Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Pferdeherpes macht die Reiter nervös
Infektionen mit Pferdeherpes im Bergischen: Derzeit besteht kein Grund zur übertriebenen Unruhe bei Hückeswagener Stallgemeinschaften.
Infektion mit Pferdeherpes im Bergischen: Im Moment besteht kein Grund zur übertriebenen Unruhe in den Stallgemeinschaften.
HÜCKESWAGEN Mit der Corona-Pandemie hat die Menschheit erfahren, dass sich ein Virus rasend schnell und unkontrolliert verbreiten kann. Alle haben gelernt, dass nur massive Hygienevorschriften und Kontaktbeschränkungen helfen. Dabei gibt es nicht nur Infektionskrankheiten, die den Menschen bedrohen. So gefährlich Corona ist, so tödlich kann das Pferdeherpes für die Tiere werden. Daher schrillen bei Stallbesitzern in Hückeswagen die Alarmglocken, als die BM über den Ausbruch der hochansteckenden und aggressiven Viruskrankheit bei einem Islandpony auf Gut Bremerhof in Dabringhausen berichtete. Die heimische Reiterszene fragte sich sofort, wie groß wohl das Risiko einer Verbreitung der Krankheit sein könnte.
„Nicht sehr hoch“, beruhigen die Tierärzte Dr. Stephan Paufler und Dr. Heinrich Lüttgenau. „Wir haben in keinem Fall behandeln müssen“, sagt Paufler. Aus den umliegenden Gemeinden kenne er bislang nur zwei erkrankte Tiere. „Wir müssen bedenken, dass gerade die Virusvariante Typ 1 beim Pferdeherpes jedes Jahr nach dem Winter regelmäßig und vereinzelt auftritt. Denn die kalte Jahreszeit schwächt nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Pferden das Immunsystem und macht die Tiere anfällig für Infektionskrankheiten“, sagt der Veterinärmediziner. „Wenn ein Turnierpferd dann auch noch extrem unter Stress steht, wird der Krankheitsausbruch oft noch beschleunigt.“
Allerdings bemerkt Paufler eine extrem hohe Nervosität bei Pferdebesitzern und Reitstalleignern. „Tatsächlich erkranken jedes Jahr Pferde an Herpes, aber durch die Corona-Pandemie reagieren viele Pferdebesitzer besonders alarmiert auf eine mögliche Ausbreitung der Viruskrankheit, die durch Tröpfcheninfektion sehr schnell von einem Pferd zum nächsten übertragen werden kann“, sagt er.
Der Tierarzt weist darauf hin, dass es schon seit vielen Jahren Impfstoffe gegen das Pferdeherpes EHV-1 gibt. „Aber speziell in diesem Jahr war die Nachfrage so extrem hoch, dass wir derzeit keinen Impfstoff verfügbar haben.“Paufler betont aber auch, dass die bekannten Impfstoffe nur dann ihre gewünschte Wirkung erreichen, wenn ein gesamter Pferdebestand in einer Stallgemeinschaft seit dem Fohlenalter regelmäßig komplett durchgeimpft wird. Pferdeherpes gilt nicht als Tierseuche und ist daher gegenüber dem Veterinäramt nicht meldepflichtig. Trotzdem teilt Sprecherin Iris Trespe von der oberbergischen Kreisverwaltung mit, dass gerade in diesem Jahr der Weltreiterverband FEI mit großer Umsicht auf eine mögliche Ausbreitung der hochansteckenden Pferdekrankheit reagiert habe. „Nachdem im Februar bei einem internationalen Reitturnier im spanischen Valencia der Ausbruch des sehr aggressiven EHV-1-Stammes zu mehreren Todesfällen geführt hatte, wurden umgehend alle internationalen Reitveranstaltungen bis 28. März abgesagt“, sagt sie.
Pferdeherpes zeige sich üblicherweise mit Fieber, Atemwegssymptomen, Nasen- und Augenfluss und in schweren Fällen mit einer Lungenentzündung. Besonders gefährdet seien trächtige Stuten, da die Krankheit zu Fehlgeburten führen könne. Seltener würden auch neurologische Erkrankungen auftreten. Die Genesungszeit dauert zwischen zwei und fünf Wochen.
Reitstallbesitzer Volker Tabak zählt die wichtigsten Maßnahmen auf, mit denen er seinen Tierbestand in seinem Ausbildungs- und Zuchtbetrieb in Mittelhombrechen vor dem gefährlichen Virus schützt: „Sobald ein Pferd Fieber bekommt, informieren wir umgehend den Tierarzt. Würde sich die Diagnose auf EHV bestätigen, dann wird der Stall konsequent gegen fremde Besucher und fremde Pferde abgeriegelt. Es stehen separate Quarantäneboxen bereit. Es wird regelmäßig desinfiziert, und ein Kleiderwechsel vor dem Betreten des Stalls wird zur Pflicht“, sagt er. Besonders wichtig sei das Wechseln des Schuhwerkes.
Paufler erklärt, dass die Untersuchungen auf EHV-1 und Covid-19 sehr ähnlich verlaufen. „Die Symptome sind vergleichbar: Fieber, Schüttelfrost, Ausfluss aus Nase und Ohren, Abgeschlagenheit, Husten. Und genau wie bei einem Corona-Test wird bei dem erkrankten Tier ein PCR-Test – also ein Antigentest – als Abstrich an den Nasenschleimhäuten oder der Augenbindehaut entnommen und im Labor ausgewertet.“
Reittherapeutin Sabine Matthei, die in ihrem Reitstall Wüste auch zu Corona-Zeiten unter strengen Auflagen noch Einzelreitunterricht im freien Gelände erteilen kann, zeigt sich aufgrund der sowieso schon massiven Distanz- und Besuchsvorschriften unbesorgt. „Wir nehmen seit einem Jahr keine neuen Pferde im Stall auf, Tierärzte und Schmiede dürfen das Gelände nur in Absprache betreten. Selbst die Eltern meiner Reitschüler müssen im Auto auf ihre Kinder warten. Hygiene, Abstand und Kontaktsperren gehören zum Alltag“, sagt sie.