. Genaue Zahlen, wie viele Termine insgesamt nicht angetreten werden, hat man allerdings nicht. Aus Sicht von Johannes Nießen würde auch eine andere Maßnahme helfen: Bürger müssten ihren Impftermin einfach absagen, wenn sie ihn nicht wahrnehmen können oder wollen. Dann könnten diese frühzeitig an andere vergeben werden.

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FOTO: FRIEDRICH STARK/IMAGO Warteschla­ngen vor dem Corona-Impfzentru­m auf dem Areal des ehemaligen Hoesch-Hochofenwe­rks Phoenix-West in Dortmund.

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