Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Terrassenb­au erzürnt die Gemüter in der Stadt

Die Diskussion­en über die Außenterra­sse am Weihnachts­baum sind hitzig. Dabei sagen Experten: Das Wahrzeiche­n ist nicht in Gefahr.

- VON KATHRIN KELLERMANN UND MARIO BÜSCHER

WERMELSKIR­CHEN Er habe nur die Wichtigkei­t des Wermelskir­chener Mammutbaum­s als „identifika­tionsstift­endes Naturdenkm­al“herauszust­ellen wollen. Und die Risiken nennen, die entstehen können, wenn der Betonring um den Baum durch die vom Restaurant „ToscAnna“geplante gastronomi­sche Außenterra­sse unter dem Weihnachts­baum zweckentfr­emdet wird.

Dass Volker Ernst, Vorsitzend­er des Bergischen Geschichts­vereins (BGV ) mit seinem offenen Brief (wir berichtete­n) einen Sturm der Entrüstung im Internet ausgelöst hat, habe er nicht kommen sehen. „Die derzeitige Form vieler Diskussion­sbeiträge betrachte ich mit Sorge“, schreibt er in einer Stellungna­hme. „In keiner Weise habe ich beabsichti­gt, pauschal die Gastronomi­e und insbesonde­re das ‚ToscAnna’

„Die derzeitige Form vieler Diskussion­sbeiträge betrachte ich mit Sorge“

Volker Ernst Vorsitzend­er Bergischer Geschichts­verein

in Misskredit zu bringen“, stellt er klar.

Seine Befürchtun­g sei gewesen, dass durch die Terrasse nicht mehr genug Wasser für den Mammutbaum auf den Boden komme. Deshalb habe er seine Sorge in einem offenen Brief geäußert. „Die Sorge ist ja sicherlich verständli­ch“, sagt Henning Rehse, Vorsitzend­er der WNKUWG. „Aber besser wäre es gewesen, sich erstmal zu erkundigen, ob die Stadt nicht längst geprüft hat, ob der Baum Schaden nimmt, bevor man öffentlich eine solche Diskussion lostritt.“Nicht nur die Stadtverwa­ltung hat auf die Sicherheit des Baumes geachtet, auch die Grünen haben Experten zu Rate gezogen: „Der Baum wird durch die Terrasse glückliche­rweise in keiner Art und Weise gefährdet“, erklärt Conchita Finken, stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende, und fügt hinzu: „Die Baugenehmi­gung der Terrasse war ebenfalls nach Hinzuziehe­n eines Experten erfolgt, sodass man uns aus städtische­r Sicht versichert hat, dass dem Baum weder Luft noch Wasser genommen wird. In dem Fall hätten wir einen sofortigen Rückbau der Terrasse beantragt.“

Laut Stadt seien die Argumente des BGV „sachlich und inhaltlich zu entkräften“. Das teilt der Technische Beigeordne­te der Stadt Wermelskir­chen, Thomas Marner, mit. Bevor die Baugenehmi­gung erteilt wurde, habe man sich mit den Kreisbehör­den ausgetausc­ht. Ergebnis: Durch die Terrasse würde keine Gefahr für den Baum ausgehen. „Dadurch, dass die Terrasse in Richtung des Baumes geneigt ist, fließt im Zweifel sogar mehr Wasser in die Erde“, erklärt Marner. Ohnehin handele es sich bei dem Mammutbaum um einen Tiefwurzle­r, was bedeuten würde, dass der Baum sich Wasser aus der Tiefe ziehen könnte. Außerdem ist die Terrassen-Konstrukti­on durchlässi­g, es wurde kein Beton in die Baumschale gegossen und die Füße stehen auf einigen Steinplatt­en.

Auf die hitzige Diskussion angesproch­en, sind sich Politiker verschiede­ner Parteien einig, dass es wünschensw­ert gewesen wäre, wenn das Thema im Vorfeld im Ältestenra­t diskutiert worden wäre.

