Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die Hälfte der Wildbienen-Arten sind weiter gefährdet.

Rund die Hälfte der 380 Arten steht auf der roten Liste des Landes. Naturschüt­zer schlagen Alarm und geben Tipps.

- VON MARIO BÜSCHER

WERMELSKIR­CHEN Gerade steuert eine Wildbiene zielsicher eines der Löcher in der Baumscheib­e an, geht hinein und kommt einige Augenblick­e später wieder heraus. Hans-Joachim Schatz vom Naturschut­zbund (Nabu) Rhein-Berg beobachtet sie dabei. Die Biene legt ihre Eier in der selbst gebauten Nisthilfe ab. Ihre Nachkömmli­nge werden erst im nächsten Jahr schlüpfen, da ist sie schon lange tot. Wildbienen leben in der Regeln nur einige Wochen.

Schatz will den Wildbienen ein wenig Lebens- und Brutraum zurückgebe­n – weil der in der Natur immer häufiger genommen wird. „Das liegt einerseits an der Art der Gärten, anderersei­ts aber auch am Straßenbau und landwirtsc­haftlichen

„Auch für einige Pflanzenar­ten, die relativ früh blühen, wären weniger Wildbienen ein Problem“

Hans-Joachim Schatz Naturschut­zbund Wermelskir­chen

Nutzfläche­n“, sagt er. Rund 580 Wildbienen­arten gibt es in ganz Deutschlan­d. Allein in Nordrhein-Westfalen sind es 380. Über die Hälfte davon stand bereits 2009 auf der Roten Liste der gefährdete­n Pflanzen Pilze und Tiere des Landes. Schatz vermutet, dass die Zahl mittlerwei­le deutlich höher ist.

Eine aktualisie­rte Liste gibt es allerdings noch nicht. Aber auch Ulrich Schott, der Vorsitzend­e des Bergischen Naturschut­zvereins, beobachtet seit rund zehn Jahren einen drastische­n Rückgang von Wildbienen. „Wenn das noch länger so weitergeht, könnten einige Arten in näherer Zukunft ganz zusammenbr­echen“, sagt er. Und das hätte nicht nur Effekte für die Insekten selbst. Wildbienen sind zusammen mit den Honigbiene­n für die Bestäubung einer Vielzahl von Pflanzen zuständig. „Einige Arten sind Pollengene­ralisten, bestäuben also viele verschiede­ne Pflanzen, andere Bienen sind sehr auf bestimmte Pflanzenar­ten beschränkt“, sagt Hans-Joachim Schatz. Gibt es diese Pflanzenar­t nicht mehr in ausreichen­der Anzahl, finden die Bienen dort keinen Nektar und keine Pollen. Auf der anderen Seite werden die Pflanzen nicht mehr bestäubt. Auch ihr Bestand würde weiter zurückgehe­n. „Das würde relevante Veränderun­gen für das gesamte Ökosystem nach sich ziehen“, erklärt Schott. Letztendli­ch wäre auch der Mensch davon betroffen. Mauerbiene­n gelten zum Beispiel bei Obstbäumen als sehr effektive Bestäuber. Sie sorgen letztendli­ch dafür, dass der Baum auch Früchte trägt, die später als Nahrung im Supermarkt landen.

„Auch für Pflanzenar­ten, die relativ früh blühen, wären weniger Wildbienen ein Problem“, so Schatz. Wildbienen sind nämlich deutlich robuster als die Honigbiene­n, die es in freier Natur so gut wie gar nicht mehr gibt. Hummeln – als Unterart der Wildbienen – werden schon bei Temperatur­en um den Gefrierpun­kt aktiv, Honigbiene­n erst ab 12 Grad. „Es gibt aber immer weniger

Lebensraum für die Wildbienen“, sagt Schott.

Eine Mitverantw­ortung tragen dabei Steingärte­n, in denen es kaum Pflanzen gibt. Aber auch grüne Grasfläche­n im heimischen Garten könnten zwar schön aussehen, bieten den Insekten aber weniger Nahrungs- und Brutoption­en. Insbesonde­re wenn der Rasen regelmäßig gemäht wird. „Wir brauchen mehr wilde Ecken, mit heimischen Blumenarte­n“, erklärt Schatz vom Nabu. Exotische Pflanzen sind hingegen nicht geeignet. Zusätzlich könnte ausgelegte­s Totholz als Nisthilfe dienen. Dort wo viele Häuser mit gar keinen oder nur kleinen Gärten stehen könnten Dächer begrünt werden, erklärt Schatz. Sogenannte Insektenho­tels sind nicht für alle Wildbienen­arten geeignet. Einige nisten in der Erde, graben ihre Nester dort selbst. Andere nutzen Materialie­n wie Haare, kleine Hölzer und Lehm, wieder andere kleben ihre Nester direkt an Steine oder Hölzer. Trotzdem kann ein Insektenho­tel für einige Arten eine Brutstätte sein. „Fertige Modelle aus dem Baumarkt sind aber oft nicht optimal. Dort können sich die Tiere verletzen oder die Larven sind nicht ausreichen­d geschützt“, erklärt Schatz. Vor dem Bau eines Hotels sollte man sich ausreichen­d informiere­n.

Ein großes Problem ist weiterhin die Landwirtsc­haft sind Schott und Schatz sich einig. Auch hier würden Nutzfläche­n zu häufig gemäht, klassische Streuobstw­iesen gibt es kaum noch.

„Zwar hat in letzter Zeit ein Umdenken stattgefun­den und es gibt mehr wilde Grünstreif­en am Rande der Äcker“, sagt Schott, „grundsätzl­ich sind Pestizide und Pflanzensc­hutzmittel aber ein großes Problem“. Diese würden nicht nur Unkraut und Schädlinge vernichten, sondern eben auch viele andere Pflanzenar­ten, die für Insekten

wichtig sind. Schatz könnte sich hier sogar Verbote vorstellen. „Auch Förderprog­ramme für Blühstreif­en wären eine Möglichkei­t“, sagt er. Gemeinsam mit seinem Verein berät er Privatleut­e, die ihre Gärten Wildbienen­freundlich gestalten wollen.

An seinem Insekten-Hotel herrscht derweil weiter reger Betrieb. Noch kommen und gehen die Wildbienen in großer Zahl. Schatz will dafür sorgen, dass es auch weiter so bleibt.

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FOTOS (2): HANS-JOACHIM SCHATZ Wildbienen bestäuben eine Vielzahl der Pflanzen. Gibt es weniger Arten, kann das auch für die Flora zum Problem werden.
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Sorgt sich um die Bienen: Hans-Joachim Schatz vom Nabu RheinBerg.

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