Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Terrassenbau erzürnt die Gemüter in der Stadt
Die Diskussionen über die Außenterrasse am Weihnachtsbaum sind hitzig. Dabei sagen Experten: Das Wahrzeichen ist nicht in Gefahr.
WERMELSKIRCHEN Er habe nur die Wichtigkeit des Wermelskirchener Mammutbaums als „identifikationsstiftendes Naturdenkmal“herauszustellen wollen. Und die Risiken nennen, die entstehen können, wenn der Betonring um den Baum durch die vom Restaurant „ToscAnna“geplante gastronomische Außenterrasse unter dem Weihnachtsbaum zweckentfremdet wird.
Dass Volker Ernst, Vorsitzender des Bergischen Geschichtsvereins (BGV ) mit seinem offenen Brief (wir berichteten) einen Sturm der Entrüstung im Internet ausgelöst hat, habe er nicht kommen sehen. „Die derzeitige Form vieler Diskussionsbeiträge betrachte ich mit Sorge“, schreibt er in einer Stellungnahme. „In keiner Weise habe ich beabsichtigt, pauschal die Gastronomie und insbesondere das ‚ToscAnna’
„Die derzeitige Form vieler Diskussionsbeiträge betrachte ich mit Sorge“
Volker Ernst Vorsitzender Bergischer Geschichtsverein
in Misskredit zu bringen“, stellt er klar.
Seine Befürchtung sei gewesen, dass durch die Terrasse nicht mehr genug Wasser für den Mammutbaum auf den Boden komme. Deshalb habe er seine Sorge in einem offenen Brief geäußert. „Die Sorge ist ja sicherlich verständlich“, sagt Henning Rehse, Vorsitzender der WNKUWG. „Aber besser wäre es gewesen, sich erstmal zu erkundigen, ob die Stadt nicht längst geprüft hat, ob der Baum Schaden nimmt, bevor man öffentlich eine solche Diskussion lostritt.“Nicht nur die Stadtverwaltung hat auf die Sicherheit des Baumes geachtet, auch die Grünen haben Experten zu Rate gezogen: „Der Baum wird durch die Terrasse glücklicherweise in keiner Art und Weise gefährdet“, erklärt Conchita Finken, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und fügt hinzu: „Die Baugenehmigung der Terrasse war ebenfalls nach Hinzuziehen eines Experten erfolgt, sodass man uns aus städtischer Sicht versichert hat, dass dem Baum weder Luft noch Wasser genommen wird. In dem Fall hätten wir einen sofortigen Rückbau der Terrasse beantragt.“
Laut Stadt seien die Argumente des BGV „sachlich und inhaltlich zu entkräften“. Das teilt der Technische Beigeordnete der Stadt Wermelskirchen, Thomas Marner, mit. Bevor die Baugenehmigung erteilt wurde, habe man sich mit den Kreisbehörden ausgetauscht. Ergebnis: Durch die Terrasse würde keine Gefahr für den Baum ausgehen. „Dadurch, dass die Terrasse in Richtung des Baumes geneigt ist, fließt im Zweifel sogar mehr Wasser in die Erde“, erklärt Marner. Ohnehin handele es sich bei dem Mammutbaum um einen Tiefwurzler, was bedeuten würde, dass der Baum sich Wasser aus der Tiefe ziehen könnte. Außerdem ist die Terrassen-Konstruktion durchlässig, es wurde kein Beton in die Baumschale gegossen und die Füße stehen auf einigen Steinplatten.
Auf die hitzige Diskussion angesprochen, sind sich Politiker verschiedener Parteien einig, dass es wünschenswert gewesen wäre, wenn das Thema im Vorfeld im Ältestenrat diskutiert worden wäre.
„Das haben wir im vergangenen Jahr auch bei anderen Außenterrassen getan, wie zum Beispiel bei der Idee für das Eiscafé ‚Cordella’“, sagt CDU-Stadtverbandsvorsitzender Stefan Leßenich.
SPD-Chef Jochen Bilstein weist aber auch darauf hin, dass der Rat nicht bei allen Baumaßnahmen einbezogen werden müsse. Er findet die Diskussion in den sozialen Medien nach der Kritik des Bergischen Geschichtsvereins überflüssig: „Das ist ein Sturm im Wasserglas“, sagt er. Natürlich prüfe man, ob die Bedenken plausibel seien oder nicht. Allerdings sollte das von Experten bewertet werden und nicht von Facebook-Nutzern. „Darüber rege ich mich maßlos auf“, sagt er. Bilstein habe im Ältestenrat bereits Einsicht in ein Gutachten des Kreises beantragt. „Sollte dort festgehalten sein, dass es für den Baum keine Bedenken gibt, bleibt die Terrasse stehen“, so Bilstein. Er selbst könne das aus aktueller Sicht nicht bewerten.
Marco Frommenkord, Fraktionsvorsitzender der FDP, nimmt „ToscAnna“-Inhaberin Anna Fanelli in
Schutz: „Die Eigentümerin ist rechtlich auf der sicheren Seite“, erklärt er. Die Art und Weise der Kritik im Internet bezeichnet er als „no go“und unsäglich. Grundsätzlich begrüße die FDP es, wenn Menschen sich für Naturdenkmäler einsetzen. „Die Kritik des BGV in diesem Fall ist allerdings haltlos“, erklärt Frommenkord. Die Bevölkerung der Stadt solle froh sein, dass es Menschen gibt, die sich Gedanken machen, wie der Gastronomie-Betrieb zukünftig wieder aufgenommen werden könnte.
Der Vorschlag des Geschichtsvereins, lieber die Parkflächen in dem Bereich zu nutzen, sei auch von der Stadt geprüft worden. Es hätte die Möglichkeit bestanden, zwei bis drei Parkplätze zu streichen und dort stattdessen Tische und Stühle zu stellen. „Dann hätten allerdings auch Wellenbrecher davor platziert werden müssen. Alles in allem nicht
„Die Kritik des Bergischen Geschichtsvereins in diesem Fall ist allerdings haltlos“
Marco Frommenkord Fraktionsvorsitzender FDP
wirtschaftlich für die Besitzerin“, sagt Frommenkord. Er tippt, dass es dann wohl auch Beschwerden über weniger Parkplätze im Innenstadtbereich gegeben hätte.
Der Chef der CDU-Fraktion, Michael Schneider, vertraut der Stadtverwaltung und geht davon aus, dass der Bau ausreichend geprüft worden ist. „Ich begrüße es grundsätzlich, wenn Gastronomen draußen bauen“, sagt er. Er verstehe Restaurants, die nach einer Zeit großer Umsatzeinbußen neue Wege für ihre Außenbereiche suchten. „Besonders, wenn die Inzidenz irgendwann wieder fällt, bringt die Außengastronomie Leben in die Stadt“, erklärt Schneider.
Derweil bemüht sich die Stadtverwaltung darum, den Konflikt zu lösen. Man sei mit den betroffenen Akteuren im Gespräch, erklärt Marner, und wolle die Argumente in einem angemessenen Rahmen austauschen. Wichtig sei jetzt vor allem, dass die Diskussion „friedvoll endet“, stellt Henning Rehse von der WNKUWG klar, „damit wir demnächst alle gemeinsam unter dem Baum ein Glas Rotwein trinken können.“