Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Kräftemessen der AfD-Lager
Zwei Spitzenduos ringen um die Kandidatur – dabei geht es auch um den „Flügel“.
BERLIN Mit der Bekanntgabe der Kandidaten hat die AfD am Montag den Mitgliederentscheid über ihre Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl gestartet. Es ist bei den beiden Teams geblieben, die sich im Vorfeld bereits abzeichneten: Fraktionschefin Alice Weidel tritt mit Parteichef Tino Chrupalla an, das hessische Bundesvorstandsmitglied Joana Cotar mit dem niedersächsischen Ex-General Joachim Wundrak. Damit ist einerseits die Option einer ursprünglich eingeplanten Stichwahl sehr unwahrscheinlich geworden, kommt es andererseits aber auch zu der von vielen befürchteten Spaltungsgefahr im Wahljahr: Das Team Cotar und Wundrak will mit seinem Antreten nämlich ausdrücklich den wachsenden Einfluss des offiziell aufgelösten „Flügels“stoppen.
„Flügel“-Frontmann Björn Höcke hatte beim Programmparteitag im April in Dresden einen Abstimmungserfolg nach dem anderen verbuchen können und war so oft wie nie zuvor ans Mikro getreten. Zudem hatte er mehrfach Front gegen Chrupallas Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen gemacht, der wiederum Cotar gegen Weidel in Stellung brachte. Die Abstimmung über die Spitzenkandidatur hatte der Parteitag mit knapper Mehrheit an die Basis abgegeben – auch um einen Lagerstreit auf offener Bühne zu umgehen. Dahinter steckte bei Meuthen das Kalkül, mit Cotar aus dem Westen und Chrupalla aus dem Osten nicht nur die Himmelsrichtungen, sondern auch die Strömungen in der AfD abdecken zu können.
Wie Cotar in der vergangenen Woche berichtete, hatte Chrupalla auf ihre Bemühungen, mit ihm zusammen ein Team zu bilden, nicht reagiert. Stattdessen verkündete Weidel wie beiläufig in einer Sendung von Markus Lanz, dass sie zusammen mit Chrupalla antreten werde. Chrupalla begründet das damit, dass er Weidel (die seit 2017 mit ihm im Bundestag sitzt), besser kenne als Cotar (die ebenfalls mit ihm seit 2017 im Bundestag sitzt). Cotar wie Meuthen benennen das Duo Weidel-Chrupalla als einem Lager zugehörig, Wundrak äußerte sich „erschüttert“über den tiefen Graben innerhalb der Partei.
Aus Weidel-Chrupalla ergibt sich nun jedenfalls ein Duo, das zu 100 Prozent „Flügel“-kompatibel ist. Beide haben sich in der Vergangenheit um die Unterstützung der rechtsnationalen Strömung innerhalb der Partei bemüht – und sie bekommen. Der Verfassungsschutz hat trotz der offiziellen Auflösung des „Flügels“mit der Beobachtung der Strömung begonnen. Trotzdem wurde der Einfluss immer größer.
Der Mitgliederentscheid vom 17. bis 24. Mai wird daher nun zu einem Kräftemessen der Lager. Das vorgeblich „gemäßigtere“um Meuthen hatte in der Vergangenheit eine 60- bis 70-prozentige Mehrheit auf den Parteitagen, bereits im Herbst vergangenen Jahres in Kalkar war es auf etwa die Hälfte geschrumpft, nun droht eine krachende Niederlage, denn das Gespann aus Weidel (42) und Chrupalla (46) ist ungleich prominenter als die hessische Hinterbänklerin Cotar (48) und der erst für den kommenden Bundestag kandidierende Wundrak (65).
Im Mittelbau der Partei scheint Weidel mit ihrem Kurswechsel durchaus umstritten zu sein. Der Umweg über die Mitgliedschaft könnte von diesem Kalkül getragen sein, denn Chrupalla unterstrich nun, dass Weidel an der Basis „sehr beliebt“sei.