Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Corona erschwert die Integration
784 Flüchtlinge leben aktuell in städtischen Einrichtungen. Auch sie haben in Zeiten von steigenden Inzidenz-Werten, Homeschooling und Ausgangssperren deutlich mehr Schwierigkeiten, Sorgen und Ängste.
REMSCHEID Durch die Pandemie ist der Arbeitsalltag von Noor Abrahimkhail deutlich schwieriger geworden. Er ist Flüchtlingsberater bei der Caritas und weiß, mit welchen Problemen Flüchtlinge in der Stadt derzeit zu kämpfen haben: „Im vergangenen Jahr hatten wir 742 Klienten in der Beratung, die wir bei verschiedenen Themen wie Asyl und Aufenthalt, Bildung, Ausbildung und Arbeit beraten, über Gesundheitsthemen informiert und denen wir bei der Wohnungssuche geholfen haben.“
Selbst im direkten persönlichen Austausch sei es manchmal schwierig – aufgrund der zum Teil fehlenden Sprachkenntnisse – die komplexe deutsche Bürokratie zu vermitteln. „Im Moment ist das durch die geringen Beratungsangebote in Präsenz noch komplizierter geworden“, sagt Abrahimkhail. Viele Beratungen werden aus Infektionsschutzgründen telefonisch oder per Videochat durchgeführt.
Auch auf seine Klienten hat die Pandemie natürlich Auswirkungen: Einige seien von Kurzarbeit betroffen, andere hätten Schwierigkeiten, die Behörden zu kontaktieren, weil das Bürgeramt derzeit zum Schutz vor Infektionen nicht einfach so aufgesucht werden kann. „Das ist schon nicht einfach.“
Einige seiner Klienten ließen sich aktuell zur Ausreise informieren. „In vielen Fällen wollen sie, bevor das Asylverfahren durch ist, gerne zurück in ihr Land, weil es ihnen schlecht geht, sie sich Sorgen um die Familie in der Heimat machen und sie hier keine Bleibeperspektive haben.“Doch selbst eine freiwillige Rückführung ist im Moment aufgrund der Reisebeschränkungen schwierig, erklärt Claudia Schwarzweller, Leiterin des Ausländeramtes. Jene, deren Asylantrag negativ beschieden wurde, könnten aktuell nicht immer abgeschoben werden. „Für die Rückführung fehlen Flugverbindungen.“Außerdem müssten internationale Verordnungen beachtet werden, einige Länder fordern bei der Einreise negative PCR-Tests, andere nicht. Die Reisebeschränkungen führen auf der anderen Seite dazu, dass Remscheid im vergangenen Jahr deutlich weniger Asylanträge und Zuweisungen vom Land erhalten hat. 2019 wurden Remscheid vom Land noch 118 Flüchtlinge zugewiesen, 2020 waren es 101 und im aktuellen Jahr waren es bislang 15 Zuweisungen.
Von größeren Corona-Ausbrüchen in den städtischen Unterbringungen sei Remscheid glücklicherweise verschont geblieben, berichtet Schwarzweller: „Es gab insgesamt vielleicht eine Handvoll Fälle, also sehr, sehr wenige, die auch schnell von den anderen isoliert wurden.“
Doch nicht nur die Angst vor einer Infektion ist bei den Flüchtlingen genauso groß wie bei allen anderen Bürgern dieser Stadt auch. Beim Thema Homeschooling haben Flüchtlingsfamilien mit Kindern ebenfalls an der Situation zu nagen,
hat Abrahimkhail festgestellt: „Ein großes Problem ist, dass viele dieser Kinder noch keinen Laptop haben und die Eltern auch bei schulischen Fragen nicht helfen können.“Sevinc Brilling, Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums (KI), ist dieses Problem bekannt: „Die Kinder sind die größten Verlierer dieser Pandemie.“Erwachsene Flüchtlinge hätten weiterhin die Möglichkeit, an Sprachkursen über Zoom etwa über ihr Smartphone teilzunehmen, doch die Spiel- und Bastelangebote des KI für Kinder sowie Hausaufgabenbetreuungen finden aktuell nicht statt.
Glücklicherweise könne das KI auf viele ehrenamtliche Flüchtlingshelfer zurückgreifen, die zum Teil schon seit der großen Krise 2015 dabei sind und sich mit viel Herzblut um die Kinder kümmern. „Sie haben beispielsweise selbst private Geräte organisiert, damit die Kinder wenigstens am Schulunterricht von zu Hause teilnehmen können.“Über WhatsApp halten sie den Kontakt zu den Minderjährigen, kontrollieren auf Distanz die Hausaufgaben oder spielen online mit ihnen. „Ich weiß, dass einige auch einen Spaziergang nutzen, um mit den Kindern beim Gehen die Sprache zu üben“, sagt Brilling voller Anerkennung. „Ohne sie wären wir aufgeschmissen.“