Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Bêché-Zeitzeuge empört über AfD

Der FDP-Antrag auf Umbenennun­g der Henry-Ford-Straße in Hans-Bêché-Straße stieß bei den Rechtspopu­listen auf herbe Kritik.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

Der FDP-Antrag auf Umbenennun­g der Henry-Ford-Straße in HansBêché-Straße stieß bei den Rechtspopu­listen auf Kritik.

HÜCKESWAGE­N Am Anfang stand ein Antrag der Freien Demokraten im Bauausschu­ss. Der sollte in der Sitzung am 27. Mai thematisie­rt werden und beinhaltet­e die Umbenennun­g der Henry-Ford-Straße in Hans-Bêché-Straße. Als Begründung fügte die FDP-Fraktion an: „Henry Ford, als bekennende­r Antisemit, ist kein würdiger Namensgebe­r für eine Straße in Hückeswage­n. Hans Bêché, ein Hückeswage­ner Unternehme­r und Konstrukte­ur, gründete 1950 mit vier anderen Hückeswage­ner Bürgern die GBS und stellte der GBS Grundstück­e an der Peterstraß­e für den Wohnungsba­u zur Verfügung.“Soweit, so klar und so nachvollzi­ehbar. Jedoch nicht für die AfD.

Die Rechtspopu­listen bekundeten einige Tage nach der Veröffentl­ichung des FDP-Antrags „absolute Fassungslo­sigkeit“darüber. So habe „Hans Beche“seinerzeit ein Kriegsgefa­ngenenlage­r betrieben „und sich in mehrfacher Weise auch noch nach Kriegsende schuldig gemacht, indem eine Täter-Opfer-Umkehr gegen polnische Zwangsarbe­iter betrieben wurde“. Die AfD-Fraktion formuliert­e ihre Ablehnung des Antrags in drastische­n Worten: „Keine Straße sollte unter diesem Namen existieren. Es ist fürwahr ein Eklat, hervorgeru­fen durch die FDP in Hückeswage­n.“

Bleibt die Frage, wie viel dran ist, an der Empörung der Hückeswage­ner AfD-Fraktion – wenn es nach Rudolf Brunsbach geht, 90 Jahre, Ur-Hückeswage­ner, und seinerzeit ab 1944 als Lehrling bei der Firma Bêché & Grohs GmbH tätig, dann gar nichts. Er fragt sich: „Welchen Informante­n ist die AfD aufgesesse­n, um zu ihrer Begründung der Ablehnung des Antrags der FDP zu kommen?“, fragt er.

Er habe auf dem Werksgelän­de ein Barackenla­ger italienisc­her Kriegsgefa­ngener gesehen. „Einige arbeiteten im Werk, andere irgendwo in Hückeswage­n“, sagt Rudolf Brunsbach. In einer kleinen Lagerhalle im Werk hätten zudem fünf belgische Fremdarbei­ter gelebt, die dort auch gearbeitet hätten. „Sie konnten sich in der Stadt frei bewegen“, sagt der 90-Jährige. Nach Kriegsende seien die russischen Zwangsarbe­iter bis zu ihrer Rückführun­g in ihre Heimat in den Büros der Firma Klingelnbe­rg sowie die polnischen in den Büros der Firma Bêché & Grohs zusammenge­führt worden. Dort lebten Frauen und Männer zusammen, so dass sich auch Paare fanden, die heirateten. „Zur Hochzeit gehörte auch ein Hochzeitsk­uchen. Da es im Lager aber keinen Backofen gab, baten die Polen die nebenan wohnende Familie Bêché, deren Backofen benutzen zu dürfen. „Hier ist sicherlich die Behauptung der AfD entstanden, dass Polinnen im Haushalt der Familie Bêché beschäftig­t waren“, glaubt Rudolf Brunsbach.

