Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Kalenderblatt
26.04.1997
Roman Herzog hält seine „Ruck-Rede“
Es ist vor allem eine Rede, mit der Bundespräsident Roman Herzog den Menschen bis heute in Erinnerung geblieben ist. Am 26. April 1997 forderte Herzog bei der Wiedereröffnung des Hotels Adlon in Berlin: „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen.“Die „Ruck-Rede“wurden anschließend viel diskutiert. In ungewohnt klaren Worten hatte der Bundespräsident ausgesprochen, was seiner Meinung nach in Deutschland falsch lief. Er wollte die Gesellschaft aufrütteln und die Mächtigen dazu bringen, sich den großen Fragen ihrer Zeit endlich zu stellen: „Ich vermisse bei unseren Eliten in Politik, Wirtschaft, Medien und gesellschaftlichen Gruppen die Fähigkeit und den Willen, das als richtig Erkannte auch durchzustehen. Es kann ja sein, dass einem einmal der Wind der öffentlichen Meinung ins Gesicht bläst. Unser Land befindet sich aber in einer Lage, in der wir es uns nicht mehr leisten können, immer nur den Weg des geringsten Widerstands zu gehen“, sagte er. Herzog sprach von einer Reise durch Asien, von der er gerade zurückgekehrt sei. Beeindruckt habe ihn dort die Dynamik, mit der sich ehemalige Dritte-Welt-Länder zu Industrienationen entwickelten. In Deutschland hingegen herrsche sechseinhalb Jahre nach der Wiedervereinigung Mutlosigkeit: „Ein Gefühl der Lähmung liegt über unserer Gesellschaft.“Herzogs Rede trug den Titel „Aufbruch ins 21. Jahrhundert“. Sein „Ruck“wurde später zu einem geflügelten Wort – und immer dann zitiert, wenn es nötig scheint, dem „Gefühl der Lähmung“etwas entgegenzusetzen.