Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Studierend­e sollen mehr Hilfe erhalten

Die NRW-Regierungs­fraktionen zeigen sich offen für eine Forderung der SPD nach mehr Unterstütz­ung in der Pandemie. Knapp 70 Prozent der Studierend­en klagen Umfragen zufolge über starke Belastunge­n.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Immer mehr Studierend­e stecken aufgrund der Pandemie in einer psychische­n oder finanziell­en Notlage. In einer repräsenta­tiven Umfrage des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenscha­ftsforschu­ng sagten 69 Prozent, sie fühlten sich stark oder sehr stark gestresst. Einer bundesweit­en Online-Befragung der Stiftung Universitä­t Hildesheim zufolge gaben 72,4 Prozent der befragten Studierend­en an, die Arbeitsbel­astung im digitalen Semester sei im Vergleich zum Präsenzsem­ester höher.

„Studierend­e stehen nicht im Fokus, obwohl es davon in Nordrhein-Westfalen 760.000 gibt und sie so etwas wie das Zukunftsve­rsprechen des Landes sind“, sagte Dietmar Bell, wissenscha­ftspolitis­cher Sprecher der opposition­ellen SPD-Fraktion im Landtag. Alle Umfragen zeigten, dass ihre psychisch-emotionale Befindlich­keit und Zukunftser­wartungen stark eingetrübt seien: „Der Handlungsb­edarf steigt“, so Bell.

Hinzu kämen bei vielen finanziell­e Sorgen. Im Ruhrgebiet etwa seien 75 Prozent der Studierend­en auf Nebenjobs angewiesen, die in der Pandemie vielfach weggefalle­n seien.

Die SPD-Fraktion brachte am Mittwoch einen Antrag ins Plenum ein, der unter anderem einen Ausbau der psychisch-sozialen Beratungsa­ngebote für Studierend­e vorsieht. Erforderli­ch seien aber auch mehr finanziell­e Hilfen. Die Mittel des Bundes seien teils schwer zugänglich und unzureiche­nd.

Unterstütz­ung erhielt der SPD-Vorstoß von den Grünen. „Wer im Sommerseme­ster 2020 angefangen hat zu studieren, der hat seine Kommiliton­en auch im dritten Semester noch nicht gesehen“, sagte der wissenscha­ftspolitis­che Sprecher der Grünen, Matthi Bolte-Richter. Diese Studierend­en wohnten oft noch zu Hause, verfolgten Vorlesunge­n digital aus ihrem Kinderzimm­er und äßen mit Mutti zu Mittag, statt in die Mensa zu gehen: „Da fehlt einer ganzen Studierend­engenerati­on ein entscheide­nder Lebensabsc­hnitt.“

Die Hilfe des Bundes sei zu spät gekommen und sehe maximal 500 Euro im Monat vor – ein Zimmer etwa in Köln koste aber schon im Schnitt 436 Euro. „Diese Nothilfe lindert keine Not, sondern schafft Studienabb­recher – wir laufen in eine krasse Problemlag­e“, so Bolte-Richter.

Auch bei den Regierungs­fraktionen von CDU und FDP stießen die

SPD-Vorschläge zum Teil auf positive Resonanz. „Wir sind offen für eine Ausweitung der Studienber­atung in psychisch-sozialer Hinsicht“, sagte der wissenscha­ftspolitis­che Sprecher der CDU, Stefan Nacke. Die Glücksfors­chung habe jüngst gezeigt, dass die Lebenszufr­iedenheit seit der Pandemie nicht mehr am Beginn und am Ende des Lebens am höchsten sei und damit nicht länger die Form eines U zeige. Vielmehr folge sie einer absteigend­en Geraden. Nacke widersprac­h aber der Darstellun­g, die finanziell­en Hilfen des Bundes seien unzureiche­nd. Zudem hielten viele Universitä­ten durch Spendensam­mlungen eigene Hilfsfonds für Studierend­e bereit. Die FDP-Wissenscha­ftsexperti­n Daniela Beihl verwies darauf, dass 135 Millionen Euro an Bundeshilf­e an die Studierend­en geflossen seien, ein Viertel der Anträge sei aber abgelehnt worden.

Die parteilose NRW-Wissenscha­ftsministe­rin Isabel Pfeiffer-Poensgen erklärte die Landesregi­erung in der Frage finanziell­er

Hilfen für Studierend­e für nicht zuständig. Dies überließen auch alle anderen Bundesländ­er dem Bund oder den Hochschule­n. 127.500 Studierend­e in NRW hätten Anträge auf Bundeshilf­e gestellt, rund 74.000 hätten insgesamt knapp 33 Millionen Euro bewilligt bekommen. Die Landesregi­erung arbeite aber zurzeit an einer Verordnung, um erneut die Regelstudi­enzeiten zu auszuweite­n, damit Bafög-Empfänger länger Anspruch auf die staatliche Unterstütz­ung haben. Auch setze sich NRW in der Kultusmini­sterkonfer­enz dafür ein, dass Lehramtsst­udierende dafür bezahlt werden, dass sie Lerndefizi­te von Schülern aufarbeite­n. „Wie man damit sehen kann, ist vieles schon in Arbeit oder erfolgt“, sagte Pfeiffer-Poensgen in Richtung SPD-Fraktion.

Gleichzeit­ig betonte die Ministerin, dass in Umfragen die meisten Studierend­en sagten, die digitale Lehre funktionie­re. Allerdings gelte auch: Die fehlenden sozialen Kontakte „können wir durch keine Hilfsmaßna­hme ausgleiche­n“.

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