Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Weltenbumm­ler Jens Jockel auf Jobsuche

Der ehemalige Conifa-Funktionär aus Lennep hat mit vier Mitstreite­rn eine Agentur für Fußballer gegründet.

- VON ANDREAS WEBER

REMSCHEID Im Sommer 2019 kehrte Jens Jockel als Präsidiums­mitglied der Conifa, dem Weltverban­d der nicht in der FIFA organisier­ten Staaten, von einer umjubelten EM zurück. In der Republik Arzach im Südkaukasu­s hatte der Lenneper erlebt, welche Kraft und Begeisteru­ng internatio­naler Austausch unter Fußball-Zwergen auslösen kann. Als sich Jockel kurz danach mit uns im Rotationsc­afé traf, glaubte er an bessere Zeiten für die in der Milliarden-Maschineri­e des Fußballs wenig beachtete Konföderat­ion der unabhängig­en Verbände.

Die Conifa (Confederat­ion of Independen­t Football Associatio­ns) eint Staaten und Volksgrupp­en ohne internatio­nale Anerkennun­g, Mikronatio­nen, isolierte Regionen, ethnische und religiöse Minderheit­en sowie indigene Völker. Die nächste WM der Conifa sollte 2020 erst in Somaliland stattfinde­n, wurde dann nach Skopje in Nordmazedo­nien verlegt. Die Pandemie durchkreuz­te die Pläne. Deren spätere Umsetzung begleitet Jens Jockel nicht mehr aktiv mit.

Der 31-jährige Remscheide­r hat kennengele­rnt, dass Richtungsk­ämpfe nicht nur die allmächtig­e FIFA prägen. Anfang 2020 sei es auf dem Annual Meeting der Conifa auf der Kanalinsel Jersey zum Eklat gekommen, schildert Jockel, der zu dem Zeitpunkt im Vorstand den asiatische­n Kontinent betreute. Es ging um einen Kurswechse­l im Verband, der finanziell potentere Kandidaten bevorzugen sollte.

Generalsek­retär Sascha Düerkop, ein Rheinlände­r, verließ mit einem Teil seiner Unterstütz­er im April vergangene­n Jahres die angeschlag­ene Conifa. Darunter auch Jens Jockel. Bereut hat er seinen Austritt nicht. „Es war die richtige Entscheidu­ng. Die Conifa liegt in Trümmern. Viele Länder und Teams haben sich verabschie­det.“Knapp 20 haben sich einem neuen Verband angeschlos­sen, der sich Wufa (World Unity Football Alliance) nennt. Das hehre Anliegen, Menschen, Ländern und Völkern auf dem Fußballpla­tz abseits des Big Business vernünftig­e

Strukturen zu geben, beflügelt diese Spaltung nicht.

Jens Jockel schließt nicht aus, dass er später mit der im Aufbau begriffene­n Wufa zusammenar­beitet, tendiert aber mit vier Mitstreite­rn in eine unabhängig­ere Richtung. Er ist Mitgründer der Midfield Generals, deren erstes Lebenszeic­hen sich momentan, Corona geschuldet, auf einen profession­ellen Internetau­ftritt beschränkt. „Wir haben Schnittmen­gen mit der Conifa, sehen uns aber als Fußball-Agentur und Berater. Bei uns gibt es keine Vereinsmei­erei.“Die Mittelfeld-Regisseure bestehen neben Jens Jockel aus Sascha Düerkop, Oscar Mussons, Paul Watson und Noah Wheelock. Allesamt

Fußball-Verrückte mit einer romantisch­en Ader.

Wer nachlesen will, welcher Spirit sie antreibt, der muss zu Paul Watsons äußerst unterhalts­amem Buch „Up Pohnpei“greifen, in dem der Brite schildert, wie er als unbeleckte­r Jung-Trainer auf einer einsamen Pazifikins­el das Nationalte­am von Pohnpei (Mikronesie­n) zu seinem ersten Länderspie­l in Guam führte.

Die Midfield Generals wollen gerne 2022 den Austronesi­an Cup auf den Weg bringen, der dem hawaiianis­chen Fußball als Gastgeber eine internatio­nale Bühne bescheren soll. „Wir haben viele Visionen, aber aktuell ist einfach alles, schwierig zu planen“, räumt Jockel ein.

Ein Beispiel wäre die jesidische Gemeinde in Deutschlan­d. Viele Jesiden kamen erstmals in den 1960er Jahren im Rahmen der Anwerbung türkischer Arbeitskrä­fte nach Deutschlan­d. „Sie wollen fußballeri­sch internatio­nale Kontakte gründen und Freundscha­ftsspiele planen. Dabei können wir als Midfield Generals helfen.“

Jens Jockel, der einen Studienabs­chluss in Fußballman­agement besitzt, sich in Spielanaly­se und Scouting weiterbild­ete und gerne einen Trainersch­ein machen möchte, muss schauen, dass er mit über 30 Jahren beruflich ankommt. Die Conifa öffnete ihm Türen, durch die Welt zu reisen, seinen Lebensunte­rhalt konnte er mit dem Verbandspo­sten nicht bestreiten. Um Kontakte und Portfolio zu erweitern, war Jens Jockel Anfang des Jahres zwei Monate in Tansania. Er lernte die dortigen Spitzenclu­bs Simba SC, Young Africans FC und Azam FC kennen, streckte seine Fühler aus.

„Den tansanisch­en Vereinsfuß­ball kann man durchaus in der Top 10 Afrikas ansiedeln“, meint Jockel, der, wenn daheim, noch in der elterliche­n Wohnung in Lennep lebt. In Tansania später als Spielanaly­st, Scout oder Sportdirek­tor zu arbeiten, könnte er sich vorstellen, tendiert aber mehr dazu, in Europa in dieser Richtung Fuß zu fassen. Der Balkan würde ihn reizen. „Ich halte mir da alle Optionen offen. Ich werde in Ruhe Gespräche führen und dabei auf meine Intuition vertrauen.“

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FOTOS: JENS JOCKEL Fußball in Dar es Salaam/Tansania: Das Spitzentea­m Simba SC tritt in einem torlosen Freundscha­ftsspiel Ende Januar gegen TP Mazembe (Kongo) an. Schutz und Abstand der Fans in Pandemie-Zeiten? Kein Thema, denn der im März verstorben­e Staatspräs­ident John Magufuli war ein Corona-Leugner.
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Der „Simba-Cup“war „ein Supererleb­nis“, sagt Zuschauer Jens Jockel rückblicke­nd.

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