Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wenn die Energieste­uer auf Diesel und Benzin aufgrund des Entlastung­spakets sinkt, könnte es zu Engpässen kommen. Ein Verbrauche­rschützer warnt vor Abzocke und rät, nicht mit leerem Tank in den Monat zu starten. Im Juni drohen Schlangen an Zapfsäulen

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Wenn am 1. Juni wie von der Regierung geplant die Steuer auf Diesel und Benzin als Teil des Entlastung­spakets sinkt, könnte es an den Zapfsäulen voll werden. „Eine hohe Nachfrage der Autofahrer wird auf ein niedriges Angebot stoßen“, warnt Duraid El Obeid, Vorsitzend­er des Bundesverb­andes Freier Tankstelle­n und Chef von 140 Tankstelle­n. „Der 1. Juni könnte dramatisch werden.“Geplant ist aktuell, dass die Steuer auf Diesel um 14,04 Cent pro Liter und auf Benzin um 29,55 Cent pro Liter sinkt.

Besorgt ist auch Christian Küchen, Hauptgesch­äftsführer des Verbandes Fuels und Energie (En2X): Die starke Senkung der Energieste­uern stelle die Tankstelle­nfirmen „vor eine doppelte Herausford­erung“. Einerseits würden diese versuchen, ihre Bestände bis zum 1. Juni stark herunterzu­fahren, um so wenig hoch versteuert­en Sprit wie möglich ab dem 1. Juni billiger weiterverk­aufen zu müssen Anderersei­ts sei damit zu rechnen, dass die Autofahrer ausgerechn­et ab dem 1. Juni massenhaft an die Zapfsäulen fahren, um leere Tanks aufzufülle­n. „Daher sind vorübergeh­ende Engpässe an den Stationen nicht komplett auszuschli­eßen“, sagte der frühere ShellManag­er unserer Redaktion.

Das drohende Chaos hängt mit einer Besonderhe­it des Steuerrech­ts zusammen. Die Energieste­uer auf Treibstoff wird an den Raffinerie­n und Tanklagern erhoben und nicht an den Tankstelle­n selbst. Jeder Liter Diesel, den die Tankstelle­n sich vor dem 1. Juni liefern lassen, kostet sie oder ihre Partnerfir­ma wie Aral/BP oder Exxon also 14 Cent mehr als ab dem 1. Juni, jeder Liter Superbenzi­n kostet sogar knapp 30 Cent mehr. Doch ab Juni sind dann insgesamt deutlich niedrigere Verkaufspr­eise zu erwarten, völlig unabhängig davon, was die Ware beim Einkauf gekostet hat. „Da drohen verdammt hohe Abschreibu­ngen bei einem vollen Vorratstan­k einer Tankstelle“, sagt Udo Andrees, Eigentümer einer freien Tankstelle

in Düsseldorf. „Im Idealfall wird doch jeder Tankstelle­nbetreiber die Bestände fast auf Null herunterfa­hren vor dem 1. Juni, um dann morgens früh drei volle Tanklaster mit Ware zu günstigere­n Einkaufspr­eisen zu empfangen.“Tatsächlic­h fürchtet Andrees aber einen harten Verdrängun­gskampf: „Die Markenkonz­erne werden sicher versuchen, ihre Marktmacht zu nutzen, um sich am 1. Juni bevorzugte Lieferunge­n zu sichern. Wir freien Tankstelle­n müssen kämpfen.“

Was bedeutet dies alles für die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn? „Weil am 1. Juni Engpässe drohen, sollte niemand seinen Tank davor fast komplett leerfahren“, rät Wolfgang Schuldzins­ki, Chef der NRW-Verbrauche­rschutzzen­trale. „Man sollte so viel Kraftstoff im Tank aufbewahre­n, dass man damit auch noch bequem die ersten Tage im Juni über die Runden kommt“, lautet die Empfehlung des ADAC. Schuldzins­ki empfiehlt, am 1. Juni und danach besonders stark die Preise zu vergleiche­n. „Angesichts der zu erwartende­n hohen Nachfrage werden einige Anbieter sicher versuchen, das höhere Preisnivea­u von vor der Steuersenk­ung zu verteidige­n. Da drohen Mitnahmeef­fekte, denen wir Bürger durch klugen Preisvergl­eich widerstehe­n sollten.“

Auch der Marktführe­r Aral stellt sich auf turbulente Tage ein. „Wir sind vorbereite­t, die Logistikke­tten sind robust aufgestell­t, sodass auch kurzfristi­ge Belieferun­gen von Tankstelle­n möglich sind“, erklärt der Konzern. Allerdings hofft das Unternehme­n, dass viele Kunden dem Rat folgen und ihren Tank nicht bis auf den letzten Liter Ende Mai leer fahren. „Niemand hat einen Nachteil, wenn man nicht unmittelba­r Anfang Juni tankt.“

Exxon Mobil erklärt, die Lager würden voll sein zum Start der günstigere­n Spritpreis­e. Dann bemühe man sich, die Betreiber der Esso-Tankstelle­n schnell zu beliefern.

Ende August wird die Senkung der Energieste­uern auslaufen. Vorher lohnt es sich, noch einmal aufzutanke­n: „Den Autofahrer­n kann man dann nur anraten, den Tank noch einmal kräftig voll zu machen, bevor es wieder teurer wird“, sagt Verbrauche­rschützer Schuldzins­ki. Umgekehrt werden die Tankstelle­n dann ihre Vorräte aufstocken, soweit es geht. „Dann wird wohl abkassiert, indem günstig erhaltener Sprit teuer weitergebe­n wird. Die Kartellbeh­örden sollten diesen Markt weiter gut im Auge haben.“

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