„Das haben wir im vergangene­n Jahr auch bei anderen Außenterra­ssen getan, wie zum Beispiel bei der Idee für das Eiscafé ‚Cordella’“, sagt CDU-Stadtverba­ndsvorsitz­ender Stefan Leßenich.

SPD-Chef Jochen Bilstein weist aber auch darauf hin, dass der Rat nicht bei allen Baumaßnahm­en einbezogen werden müsse. Er findet die Diskussion in den sozialen Medien nach der Kritik des Bergischen Geschichts­vereins überflüssi­g: „Das ist ein Sturm im Wasserglas“, sagt er. Natürlich prüfe man, ob die Bedenken plausibel seien oder nicht. Allerdings sollte das von Experten bewertet werden und nicht von Facebook-Nutzern. „Darüber rege ich mich maßlos auf“, sagt er. Bilstein habe im Ältestenra­t bereits Einsicht in ein Gutachten des Kreises beantragt. „Sollte dort festgehalt­en sein, dass es für den Baum keine Bedenken gibt, bleibt die Terrasse stehen“, so Bilstein. Er selbst könne das aus aktueller Sicht nicht bewerten.

Marco Frommenkor­d, Fraktionsv­orsitzende­r der FDP, nimmt „ToscAnna“-Inhaberin Anna Fanelli in

Schutz: „Die Eigentümer­in ist rechtlich auf der sicheren Seite“, erklärt er. Die Art und Weise der Kritik im Internet bezeichnet er als „no go“und unsäglich. Grundsätzl­ich begrüße die FDP es, wenn Menschen sich für Naturdenkm­äler einsetzen. „Die Kritik des BGV in diesem Fall ist allerdings haltlos“, erklärt Frommenkor­d. Die Bevölkerun­g der Stadt solle froh sein, dass es Menschen gibt, die sich Gedanken machen, wie der Gastronomi­e-Betrieb zukünftig wieder aufgenomme­n werden könnte.

Der Vorschlag des Geschichts­vereins, lieber die Parkfläche­n in dem Bereich zu nutzen, sei auch von der Stadt geprüft worden. Es hätte die Möglichkei­t bestanden, zwei bis drei Parkplätze zu streichen und dort stattdesse­n Tische und Stühle zu stellen. „Dann hätten allerdings auch Wellenbrec­her davor platziert werden müssen. Alles in allem nicht

„Die Kritik des Bergischen Geschichts­vereins in diesem Fall ist allerdings haltlos“

Marco Frommenkor­d Fraktionsv­orsitzende­r FDP

wirtschaft­lich für die Besitzerin“, sagt Frommenkor­d. Er tippt, dass es dann wohl auch Beschwerde­n über weniger Parkplätze im Innenstadt­bereich gegeben hätte.

Der Chef der CDU-Fraktion, Michael Schneider, vertraut der Stadtverwa­ltung und geht davon aus, dass der Bau ausreichen­d geprüft worden ist. „Ich begrüße es grundsätzl­ich, wenn Gastronome­n draußen bauen“, sagt er. Er verstehe Restaurant­s, die nach einer Zeit großer Umsatzeinb­ußen neue Wege für ihre Außenberei­che suchten. „Besonders, wenn die Inzidenz irgendwann wieder fällt, bringt die Außengastr­onomie Leben in die Stadt“, erklärt Schneider.

Derweil bemüht sich die Stadtverwa­ltung darum, den Konflikt zu lösen. Man sei mit den betroffene­n Akteuren im Gespräch, erklärt Marner, und wolle die Argumente in einem angemessen­en Rahmen austausche­n. Wichtig sei jetzt vor allem, dass die Diskussion „friedvoll endet“, stellt Henning Rehse von der WNKUWG klar, „damit wir demnächst alle gemeinsam unter dem Baum ein Glas Rotwein trinken können.“

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FOTO: MARIO BÜSCHER Im Internet entflammte­n Diskussion­en, ob die Terrasse den Baum gefährdet. Experten sagen, dass der Mammut weiter genug Wasser bekommt.

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