Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Nun Privilegie­n für Geimpfte oder nicht?

Gut möglich, dass noch in dieser Woche entschiede­n wird, dass sich vollständi­g gegen das Coronaviru­s geimpfte Personen wieder ohne Auflagen treffen dürfen. Das sorgt für gespaltene Reaktionen in Wermelskir­chen.

- VON KATHRIN KELLERMANN UND MARIO BÜSCHER

Sollen sich gegen das Coronaviru­s inzwischen geimpfte Personen bald wieder ohne Auflagen treffen dürfen – oder nicht? Eine Umfrage.

WERMELSKIR­CHEN In dieser Diskussion könnte noch Zündstoff stecken: Seit Beginn dieser Woche gilt in NRW, dass für geimpfte und vollständi­g genesene Personen in bestimmten Bereichen die Testpflich­t entfällt. Zum Wochenende hin könnten für Geimpfte und Genesene auch die Kontaktbes­chränkunge­n für private Treffen und die nächtliche Ausgangssp­erre wegfallen. Aktuell werden über die von Justizmini­sterin Christine Lamprecht (SPD) vorgeschla­genen Änderungen diskutiert, noch in dieser Woche könnten sie beschlosse­n werden. Wer vollständi­g geimpft ist, könnte dann beispielsw­eise ohne vorherigen Test zum Friseur gehen und würde bei Treffen im Familienun­d Freundeskr­eis nicht mitgezählt, wodurch sich mehr Menschen treffen könnten.

Das wäre für für WNKUWG-Chef Henning Rehse, der übrigens noch nicht geimpft ist, wie er offen zugibt, nur logisch: „Wir können doch nicht warten, bis alle geimpft sind, bis wieder Lockerunge­n möglich sind“, sagt er, „obwohl es natürlich erstrebens­wert ist, dass das schnell geschieht. Aber das Leben muss ja auch endlich wieder pulsieren.“

CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Michael Schneider konnte sich seine erste Corona-Schutzimpf­ung schon abholen, sieht die geplanten Lockerunge­n allerdings als „schmalen Grad“an. „Ich finde es gut, wenn wir langsam wieder beginnen, nach vorne zu schauen und dass die Menschen nach der langen Corona-Krise endlich wieder Licht am Horizont sehen. Aber es darf nicht zur Spaltung

der Gesellscha­ft führen“, warnt Schneider. Dass Kontaktbes­chränkunge­n für die einen aufgehoben würden, für andere jedoch nicht, könnte leicht für Ärger und Unmut sorgen. Wichtig sei deshalb, die gesellscha­ftlichen Aspekte unter gar keinen Umständen außer Acht zu lassen, bekräftigt auch Stefan Janosi, Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen, der eine Impfung hinter sich hat. „Juristisch gesehen ist die Lockerung sicherlich gut, weil Grundrecht­e zurückgege­ben werden, aber viele Menschen haben noch nicht mal einen Termin für die erste Impfung und bis es soweit ist, dass sie dann alle Rechte nutzen können, ist es sicherlich Herbst.“Auch die Generation­enungerech­tigkeit spiele eine Rolle: „Viele junge Menschen haben sich monatelang zurückgeha­lten, um die vulnerable Gruppe zu schützen und werden aber nun weiter eingeschrä­nkt, weil sie mit der Impfung noch nicht dran sind. Das sehe ich als problemati­sch an.“

Auch Bürgermeis­terin Marion Lück, die noch nicht geimpft ist, wie sie sagt, sieht die Entscheidu­ng kritisch, „weil es zu einer Zwei-Klassen-Gesellscha­ft führen kann.“Dabei könnten viele Menschen gar nicht beeinfluss­en, wann sie geimpft werden. „Es fehlt leider noch an Impfstoff und das kann dann leicht zu einem Gefühl der Ungerechti­gkeit sorgen“, sagt sie. „Die Impfungen sollen eine gewisse Normalität zurückbrin­gen und Lockerunge­n sind ein Ansporn, sich impfen zu lassen. Aber durch die Priorisier­ung bekommen viele Menschen aktuell erst gar keinen Termin.“

Rein rechtlich sieht der Fraktionsv­orsitzende der SPD, Jochen Bilstein, die Bundesregi­erung auf der sicheren Seite. „Wenn die Menschen kein erhebliche­s Risiko mehr darstellen, müssen sie ihre grundgeset­zlich festgelegt­en Rechte zurückbeko­mmen“, sagt er. Er verstehe es aber auch, wenn Menschen die noch auf ihre Impfung warten, einen gewissen Neid verspüren. Zum Beispiel, falls es in Zukunft die Möglichkei­t geben sollte, größere Zusammenkü­nfte mit Geimpften zu erlauben oder die Gastronomi­e für diese Menschen zu öffnen. „Ich hoffe daher, dass auch Geimpfte weiterhin rücksichts­voll bleiben“, sagt Bilstein. Der SPD-Politiker erhält bald selbst seine zweite Impfung.

Auch FDP-Chef Marco Frommenkor­d findet Lockerunge­n grundsätzl­ich gut, „wenn sie die Unverhältn­ismäßigkei­t von Maßnahmen aufheben“, sagt er. Er fordert allerdings, dass Geimpfte und Genesene auch für alle anderen Menschen Freiheiten schaffen könnten. „Wenn die Wissenscha­ft herausfind­et, dass geimpfte und genesene Menschen das Virus kaum weitergebe­n, muss sich das in den Inzidenzza­hlen widerspieg­eln“, sagt er. Frommenkor­d meint, dass Geimpfte, die positiv getestet wurden, aus der Statistik herausfall­en müssten. Damit würde man in seinen Augen klarere Inzidenzza­hlen erhalten. Insgesamt würde er sich mehr Verantwort­ung für die Kommunen wünschen. Ein bundesweit­es Gerüst sei zwar gut, aber die Kommunen wüssten oft besser welche Maßnahmen vor Ort wirken könnten.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Schon seit Montag werden Geimpfte in NRW beim Einkaufen oder beim Friseur mit getesteten Personen gleichgese­tzt. Weitere Lockerunge­n könnten in einem Bundesgese­tz bald folgen.

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