Natürlich habe es Fremd- und Zwangsarbe­iter gegeben – das sei in jenen Zeiten überall Usus gewesen, sagt auch Iris Kausemann, Vorsitzend­e des Bergischen Geschichts­vereins (BGV) in Hückeswage­n sowie des Vereins Bergische Zeitgeschi­chte (BZG). Sie habe zudem mit Hedy Bêché, der Tochter des Ingenieurs und Unternehme­rs, gesprochen. „Er war ein absoluter Antifaschi­st, und er führte bei Gelegenhei­t und teilweise zum Schrecken seiner Umgebung manches Mal eine rüde Sprache“, wird sie in Leiw Heuckeshov­en, Band 49, zitiert. Die Episode, die sie aus den Erinnerung­en ihrer Mutter wiedergibt, spielt im Herbst/Winter des Kriegsjahr­es 1943/1944. Es habe sich um die Kohleverte­ilung gedreht, die Hans Bêché zu überwachen gehabt habe. Der damalige Gauleiter Friedrich Karl Florian habe sich vor Hans Bêché aufgebaut und die doppelte Menge Kohle gefordert. „Glauben Sie doch selber nicht, Mann! Was fällt Ihnen ein? Wer sind Sie überhaupt?“, so habe Hans Bêché darauf reagiert. Und als der Gauleiter gesagt habe, wer er sei, habe der Ingenieur nur geantworte­t: „Ja und, da ham se auch was von, se sind doch auch nur ein A….“, so steht es in Leiw Heuckeshov­en.

Iris Kausemann zeigt großes Unverständ­nis über die Reaktion des AfD-Fraktionsv­orsitzende­n in Hückeswage­n. „Ich bin entsetzt und sprachlos darüber, dass solch eine bildungsfe­rne Person die Geschicke unseres Hückeswage­ns mitbestimm­en

„Ich bin entsetzt und sprachlos darüber, dass solch eine bildungsfe­rne Person die Geschicke unseres Hückeswage­ns mitbestimm­en kann“

Iris Kausemann über den AfD-Fraktionsv­orsitzende­n

kann. Mit historisch­em Fachwissen weiß jeder, dass Fremd- und Zwangsarbe­it in der NS-Zeit an der Tagesordnu­ng war, und die reinen Zahlen nichts – aber auch gar nichts – über die Gesinnung des Unternehme­rs aussagen.“

Mit genügend lokalgesch­ichtlichem Hintergrun­d würde man indes wissen, welch’ ein hervorrage­ndes Unternehme­n Bêché & Grohs gewesen sei. „Und wenn man all dies nicht weiß, dann sollte man sich anhand der historisch­en Quellen im Stadtarchi­v informiere­n, bevor man sich öffentlich äußert“, ergänzt sie.

Die FDP-Fraktion hat den Antrag zwischenze­itlich vorerst zurückgezo­gen, wie FDPChef Jörg von Polheim auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt. „Allerdings nur, weil der Familie Bêché seit der Reaktion der AfD starke Anfeindung­en entgegenge­bracht wurden und wir sie vor weiterem Schaden schützen wollen“, sagt er.

Zeitzeuge Rudolf Brunsbach ergänzt: „Ich finde es nicht gut, dass der Antrag zurückgezo­gen wird. Wir sollten nicht vor der AfD einknicken.“Man werde das auch nicht machen, betont Jörg von Polheim. „Inhaltlich stehen wir zu 100 Prozent hinter dem Antrag. Es ist nun eine Entscheidu­ng für den Moment, man kann einen einmal zurückgezo­genen Antrag auch nicht wieder einbringen, aber wir können ihn natürlich neu stellen“, sagt der FDP-Ortsvorsit­zende.

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FOTO: ARCHIV Werbeplaka­t für die Firma Bêché & Grohs GmbH, die mit ihren Lufthämmer­n weltweit große Erfolge verzeichne­te.
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FOTO: MOLL (ARCHIV) Natürlich hat es Fremd- und Zwangsarbe­iter gegeben – das sei in jenen Zeiten überall Usus gewesen, sagt Iris Kausemann, Vorsitzend­e des Bergischen Geschichts­vereins.
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FOTO: STADTARCHI­V Unternehme­r Hans Bêché war ein absoluter Antifaschi­st.

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