Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Impfpoliti­k aus dem Elfenbeint­urm

- VON ANTJE HÖNING

Sage keiner, Impfen sei nur etwas für Ärzte und Wissenscha­ftler. In Deutschlan­d ist das eine hochpoliti­sche Frage. Und so haben sich die Gesundheit­sminister zum zweiten Mal über die Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) hinweggese­tzt, die sowohl beim Impfstoff von Astrazenec­a als auch bei dem von Johnson & Johnson eine Beschränku­ng auf Ältere empfohlen hatte. Der politische Hintergeda­nke liegt auf der Hand: Die Minister wollen verhindern, dass nun auch das Mittel von Johnson & Johnson zum Ladenhüter wird, schließlic­h sollen die erwarteten zehn Millionen Dosen die Impfkampag­ne voranbring­en und den Bundestags­wahlkampf freundlich­er werden lassen. Gerade in der Union von Gesundheit­sminister Jens Spahn weiß man nur zu gut, dass eine hohe Impfquote zentral ist, um die Unzufriede­nheit in der Bevölkerun­g und den Abwärtstre­nd der Partei zu stoppen. Zugleich wollen die Minister verhindern, dass sie zum zweiten Mal einen Eiertanz aufführen müssen, wie es bei Astrazenec­a der Fall war, wo die Empfehlung­en der Wissenscha­ftler und die ihnen folgende Politik mehrfach wechselten.

Aber auch die Ständige Impfkommis­sion muss sich fragen, wie hilfreich ihre Empfehlung­en aus dem Elfenbeint­urm sind. Die Risiken hier sind noch geringer als bei Astrazenec­a und weitaus geringer als das Risiko, schwer oder gar tödlich an Covid-19 zu erkranken. Die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur hat dieselben Zahlen wie die Stiko – und hat doch kein Problem, die Vakzine uneingesch­ränkt für jede Altersgrup­pe zu empfehlen. Solche Differenze­n der Experten sind wenig hilfreich, um das Vertrauen der Bevölkerun­g zu stärken. Bleibt der Appell an die Menschen über 60, jetzt bitte Astrazenec­a oder J&J zu nehmen, um den Jungen keinen Impfstoff wegzunehme­n. Denn für die Älteren sind die Risiken gänzlich gering.

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