Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Querdenker“stehen jetzt bundesweit unter Beobachtung
Das Innenministerium sieht immer öfter provozierte Eskalationen bei den Corona-Protesten. Die Szene suche teils Kontakt zu Rechtsextremen.
BERLIN (dpa) Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet Personen und Gruppen innerhalb der „Querdenker“-Bewegung. Das teilte das Bundesinnenministerium mit. Damit darf der Verfassungsschutz nun beispielsweise bundesweit Daten zu bestimmten Personen aus der Szene sammeln. Insgesamt befürchtet die Behörde, dass die im Zuge der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen verbreiteten Verschwörungstheorien auch nach der Pandemie nicht ganz verschwinden werden.
Die Kölner Behörde brütete mehrere Monate über dieser Entscheidung, auch weil das Spektrum der Protestierenden sehr heterogen ist. Dazu gehören etwa Esoteriker, sogenannte Reichsbürger, Impfgegner und Anhänger unterschiedlicher Weltanschauungen.
Da die Bewegung keinem der bisher bekannten Bereiche wie Rechtsextremismus, Linksextremismus oder Islamismus zuzuordnen sei, habe der Verfassungsschutz eine neue Kategorie geschaffen, teilte das Innenministerium mit. Sie nennt sich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“.
Die neue Kategorisierung ermögliche sowohl eine Bearbeitung als Verdachtsfall als auch als erwiesen extremistische Bestrebung.
Bei einem Verdachtsfall sieht der Verfassungsschutz gewichtige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Damit kann das Bundesamt Betroffene unter strengen Voraussetzungen systematisch beobachten und heimlich Informationen beschaffen, etwa durch Observation oder die Anwerbung von Informanten. Die Überwachung von Telefonaten etwa muss aber genehmigt werden. Wenn sich der Verdacht zur Gewissheit erhärtet, folgt die Einstufung als erwiesen extremistische Bewegung.
Legitime Proteste und Demonstrationen gegen die Corona-Politik würden immer wieder, in jüngerer Zeit zunehmend, instrumentalisiert und es würden Eskalationen provoziert, begründete das Ministerium die Entscheidung. Anmelder und Organisatoren von Demonstrationen – vor allem Protagonisten der „Querdenker“-Bewegung – „zeigen zum Teil deutlich, dass ihre Agenda über die reine Mobilisierung zu Protesten gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen hinausgeht“. Verbindungen zu „Reichsbürgern“und „Selbstverwaltern“sowie Rechtsextremisten seien „in Kauf genommen oder gesucht, das Ignorieren behördlicher Anordnungen propagiert und letztlich das staatliche Gewaltmonopol negiert“worden. Das sei geeignet, das Vertrauen in die staatlichen Institutionen nachhaltig zu erschüttern.