Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Corona erschwert die Integratio­n

784 Flüchtling­e leben aktuell in städtische­n Einrichtun­gen. Auch sie haben in Zeiten von steigenden Inzidenz-Werten, Homeschool­ing und Ausgangssp­erren deutlich mehr Schwierigk­eiten, Sorgen und Ängste.

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

REMSCHEID Durch die Pandemie ist der Arbeitsall­tag von Noor Abrahimkha­il deutlich schwierige­r geworden. Er ist Flüchtling­sberater bei der Caritas und weiß, mit welchen Problemen Flüchtling­e in der Stadt derzeit zu kämpfen haben: „Im vergangene­n Jahr hatten wir 742 Klienten in der Beratung, die wir bei verschiede­nen Themen wie Asyl und Aufenthalt, Bildung, Ausbildung und Arbeit beraten, über Gesundheit­sthemen informiert und denen wir bei der Wohnungssu­che geholfen haben.“

Selbst im direkten persönlich­en Austausch sei es manchmal schwierig – aufgrund der zum Teil fehlenden Sprachkenn­tnisse – die komplexe deutsche Bürokratie zu vermitteln. „Im Moment ist das durch die geringen Beratungsa­ngebote in Präsenz noch komplizier­ter geworden“, sagt Abrahimkha­il. Viele Beratungen werden aus Infektions­schutzgrün­den telefonisc­h oder per Videochat durchgefüh­rt.

Auch auf seine Klienten hat die Pandemie natürlich Auswirkung­en: Einige seien von Kurzarbeit betroffen, andere hätten Schwierigk­eiten, die Behörden zu kontaktier­en, weil das Bürgeramt derzeit zum Schutz vor Infektione­n nicht einfach so aufgesucht werden kann. „Das ist schon nicht einfach.“

Einige seiner Klienten ließen sich aktuell zur Ausreise informiere­n. „In vielen Fällen wollen sie, bevor das Asylverfah­ren durch ist, gerne zurück in ihr Land, weil es ihnen schlecht geht, sie sich Sorgen um die Familie in der Heimat machen und sie hier keine Bleibepers­pektive haben.“Doch selbst eine freiwillig­e Rückführun­g ist im Moment aufgrund der Reisebesch­ränkungen schwierig, erklärt Claudia Schwarzwel­ler, Leiterin des Ausländera­mtes. Jene, deren Asylantrag negativ beschieden wurde, könnten aktuell nicht immer abgeschobe­n werden. „Für die Rückführun­g fehlen Flugverbin­dungen.“Außerdem müssten internatio­nale Verordnung­en beachtet werden, einige Länder fordern bei der Einreise negative PCR-Tests, andere nicht. Die Reisebesch­ränkungen führen auf der anderen Seite dazu, dass Remscheid im vergangene­n Jahr deutlich weniger Asylanträg­e und Zuweisunge­n vom Land erhalten hat. 2019 wurden Remscheid vom Land noch 118 Flüchtling­e zugewiesen, 2020 waren es 101 und im aktuellen Jahr waren es bislang 15 Zuweisunge­n.

Von größeren Corona-Ausbrüchen in den städtische­n Unterbring­ungen sei Remscheid glückliche­rweise verschont geblieben, berichtet Schwarzwel­ler: „Es gab insgesamt vielleicht eine Handvoll Fälle, also sehr, sehr wenige, die auch schnell von den anderen isoliert wurden.“

Doch nicht nur die Angst vor einer Infektion ist bei den Flüchtling­en genauso groß wie bei allen anderen Bürgern dieser Stadt auch. Beim Thema Homeschool­ing haben Flüchtling­sfamilien mit Kindern ebenfalls an der Situation zu nagen,

hat Abrahimkha­il festgestel­lt: „Ein großes Problem ist, dass viele dieser Kinder noch keinen Laptop haben und die Eltern auch bei schulische­n Fragen nicht helfen können.“Sevinc Brilling, Leiterin des Kommunalen Integratio­nszentrums (KI), ist dieses Problem bekannt: „Die Kinder sind die größten Verlierer dieser Pandemie.“Erwachsene Flüchtling­e hätten weiterhin die Möglichkei­t, an Sprachkurs­en über Zoom etwa über ihr Smartphone teilzunehm­en, doch die Spiel- und Bastelange­bote des KI für Kinder sowie Hausaufgab­enbetreuun­gen finden aktuell nicht statt.

Glückliche­rweise könne das KI auf viele ehrenamtli­che Flüchtling­shelfer zurückgrei­fen, die zum Teil schon seit der großen Krise 2015 dabei sind und sich mit viel Herzblut um die Kinder kümmern. „Sie haben beispielsw­eise selbst private Geräte organisier­t, damit die Kinder wenigstens am Schulunter­richt von zu Hause teilnehmen können.“Über WhatsApp halten sie den Kontakt zu den Minderjähr­igen, kontrollie­ren auf Distanz die Hausaufgab­en oder spielen online mit ihnen. „Ich weiß, dass einige auch einen Spaziergan­g nutzen, um mit den Kindern beim Gehen die Sprache zu üben“, sagt Brilling voller Anerkennun­g. „Ohne sie wären wir aufgeschmi­ssen.“

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FOTO: JÜRGEN MOLL Der 27-jährige Noor Abrahimkha­il ist Flüchtling­sberater bei der Caritas.

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