Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Marco Wriedt verlässt Lennep
Rockgitarrist Marco Wriedt zieht nach Hamburg und fiebert dem neuen Album seiner Band Pink Cream 69 entgegen. „Für mich persönlich war es definitiv kein verlorenes Jahr“, betont der 36-Jährige.
LENNEP Er hat die Welt bereist, seine Heimatscholle ist jedoch bislang Lennep geblieben. Ab dem 1. Mai schnuppert Marco Wriedt Seeluft. Mit 36 Jahren geht’s hoch in den Norden, nicht so weit entfernt von seinen familiären Wurzeln in Schleswig-Holstein. Der Rockgitarrist setzt einen langgehegten Gedanken um und zieht nach Hamburg.
Die Wohnungssuche in der pulsierenden Millionenstadt dauerte. Marco Wriedt ist in Hohenfelde im Bezirk Nord fündig geworden und bezieht ein kleines, möbliertes Studio-Appartement. „Zehn Minuten von der Außenalster entfernt“, betont der Saitenspezialist, der gerade in Corona-Zeiten die langen Spaziergänge rund um Lennep schätzenlernte und sich nun auf Entspannung an Hamburgs attraktivem Binnengewässer freut.
Der Standortwechsel ist nur eine Facette im Leben des Pink-Cream-69-Gitarristen, die ihn nach 13 Monaten Pandemie-Einschnitten zu dem Urteil gelangen lässt: „Für mich persönlich war es definitiv kein verlorenes Jahr.“Positiv verbucht er: „Ich hatte viel Zeit, tiefer in Musik und Gitarre einzutauchen, mehr Zeit in der Natur, verschiedene Kaffeesorten auszuprobieren und die Stille zu genießen, zumindest manchmal.“Andererseits, so gesteht er: „Ich vermisse die Flughäfen, verrückterweise das Essen dort, Jetlags, Konzertbühne, Festivals, Face-to-Face-Treffen mit Leuten aus aller Welt backstage und die Gespräche im realen Leben.“
Stillstand gab es für den blonden Gitarrero nicht. Gerade hat er den zweiten Vorboten für sein persönliches Album „Guitar Stories“ins Netz geschickt. Nach einer Kollaboration mit der US-Amerikanerin Gretchen Menn folgt die ebenso treibende wie melodiöse Instrumental-Single „2G Decadance“, auf der Wriedt dem Kollegen Victor Smolski einen Solo-Slot einräumt. Dass der Rage-Frontmann
seine Visitenkarte bei ihm abgibt, ehrt Marco Wriedt. Beide schätzen sich seit 14 Jahren. „Victor ist einer meiner Gitarrenhelden. Als ich 2007 bei Axxis eingestiegen bin, war Victor einer der Ersten, von dem ich Lob erfahren habe.“
Gerne erinnert sich der Lenneper, dass ihm Smolski einen Job verschaffte für die Videospielserie „Guitar Hero“. „Victor rief mich an und fragte, ob ich nicht ‚Highway to hell‘ dafür einspielen wolle. Es war eine Auftragsarbeit, bei der er mir auf die Finger schaute.“Heute ist es längst nicht mehr das Verhältnis Meister und Schüler. Beide sind verdiente Repräsentanten (Endorser) der Firma Engl, die Gitarrenverstärker baut.
„Guitar Stories“möchte Wriedt im Herbst als Herzensangelegenheit in eigener Sache veröffentlichen. Sein Hauptaugenmerk liegt aber auf seiner neuen Tätigkeit bei Pink Cream 69. Getroffen hat er die neuen Bandkollegen nach seinem Einstieg bislang nur einmal bei einer Fotosession Ende Februar 2020. Frisches Songmaterial der Hardrock-Urgesteine aus Karlsruhe wird gerade von David Readman und Alfred Koffler online hin- und hergeschickt. „Geplant
ist, dass wir im Sommer für die Aufnahme ins Studio gehen, wahrscheinlich ins Hofa bei Bruchsal, und das neue Album dann Anfang 2022 erscheint.“
Die Hoffnung ist nach mehrmaligem Verschieben im Jahr 2022 endlich wieder auf Tournee gehen zu können und ein großes Festival wie „Masters of Rock“in Tschechien zu rocken. Mal wieder vor 20.000 Leuten spielen. „Ein Traum“, sagt Wriedt: „Aber meine Nervosität erstmals wieder vor einer solchen Masse aufzutreten, wäre nach solch einer langen Pause enorm. Ich bräuchte vorher ein paar Warm-upGigs, um reinzukommen.“
Die Warterei nervt den 36-Jährigen zwar, aber er ist niemand, der klagt: „Titanic-Momente kenne ich nicht. Solides Wirtschaften mit meinen Einnahmen hat mir geholfen, bislang sicher durch die Krise zu kommen.“
Musiker als Opfer? Marco Wriedt findet das zu kurz gesprungen. „Das ist mir zu pauschal. Natürlich ist die Situation von uns Künstlern problematisch. Aber am härtesten trifft es diejenigen, die im Umfeld den Musikbetrieb möglich machen. Die fielen von hundert auf null und müssen jetzt teilweise bei Aldi die Regale einräumen, um zu überleben. Diese Helfer in unserem Business brauchen am dringendsten die staatliche Hilfe.“