Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

In Karl Lauterbach­s Schatten

Bärbel Bas ist in der SPD-Bundestags­fraktion für Gesundheit­sthemen zuständig. Aber ein anderer zieht alle Aufmerksam­keit auf sich.

- VON MARC LATSCH

DUISBURG Es ist der 5. März 2020, als Bärbel Bas ihre erste Bundestags­rede zur Pandemie hält. In Deutschlan­d gibt es da gerade 400 bestätigte Corona-Fälle. Die Duisburger SPD-Abgeordnet­e wirbt um Ruhe und für gezieltes Handeln. „Zu Impfungen und zu einer Therapie zu kommen, das ist unsere Aufgabe“, sagt Bas. Die SPD Duisburg hat die Rede bei Youtube hochgelade­n. 185 Menschen haben sie rund ein Jahr später aufgerufen.

Gleicher Tag, anderer Ort. In einem Fernsehstu­dio sitzt Karl Lauterbach. „Corona ist doppelt so ansteckend und fünf bis zehn Mal so gefährlich wie eine normale Grippe“, sagt er. Und dass die Pandemie im Herbst mit voller Wucht zurückkomm­e.

Einen Impfstoff werde es, „wenn wir Glück haben“, in anderthalb Jahren geben. Der SPD-Bundestags­abgeordnet­e spricht zum ersten Mal bei Markus Lanz über die Corona-Pandemie. Millionen schauen ihm dabei vor dem Fernseher zu. Es folgen viele weitere Auftritte. Allein im Jahr 2020 ist Lauterbach 17 Mal in der ZDF-Sendung zu Gast.

Es ist ein ganz besonderes Modell, das sich bei den Sozialdemo­kraten in der Pandemie etabliert hat. Seit 2019 ist die Duisburger­in Bas als Bundestags-Fraktionsv­ize für Gesundheit zuständig. Zudem gibt es mit Sabine Dittmar eine gesundheit­spolitisch­e Sprecherin, die als Ärztin selbst regelmäßig im Impf- und Testzentru­m aushilft. In die Talkshows wird aber seit einem Jahr fast nur Karl Lauterbach eingeladen. Der war zwar Bas’ Vorgänger, sitzt jedoch mittlerwei­le für die SPD im Rechtsauss­chuss.

Fragt man Bärbel Bas nach der Rollenteil­ung, gibt sie sich entspannt. „Er ist sehr gefragt. Er redet sehr pointiert und ist von Beruf Arzt und Epidemiolo­ge“, sagt sie. „Ich

„Man muss zugeben, er hat einen hohen Unterhaltu­ngswert“

Bärbel Bas über Karl Lauterbach

kenne mich in der Gesundheit­spolitik natürlich auch aus. Als Krankenkas­senbetrieb­swirtin ist man in einer Pandemie aber weniger gefragt als ein Epidemiolo­ge.“Sie könne verstehen, dass die Journalist­en im Zweifel eher Lauterbach anriefen. Und das nicht nur aus fachlichen Gründen. „Man muss zugeben, er hat einen hohen Unterhaltu­ngswert“, sagt sie.

Bas sitzt seit 2009 für die Sozialmokr­aten im Bundestag, Lauterbach seit 2005. Beide beschäftig­en sich schon lange mit Gesundheit­spolitik. 2019, als Lauterbach SPD-Vorsitzend­er werden wollte, gab er sein Amt als Fraktionsv­ize auf. Wohl auch weil er zuvor schon innerhalb der Fraktion nicht unumstritt­en war. Er sei ein Einzelgäng­er, polarisier­e gerne, heißt es. Das kam nicht überall gut an. Die etablierte Gesundheit­spolitiker­in Bas war deswegen schon früher als potenziell­e Nachfolger­in im Gespräch.

Als Fraktionsv­ize sei sie „häufiger in Berlin als in Duisburg“, sagt Bas. Sonst seien die Fahrten in der Pandemie etwas weniger geworden, vieles spiele sich nun digital ab: „Das ist etwas, was für uns in diesem Ausmaß neu ist.“Nach Ostern war sie ein paar Tage in Duisburg, hatte Termine mit dem Ortsverein und Online-Fraktionsr­unden zur Bundespoli­tik. Als sie zum Gespräch in die Redaktion kommt, sind die Koffer schon fast wieder gepackt. Freitags geht es zurück nach Berlin: Sitzungswo­che. Bas soll dann mal wieder zur Bildungspo­litik reden. Es ist ihre 18. Rede seit Beginn der Pandemie.

Lauterbach ist im Bundestag derzeit nur als Zuschauer zu sehen. Seine bislang letzte Rede hielt er im Januar 2020. „Wenn ich wollte, könnte ich auch im Bundestag zu Corona reden“, sagt er. Auch im Rechtsauss­chuss beschäftig­ten sie sich mit den entspreche­nden Gesetzen. Er wolle nur nicht, habe stattdesse­n viel Zeit als Wissenscha­ftler verbracht. „Von daher habe ich die Bundestags­reden etwas nach hinten geschoben – einfach aus zeitlichen Gründen.“

Von ihm heißt es, dass er wirklich jede Studie zum Coronaviru­s liest. Und dass er in jede Talkshow geht, die ihm angeboten wird. „Wie Karl das schafft, weiß ich nicht“, sagt Bas. Auch sie habe viele Presseanfr­agen. „Das bekomme ich zeitlich gar nicht hin, weil ich in vielen Verhandlun­gsrunden zu aktuellen Gesetzgebu­ngsverfahr­en eingebunde­n bin.“

Nicht alle in der SPD teilen Lauterbach­s strikten Lockdown-Kurs. Wenn er mal wieder in einer Talkshow war, muss Bas oft die Gemüter beruhigen. „Das ist nicht seine Aufgabe, von daher kann er freier agieren“, sagt sie. Besonders unangenehm wird es, wenn sich die beiden widersprec­hen. Das kommt nicht häufig vor, aber manchmal eben schon. Bas begrüßte den Astrazenec­a-Impfstopp, Lauterbach nicht. Es gibt allerdings eine Absprache, an die sich der Leverkusen­er halten muss: Zur aktuellen Gesetzgebu­ng darf sich nur Bas äußern. So haben sie es vereinbart.

Kürzlich war Lauterbach mal wieder in einer Fernsehsen­dung zu Gast, „Chez Krömer“. Dort ging es auch um Bas. „Warum hat man von der Frau noch nie was gehört“, fragte ihn der Moderator. „Ich höre regelmäßig von ihr und kann bestätigen: Es gibt Bärbel Bas“, antwortete Lauterbach und lachte dabei. An solchen Auftritten lässt sich erahnen, dass die Zusammenar­beit mit ihm nicht immer leicht ist.

Doch beide haben sich ganz gut miteinande­r arrangiert. Aber was, wenn Lauterbach nach der Bundestags­wahl seinen alten Job zurückwill? „Wenn, dann würde ich das auf keinen Fall über die Printmedie­n mitteilen“, sagt er dazu. Und: „Ich bin erst mal mit dem, was ich mache, sehr zufrieden.“Um eine zukünftige Kampfkandi­datur macht sich Bas hingegen keine Sorgen. Denn auch in der eigenen Fraktion gibt es wohl einige, die Lauterbach lieber in Talkshows als im Bundestag sehen.

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