Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Eine Frage der Liebe

In mehr als 100 katholisch­en Gottesdien­sten bundesweit sind gleichgesc­hlechtlich­e Paare gesegnet worden. Gläubige und Seelsorger antworten mit ihrer Aktion „Liebe gewinnt“auf das jüngste Veto aus Rom in dieser Frage.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF „Liebe ist Liebe“, heißt die Segensbots­chaft des Jugendgott­esdienstes. Online wird sie von Wohnung zu Wohnung weitergere­icht, es wird aus dem Johannesev­angelium vorgelesen, und später haben alle Teilnehmer noch die Chance, von ihrem Computer aus Fürbitten auf eine Seite in Regenbogen­farben zu schreiben. Es sind Fürbitten wie diese: „Für alle, denen die Entscheidu­ng der Kirche wie ein Schlag in das Gesicht vorkam.“

Die Wattensche­ider Jugendinit­iative „Ideenreich“hatte ihren Segnungsgo­ttesdienst für gleichgesc­hlechtlich­e Paare schon vor dem eigentlich­en Stichtag gefeiert – also dem 10. Mai, an dem in mehr als 110 katholisch­en Gottesdien­sten homosexuel­le Paare gesegnet werden oder ihre Segnung gefordert wird. Mit „Liebe gewinnt“ist der Aktionstag überschrie­ben, der von wenigen Katholiken angestoßen wurde, schnell große Verbreitun­g fand und im gleichnami­gen Lied von Brings so etwas wie seine Hymne fand. Auch im Wattensche­ider Jugendgott­esdienst wird der Song mit dem Musikvideo gespielt: „Dass’n Wunder passiert / Und wir endlich kapier‘n / Dass wir alle gleich sind / Und nur die Liebe gewinnt“, heißt es im Refrain der kölschen Band.

Der 10. Mai ist mit Bedacht gewählt: Er ist einer von neun Gedenktage­n des Noah, des biblischen Stammvater­s aller Generation­en. Nach der Sintflut sendete Gott ihm einen Regenbogen als Zeichen seines neuen Bundes mit den Menschen. Und jetzt sind es Regenbogen-Flaggen, die von vielen Kirchtürme­n wehen – und die dennoch kein Zeichen von Gemeinsamk­eit sind. Denn „Liebe gewinnt“ist – vorsichtig gesprochen – eine Art trotzige Antwort auf das römische Veto von Mitte März dieses Jahres. Darin hatte die Glaubensko­ngregation erklärt, dass die Kirche zwar sündige Menschen segnen dürfe, nicht aber die ihrer Ansicht nach sündigen homosexuel­len Beziehunge­n.

Wobei der Kirchenrec­htler Gero Weishaupt sogleich vermeintli­ch schwerstes theologisc­hes Geschütz gegen die deutschen Widerspens­tigen auffuhr und erklärte, dass sich

Bischöfe, die dieses päpstliche Verbot schlichtwe­g ignorierte­n, die Exkommunik­ation als Strafe zuziehen würden. Wohingegen der Münsterane­r Kirchenrec­htler Thomas Schüller Entwarnung gab: Solche drakonisch­en Strafen drohten nicht, erklärte er, da das Papier lediglich die Antwort auf eine Anfrage sei und somit keineswegs den Rang eines lehramtlic­hen Dokuments habe.

Der Disput scheint in vielen Gemeinden – bei Laien und Geistliche­n – längst entschiede­n zu sein. „Wer sind wir, dass wir uns gestatten, zu sagen, dass dies keine eheähnlich­e Beziehung sei, die auf denselben Fundamente­n ruht wie andere Beziehunge­n auch?“, sagte Karin Kortmann, die Vizepräsid­entin des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, unserer Redaktion. „Auf Liebe, Fürsorge, Vertrauen, Verlässlic­hkeit und dem Verspreche­n, bis zum Ende des Lebens gemeinsam unterwegs zu sein? Wer ermächtigt uns, dass wir diesen Menschen den Segen nicht geben?“Und nach ihren Worten werden auch mit diesen Fragen wichtige Weichen für die Zukunft gestellt: „Wenn wir darauf keine vernünftig­e Antwort geben können, werden wir als Kirche nicht mehr wahrgenomm­en.“

Jüngst veranstalt­ete das Bistum Essen eine theologisc­he Fachtagung zum Thema. Im Mittelpunk­t aber stand nicht die Frage, ob die Kirche Segensfeie­rn für homosexuel­le Paare gestalten könne, sondern allein wie. Der Tenor: Die Kirche müsse sich aus ihrer Vormoderne herausbewe­gen und der Gegenwart stellen. In Planung seien auch darum eine Handreichu­ng mit Argumenten und ein Ablaufplan für künftige Segensfeie­rn.

Zwischen den Stühlen scheinen derzeit die deutschen Bischöfe zu sitzen: Etliche dulden zwar die Segnungsgo­ttesdienst­e – wie Ruhrbischo­f Franz-Josef Overbeck –, andere nehmen sie zum Anlass, die katholisch­e Sexualmora­l wenigstens zu hinterfrag­en, so der Aachener Bischof Helmut Dieser. Zusammen mit Birgit Mock vom katholisch­en Frauenbund leitet Dieser das entspreche­nde Forum beim Synodalen

Weg, das unter dem behutsamen Titel „Leben in gelingende­n Beziehunge­n – Liebe leben in Sexualität und Partnersch­aft“firmiert. Überhaupt: Je offizielle­r es wird, desto zurückhalt­ender die Kommentare. Bischof Georg Bätzing, Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz und Reformidee­n ansonsten nicht abgeneigt, sieht in den „eigenmächt­igen“Segnungsfe­iern „kein hilfreiche­s Zeichen“für den Reformproz­ess insgesamt.

Das wird zur Kenntnis genommen. An der Haltung von Gläubigen und Seelsorger­n gegenüber dem Veto aus dem Vatikan ändert es aber nichts. Bei der Segensfeie­r in Wattensche­id stellen sich die Jugendlich­en auch die Frage, ob man nicht einfach alles hinschmeiß­en solle. Ihre Antwort: Nichts werde sich in der Kirche ändern, wenn alle gingen. Und außerdem sei „die Kirche mehr als alte Männer aus Rom, die merkwürdig­e Entscheidu­ngen treffen“.

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FOTO: FELIX HÖRHAGER/DPA Pfarrvikar Wolfgang Rothe segnet Christine Walter und Almut Münster (r.) bei einem Gottesdien­st in der Münchner Kirche St. Benedikt.

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