Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die Hälfte der Wildbienen-Arten sind weiter gefährdet.
Rund die Hälfte der 380 Arten steht auf der roten Liste des Landes. Naturschützer schlagen Alarm und geben Tipps.
WERMELSKIRCHEN Gerade steuert eine Wildbiene zielsicher eines der Löcher in der Baumscheibe an, geht hinein und kommt einige Augenblicke später wieder heraus. Hans-Joachim Schatz vom Naturschutzbund (Nabu) Rhein-Berg beobachtet sie dabei. Die Biene legt ihre Eier in der selbst gebauten Nisthilfe ab. Ihre Nachkömmlinge werden erst im nächsten Jahr schlüpfen, da ist sie schon lange tot. Wildbienen leben in der Regeln nur einige Wochen.
Schatz will den Wildbienen ein wenig Lebens- und Brutraum zurückgeben – weil der in der Natur immer häufiger genommen wird. „Das liegt einerseits an der Art der Gärten, andererseits aber auch am Straßenbau und landwirtschaftlichen
„Auch für einige Pflanzenarten, die relativ früh blühen, wären weniger Wildbienen ein Problem“
Hans-Joachim Schatz Naturschutzbund Wermelskirchen
Nutzflächen“, sagt er. Rund 580 Wildbienenarten gibt es in ganz Deutschland. Allein in Nordrhein-Westfalen sind es 380. Über die Hälfte davon stand bereits 2009 auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen Pilze und Tiere des Landes. Schatz vermutet, dass die Zahl mittlerweile deutlich höher ist.
Eine aktualisierte Liste gibt es allerdings noch nicht. Aber auch Ulrich Schott, der Vorsitzende des Bergischen Naturschutzvereins, beobachtet seit rund zehn Jahren einen drastischen Rückgang von Wildbienen. „Wenn das noch länger so weitergeht, könnten einige Arten in näherer Zukunft ganz zusammenbrechen“, sagt er. Und das hätte nicht nur Effekte für die Insekten selbst. Wildbienen sind zusammen mit den Honigbienen für die Bestäubung einer Vielzahl von Pflanzen zuständig. „Einige Arten sind Pollengeneralisten, bestäuben also viele verschiedene Pflanzen, andere Bienen sind sehr auf bestimmte Pflanzenarten beschränkt“, sagt Hans-Joachim Schatz. Gibt es diese Pflanzenart nicht mehr in ausreichender Anzahl, finden die Bienen dort keinen Nektar und keine Pollen. Auf der anderen Seite werden die Pflanzen nicht mehr bestäubt. Auch ihr Bestand würde weiter zurückgehen. „Das würde relevante Veränderungen für das gesamte Ökosystem nach sich ziehen“, erklärt Schott. Letztendlich wäre auch der Mensch davon betroffen. Mauerbienen gelten zum Beispiel bei Obstbäumen als sehr effektive Bestäuber. Sie sorgen letztendlich dafür, dass der Baum auch Früchte trägt, die später als Nahrung im Supermarkt landen.
„Auch für Pflanzenarten, die relativ früh blühen, wären weniger Wildbienen ein Problem“, so Schatz. Wildbienen sind nämlich deutlich robuster als die Honigbienen, die es in freier Natur so gut wie gar nicht mehr gibt. Hummeln – als Unterart der Wildbienen – werden schon bei Temperaturen um den Gefrierpunkt aktiv, Honigbienen erst ab 12 Grad. „Es gibt aber immer weniger
Lebensraum für die Wildbienen“, sagt Schott.
Eine Mitverantwortung tragen dabei Steingärten, in denen es kaum Pflanzen gibt. Aber auch grüne Grasflächen im heimischen Garten könnten zwar schön aussehen, bieten den Insekten aber weniger Nahrungs- und Brutoptionen. Insbesondere wenn der Rasen regelmäßig gemäht wird. „Wir brauchen mehr wilde Ecken, mit heimischen Blumenarten“, erklärt Schatz vom Nabu. Exotische Pflanzen sind hingegen nicht geeignet. Zusätzlich könnte ausgelegtes Totholz als Nisthilfe dienen. Dort wo viele Häuser mit gar keinen oder nur kleinen Gärten stehen könnten Dächer begrünt werden, erklärt Schatz. Sogenannte Insektenhotels sind nicht für alle Wildbienenarten geeignet. Einige nisten in der Erde, graben ihre Nester dort selbst. Andere nutzen Materialien wie Haare, kleine Hölzer und Lehm, wieder andere kleben ihre Nester direkt an Steine oder Hölzer. Trotzdem kann ein Insektenhotel für einige Arten eine Brutstätte sein. „Fertige Modelle aus dem Baumarkt sind aber oft nicht optimal. Dort können sich die Tiere verletzen oder die Larven sind nicht ausreichend geschützt“, erklärt Schatz. Vor dem Bau eines Hotels sollte man sich ausreichend informieren.
Ein großes Problem ist weiterhin die Landwirtschaft sind Schott und Schatz sich einig. Auch hier würden Nutzflächen zu häufig gemäht, klassische Streuobstwiesen gibt es kaum noch.
„Zwar hat in letzter Zeit ein Umdenken stattgefunden und es gibt mehr wilde Grünstreifen am Rande der Äcker“, sagt Schott, „grundsätzlich sind Pestizide und Pflanzenschutzmittel aber ein großes Problem“. Diese würden nicht nur Unkraut und Schädlinge vernichten, sondern eben auch viele andere Pflanzenarten, die für Insekten
wichtig sind. Schatz könnte sich hier sogar Verbote vorstellen. „Auch Förderprogramme für Blühstreifen wären eine Möglichkeit“, sagt er. Gemeinsam mit seinem Verein berät er Privatleute, die ihre Gärten Wildbienenfreundlich gestalten wollen.
An seinem Insekten-Hotel herrscht derweil weiter reger Betrieb. Noch kommen und gehen die Wildbienen in großer Zahl. Schatz will dafür sorgen, dass es auch weiter so bleibt.